München Seit Langem versprechen Roboterhersteller den Kunden aus der Industrie eine einfachere Bedienung. Doch Inbetriebnahme und Programmierung der mechanischen Helfer sind noch immer komplex und zeitraubend. Künstliche Intelligenz (KI) könnte aber nun für echten Fortschritt sorgen. „KI kann für die Robotikindustrie ein echter Gamechanger werden“, prognostiziert etwa Frank Konrad, CEO von Hahn Automation und Vorsitzender von VDMA Robotik + Automation.
Ein Beispiel: das Münchener Start-up Fruitcore Robotics, das auf der Messe Automatica gerade ein KI-basiertes Betriebssystem namens horstOS vorstellt. Die Software soll eine kinderleichte Bedienung ermöglichen. HorstOS soll Nutzern bei allen wichtigen Schritten unterstützen, von der Programmierung der Aufgaben bis zur konkreten Verwaltung von Roboterkomponenten wie Kameras und Greifsystemen. Auch die Integration in die Produktionsabläufe unterstützt das Programm.
Fruitcore meint „kinderleicht“ durchaus wörtlich: In der vergangenen Woche konnte eine Schülergruppe die Technologie testen, die nun bei allen Robotern des Start-ups zum Einsatz kommen soll. Die Kinder programmierten die Wegpunkte eines Kartonlabyrinths und beförderten Schokoriegel von einer Kiste in die andere.
Roboter sollen mit Umgangssprache programmiert werden
Möglich macht das ein KI-Co-Pilot. Dieser kann mit Anwendern kommunizieren, Tipps für die Fehlerbehebung geben, aber auch ganze Programme selbst schreiben. Genutzt werden kann er zum Beispiel mit dem neuen Roboter Horst1000, der unter anderem das Be- und Entladen von Maschinen übernehmen kann.
„Die Programmierung mit Umgangssprache war schon seit jeher unser Ziel“, sagt Fruitcore-CEO Jens Riegger. Daher sei man gut vorbereitet gewesen, als Sprachmodelle durch ChatGPT im vergangenen Herbst den Durchbruch schafften.
Mithilfe des KI-Co-Piloten könne man dem Roboter jetzt sagen: „Fahre zur rechten Ecke der Tischplatte“ oder „Hebe das Glas zehn Zentimeter hoch“. Bislang sei dafür aufwendige Programmierung notwendig gewesen. „Der Einsatz von Robotik wird bezahlbar, und er wird vor allem zugänglich“, meint Riegger.
Die Anbieter der sogenannten kollaborierenden Roboter konnten in den vergangenen Jahren zwar gute Wachstumsraten vorweisen. Der große Durchbruch, den sich viele erhofft hatten, ist aber ausgeblieben. Vor allem in vielen kleineren Betrieben und im Handwerk sind „Cobots“ noch die Ausnahme.
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Doch haben Lieferschwierigkeiten während Pandemie und Ukrainekrieg sowie der Fachkräftemangel ein Umdenken in den Firmen ausgelöst. „Es gibt derzeit einen Push für das Thema, das spüren wir“, sagt Danny Denk, CEO des Integrators Ecosphere Automation.
Mit Künstlicher Intelligenz sollen die Maschinen haptisch fühlen lernen
Die „Demokratisierung der Robotik“ werde aber nur gelingen, wenn es etwas „zum Anfassen“ gebe, denn viele seien noch nie mit einem Roboter in Kontakt gekommen. Daher hat er ein „Solutions Experience Center“ eröffnet, in dem die Roboter zeigen können, wozu sie bereits fähig sind.
Auch Denk ist überzeugt: „Der Roboter braucht ein Gehirn.“ KI könne zum einen bei der Programmierung helfen. Zudem könnten die Maschinen nun schneller lernen, Gegenstände haptisch und optisch zu erkennen. Bislang tun sich Roboter zum Beispiel noch schwer damit, sehr unterschiedliche Gegenstände im Wechsel zu greifen.
„Hier kommt man jetzt mit KI weiter“, sagt Kuka-Chef Peter Mohnen. Der größte deutsche Roboterhersteller nutzt die Technologie für das „Smart Bin Picking“. Die Maschinen lernen permanent dazu, zum Beispiel wie sie Gläser greifen können, ohne dass sie kaputt gehen.
