Der ehemalige US-Präsident plant seinen ersten Wahlkampfauftritt für die Präsidentschaftswahl 2024 in Texas.
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Washington Das Spiel von Aufmerksamkeit und Provokation beherrscht Donald Trump noch immer. Am Samstag versetzte er die Öffentlichkeit in Aufruhr, als er ankündigte, seine Verhaftung stünde unmittelbar bevor. Bereits an diesem Dienstag, schrieb der Ex-Präsident auf seinem Netzwerk Truth Social, werde er im Zusammenhang mit einem Strafverfahren in New York festgenommen werden. „Protestiert, holt euch eure Nation zurück“, forderte er seine Anhänger im selben Posting auf.
Der Appell erinnerte an Trumps aufstachelnde Tweets rund um den 6. Januar 2021, als Tausende seiner Anhänger das Kapitol in Washington gestürmt hatten. Ob Trump tatsächlich am Dienstag im Gerichtssaal erscheinen muss, ist unklar. Die zuständige Bezirksstaatsanwaltschaft in Manhattan äußerte sich bislang nicht dazu, und ein Sprecher Trumps räumte gegenüber CNN ein, man habe keine offizielle Aufforderung erhalten.
Fest steht aber: Ein laufendes Strafverfahren im Zusammenhang mit Schweigegeld-Zahlungen an zwei frühere Geliebte Trumps nimmt immer konkretere Formen an. Seit Monaten hört eine sogenannte Grand Jury in New York Details und Zeugen zum Fall Trump. In den vergangenen Wochen verdichteten sich die Hinweise, dass das Gremium zeitnah für eine Anklage Trumps stimmen werde. Laut des Portals Axios bereiten sich die New Yorker Behörden auf erhöhte Sicherheitsvorkehrungen vor, sollte Trump vor Gericht erscheinen müssen.
„Gefahr gewalttätiger Proteste“
Während seiner Amtszeit im Weißen Haus war Trump noch durch Immunität vor Anklagen geschützt. „Wenn er verhaftet wird, wäre Donald Trump der erste US-Präsident in der Geschichte, der angeklagt wird“, sagte der Republikaner-Kenner Matthew Continetti dem Handelsblatt. „Die beispiellose Natur eines solchen Ereignisses hätte unvorhersehbare Folgen“. Der Politik-Experte an der der Washingtoner Denkfabrik American Enterprise Institute sieht eine „Gefahr gewalttätiger Proteste seiner engagiertesten Anhänger“.
Für den Moment ist Trumps Ankündigung mit Vorsicht zu genießen. Denn dass es bereits am Dienstag zu einer Verhaftung kommt, ist eher unwahrscheinlich. Schließlich seien die Zeugenbefragungen noch nicht abgeschlossen, schreibt die „New York Times“. Allerdings könnte sich die Situation jederzeit verändern, betonte die Zeitung unter Berufung auf Insider.
Laut Trumps Anwälten würde sich der Ex-Präsident nicht gegen eine Festnahme sträuben. Sobald eine Entscheidung fällt, dürfte es schnell gehen: Laut CNN würde Trump in Begleitung des Secret Service nach Manhattan reisen und müsste im Büro des Bezirksstaatsanwalts für Fingerabdrücke und Fahndungsfotos erscheinen. Nach einer Aussage im Gerichtssaal könnte er bis zum Urteilsspruch wieder freigelassen werden.
Trumps Wahlkampagne scheint entschlossen, die drohende Anklage in Publicity umzumünzen. Der frühere Präsident will auf dem Ticket der Republikaner erneut ins Weiße Haus einziehen, 2024 halten die USA Präsidentschaftswahlen ab. Steven Cheung, ein Sprecher der Trump-Kampagne, bezeichnete die Ermittlungen in Manhattan als „Atomknopf“ und den zuständigen Staatsanwalt Alvin Bragg, einen Demokraten, als „verlängerten Arm von Joe Biden“.
