Die Hamburger Traditionsbank ist tief in die Cum-Ex-Affäre um doppelte Steuererstattungen verstrickt.
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Düsseldorf Richard Seelmaecker ist mit seiner Geduld am Ende. Der Hamburger CDU-Politiker hat einen Brief an NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) geschrieben. Der ist im Ton freundlich, in der Sache jedoch hart: Bis zum 20. September solle ihm der Minister die in einem Ermittlungsverfahren sichergestellten Daten zur Verfügung stellen, die für die Arbeit des Untersuchungsausschusses eine immense Bedeutung haben könnten. Er und andere Mitglieder des Ausschusses wollen damit die politische Verantwortung im Steuerskandal um die M.M. Warburg aufklären.
Die Hamburger Traditionsbank ist tief in die Cum-Ex-Affäre um doppelte Steuererstattungen verstrickt. Mehrere ehemalige Mitarbeiter wurden bereits verurteilt, ab Montag sitzt der langjährige Gesellschafter und Chef Christian Olearius auf der Anklagebank in Bonn. Dass die juristische Aufklärung in Nordrhein-Westfalen geschieht, ist Teil des Skandals – die Hamburger Staatsanwaltschaft wollte nie ermitteln.
Olearius nutzte ab 2016 seine politischen Kontakte, um Millionen zu retten. Seine Bank hatte sich zuvor im großen Umfang an Cum-Ex-Geschäften beteiligt. Damals zeichnete sich ab, dass das Finanzamt Geld zurückfordern würde. Olearius traf sich mit SPD-Politikern und mehrfach auch mit dem damals amtierenden Ersten Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz, um darüber zu sprechen.
Anschließend verzichtete das Finanzamt auf die Rückforderung von 47 Millionen Euro Steuern aus 2006 und beinahe auch auf 43 Millionen Euro aus 2007. Erst ein Einschreiten des Bundesfinanzministeriums verhinderte Schlimmeres.
Der Hamburger Untersuchungsausschuss will deshalb unter anderem die elektronischen Postfächer enger Mitarbeiter von Bundeskanzler Olaf Scholz, darunter seine Bürovorsteherin Jeanette Schwamberger und der heutige Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD), auslesen. Sie sind Teil der Ermittlungsakte 213 Js 100/21 in Köln. Auch die Kommunikation der SPD-Politiker Johannes Kahrs und Alfons Pawelczyk interessiert den Ausschuss für seine Aufklärungsarbeit. Die Ermittlungen richten sich gegen Kahrs, Pawelczyk und die Finanzbeamtin Daniela P.
Weitere Eskalation droht
Seit mehr als einem Jahr wartet der Ausschuss auf die Unterlagen. Im Juni 2022 kam aus dem Justizministerium NRW die Botschaft, dass die Auswertungsergebnisse nur noch verschriftlicht werden müssten. Der Untersuchungsausschuss sollte die Asservate – also die sichergestellten Beweismittel – unmittelbar danach erhalten. Damals wurde das Ministerium von Peter Biesenbach (CDU) geführt.
Bis heute sind die Unterlagen nicht in Hamburg angekommen. Biesenbachs Nachfolger Limbach vertröstete die Politiker ein ums andere Mal. Schließlich drohten die Hamburger mit einer Klage, um die Herausgabe zu erzwingen. Limbach schickte am 5. Juli 2023 eine hochkarätige vierköpfige Delegation mit Ministerialbeamten in die Hansestadt, um sich zu entschuldigen. Die Juristen übergaben einen Datenstick mit sieben Terabyte. Der Streit schien abgewendet.
Der Friede zwischen Hamburg und NRW währte jedoch nicht lange. Die Emissäre aus NRW hatten nicht geliefert, was die Abgeordneten erwartet hatten. Enthalten waren riesige Datenbestände zur HSH Nordbank. Auch die hat sich an Cum-Ex-Geschäften beteiligt.
Bei der Aufklärung des Skandals um die M.M. Warburg helfen die HSH-Daten aber nicht. „Wir benötigen andere Unterlagen, das haben wir immer klar kommuniziert“, sagt Seelmaecker. „Ich fühle mich getäuscht. NRW liefert uns Berge von Daten, nur nicht die, die wir seit über einem Jahr anfordern“, sagt Norbert Hackbusch (Linke), der ebenfalls dem Untersuchungsausschuss angehört. Dass Seelmaecker dem NRW-Minister nun eine Frist setzt, findet seine Zustimmung.
Hamburger Lob für Cum-Ex-Ermittler in NRW
Justizminister Limbach wollte auf konkrete Fragen zu den Daten nicht Stellung nehmen. Ein Sprecher des Ministers sagte lediglich, dass die zuständige Fachabteilung des Ministeriums weitere Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss in Hamburg vorbereite. Vor dem Rechtsausschuss hatte Limbach vor wenigen Wochen erklärt, dass die Justiz in NRW prüfen müsse, ob Daten enthalten sind, die den „Kernbereich der Persönlichkeitsrechte betreffen“.
Ein Sprecher des Ministers sagt, dass die zuständige Fachabteilung des Ministeriums im vorliegenden Fall weitere Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss in Hamburg vorbereite.
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Auch an dieser Stelle erntet der Justizminister Widerspruch aus Hamburg. Eine solche Prüfung sei Sache des Ausschusses, sagt Seelmaecker und beruft sich dabei auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Welche Daten relevant seien und welche nicht, müsse Hamburg entscheiden.
Sein Brief nach Düsseldorf endet versöhnlich. Die Ermittler in NRW leisteten im Gegensatz zu denen aus Hamburg eine „großartige Arbeit“. Die Staatsanwaltschaft Köln nennt Seelmaecker die deutsche Speerspitze der strafrechtlichen Aufklärung des Milliardenskandals Cum-Ex. „Ohne deren engagierte, unerschrockene, fleißige und pflichtbewusste Arbeit wäre es nicht zu den Anklagen und inzwischen höchstrichterlich bestätigten Verurteilungen der Täter gekommen“, schreibt Seelmaecker an den NRW-Justizminister. Er hoffe, dass der Ausschuss einen Beitrag zur Aufklärung dieser „schändlichen Straftaten“ leisten könne.
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