Die Geschäftsführer von Fruitcore Robotics sehen in ihrem Ansatz gewaltiges Potenzial auch für kleine Unternehmen.
(Foto: Fruitcore Robotics)
Auch Cobot-Weltmarktführer Universal Robots präsentiert auf der Messe Automatica mit Polyscope X eine Software, die erste KI-Elemente einsetzt. „Die Künstliche Intelligenz bietet große Chancen“, sagte UR-Vizepräsident Anders Billeso Beck dem Handelsblatt. Sie könne zum Beispiel helfen, die Zuverlässigkeit der Fertigung zu erhöhen. Bislang würden die Systeme oft bei kleinsten Abweichungen automatisch gestoppt – zum Beispiel weil ein Teil eine leicht andere Form habe. KI könne helfen, mit Variationen besser umzugehen.
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UR registrierte zuletzt zwar angesichts des schwierigen makroökonomischen Umfelds eine Investitionszurückhaltung bei Kunden. Doch ist auch Beck überzeugt, dass der Fachkräftemangel der entscheidende Treiber sein wird. Vor zehn Jahren hätten sich potenzielle Kunden für den Return on Investment interessiert: Sie wollten wissen, ob sich ein Roboter schnell rechnet. Heute wollten sie eine Lösung, damit sie überhaupt produzieren können: „Automatisierung ist oft die einzige Lösung für dieses Problem.“
Auch andere Robotikspezialisten arbeiten intensiv an der KI-Integration. Das Karlsruher Unternehmen Artiminds entwickelt eine Software, mit der der Einsatz von Robotern geplant und diese programmiert werden können. Damit können die Maschinen, wenn sie zum Beispiel etwas schleifen oder unregelmäßig geformte Gegenstände greifen, selbst entscheiden, wie stark sie beschleunigen oder wie fest sie zupacken. Das System lerne ständig dazu und optimiere sich im laufenden Betrieb, sagt Mitgründer Sven Schmidt-Rohr.
Das Ziel sind dreistellige Millionenumsätze
Fruitcore ist überzeugt, einen Vorsprung auf die Konkurrenz zu haben. „Wir wollen die intelligentesten Roboter anbieten“, sagt Geschäftsführer Patrick Heimburger. GPT sei dabei nur das Werkzeug: „Wir trainieren die Modelle mit unseren eigenen Daten.“ Daher seien die Eintrittshürden für Wettbewerber hoch, zumal Fruitcore von der Kombination von Hard- und Software profitiere.
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In der Branche gibt es auch skeptische Stimmen. Man müsse abwarten, ob es mehr als Spielerei sei und die Bedienung mit Alltagssprache bei der professionellen Anwendung in der Industrie notwendig und hilfreich, sagt ein Experte.
Doch eine Reihe von Kunden und Investoren konnte das Unternehmen überzeugen. Ende vergangenen Jahres sammelte Fruitcore in einer neuen Finanzierungsrunde 23 Millionen Euro von Risikokapitalgebern wie UVC Partners und Capricorn ein. Gut 800 Roboter sind bislang bei Kunden installiert.
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Mit dem Erlös aus der Finanzierung sollen die Horst-Modelle nun breit ausgerollt werden. Die Technologie eigne sich auch für große Roboter, sagt Riegger. „Mittelfristig wollen wir dreistellige Millionenumsätze erzielen.“ Fruitcore Robotics wolle die Technologie selbst weiterentwickeln – und strebe also nicht die Integration in einen der großen Konzerne an. „Wir sind noch lange nicht müde genug, um uns zu verkaufen.“
Mithilfe Künstlicher Intelligenz könnte in den nächsten Jahren also der Automatisierungsgrad in den Fabriken in Deutschland steigen, und heimische Robotikspezialisten könnten eine führende Rolle spielen. Eine Voraussetzung dafür sieht Konrad vom VDMA allerdings: „Wir müssen aufpassen, dass wir die Künstliche Intelligenz nicht totregulieren.“
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