Bragg untersucht in dem Strafverfahren, ob Trump im Zusammenhang mit Schweigegeldzahlungen im Jahr 2016 gegen staatliche Gesetze verstieß. Ein Großteil des Verfahrens stützt sich auf Aussagen von Michael Cohen, ehemaliger Trump-Anwalt. Dieser will auf Trumps Anweisungen insgesamt 280.000 US-Dollar an die Pornodarstellerin Stormy Daniels und das Playboy-Model Karen McDougal überwiesen haben, mit denen Trump im Jahr 2006 Affären gehabt haben soll.
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Cohen wiederum soll dafür von Trumps Konzern „The Trump Organization“ mit mehr als 420.000 US-Dollar „entschädigt“ worden sein. Die Staatsanwaltschaft stuft die Zahlungen rückwirkend als illegale Wahlkampfspenden ein, Trump befand sich damals mitten im Präsidentschaftswahlkampf. Cohen hat im Zusammenhang mit den Zahlungen bereits eine Gefängnisstrafe verbüßt.
Eine Anklage könnte ein Wendepunkt sein
Als Präsident überstand Trump zwei Impeachment-Verfahren, auch zahlreiche Vorwürfe der sexuellen Nötigung blieben stets ohne Konsequenzen. Oft kokettiert Trump mit seinem Ruf, scheinbar unverwundbar zu sein: Als Kandidat 2016 scherzte Trump einmal, er könne „jemanden auf der Fifth Avenue erschießen“ und er würde trotzdem „keine Wähler verlieren“.
Doch zuletzt häuften sich die Ermittlungen gegen ihn. Anfang des Jahres wurde Allen Weisselberg, früherer Finanzchef des Trump-Konzerns, wegen Steuerbetrugs verurteilt. Seitens des US-Justizministeriums und des Bundesstaats Georgia, der Trumps Versuche der Wahlmanipulation untersucht, drohen weitere Anklagen.
Mehrere Spitzenrepublikaner weiß Trump hinter sich. Die Abgeordnete Elise Stefanik aus New York, dritthöchste Republikanerin des Repräsentantenhauses, warf der New Yorker Staatsanwaltschaft vor, „die America-First-Bewegung zum Schweigen“ bringen zu wollen. Kevin McCarthy, Sprecher des Repräsentantenhauses, verurteilte die Ermittlungen als „politisch motiviert“.
Zumindest kurz nach einer Anklage könnten sich die Republikaner hinter Trump versammeln, meint Experte Continetti. Das liege auch daran, dass der Fall des New Yorker Staatsanwalts „ziemlich schwach und dürftig“ sei.
Andere Strategen sehen in einer Anklage einen Wendepunkt – und zwar zum Nachteil Trumps. „Eine wachsende Zahl von Menschen hat die Spielereien satt, die mit Donald Trump einhergehen. Eine Verhaftung und Anklage werden diese Gefühle nur verstärken“, sagte der republikanische Stratege Matt Dole dem Handelsblatt. Republikaner würden sich zunehmend nach Alternativen umgucken, etwa Ron DeSantis, Gouverneur von Florida. „Er setzt die populistischen Ideale von Trump fort, ohne den Zirkus“.
Trumps Offensive kommt zu einem Zeitpunkt, in dem sich das Feld der republikanischen Kandidaten füllt. Zwar ist Trump der beliebteste Politiker an der republikanischen Basis, aber sein Rückhalt sinkt. Laut einer Umfrage von Des Moines Register/Mediacom Iowa ist der Prozentsatz der Republikaner, die sagen, dass sie 2024 „definitiv“ für Trump stimmen werden, seit Juni 2021 um 20 Punkte gesunken.
DeSantis hat seine Kandidatur noch nicht verkündet, arbeitet aber mit einer Buchtournee an seinem nationalen Profil. Die frühere UN-Botschafterin Nikki Haley und der Biotech-Unternehmer Vivek Ramaswamy, die um die Nominierung der Republikaner buhlen, touren durch wichtige Vorwahl-Staaten.
Trump setzt für den Moment nicht auf Rückzug, im Gegenteil. Nachdem er sich über Monate auf sein Anwesen in Mar-a-Lago zurückgezogen hatte, hält er inzwischen wieder mehr Massenkundgebungen ab. Für kommenden Samstag ist in der texanischen Stadt Waco eine Trump-Rally angekündigt. Möglicherweise ist er dann schon offiziell angeklagt.
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