Der Bundesbank-Vorstand glaubt, dass das Tief der Fintech-Branche noch weiter anhalten wird.
(Foto: IMAGO/Hannelore Förster)
Berlin Die deutsche Fintech-Branche hat ein wahres Krisenjahr hinter sich, mit Pleiten, Entlassungen und verringerten Firmenbewertungen. Dieses Tief hält noch weiter an, zumindest wenn es nach Bundesbank-Vorstand Joachim Würmeling geht. Die Branche befindet sich immer in einem Zyklus. Aktuell sei sie „in eine Abwärtsspirale geraten“, sagte er auf einem Fintech-Event der Berlin Finance Initiative, der Messe Berlin und dem Handelsblatt in Berlin. „Wir sehen eine Bodenbildung, aber noch keinen wirklichen Aufwärtstrend.“
Die Gründe dafür sind laut dem Bundesbank-Vorstand: die Unsicherheiten nach Corona, die Risiken durch geopolitische Spannungen sowie die Zinswende.
Investoren halten sich in diesem Marktumfeld deutlich zurück – und das schon seit dem vergangenen Jahr. Fintechs müssen um die nächste Finanzierungsrunde ringen. Im ersten Quartal dieses Jahres steckten Venture-Capital-Investoren (VC-Investoren) insgesamt 235 Millionen Euro in hiesige Finanz-Start-ups, zeigen Zahlen des Analysehauses Barkow Consulting. Das ist zwar dreimal so viel wie im letzten Quartal des vergangenen Jahres – allerdings immer noch 46 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2022.
In der Niedrigzinsphase seien für Investoren kaum alternative Anlagechancen vorhanden gewesen, sagte Würmeling. Die gebe es jetzt hingegen schon. Er sieht die aktuelle Schwäche bei den Finanzierungsrunden allerdings nicht bei den Fintechs selbst. „Es ist vielmehr eine Schwäche der gesamten Volkswirtschaft – und das weltweit“, sagte der Bundesbank-Vorstand.
Auch Jessica Holzbach, Mitgründerin und CEO des Berliner Fintechs Pile, sagte beim Event in der Hauptstadt: „Die Zeiten für Fintechs sind immer noch schwierig.“ Holzbach selbst hat die Strategie ihres Unternehmens nach nur einem Jahr völlig geändert.
Ursprünglich wurde Pile im April des vergangenen Jahres gegründet, um dezentrale Finanzprodukte (Defi) massentauglich zu machen. Im März dieses Jahr folgte ein gänzlich anderes Geschäftsmodell: Das Unternehmen versucht nun, Start-ups und VC-Investoren zu ermöglichen, ihr Kapital über mehrere Bankanbieter zu streuen.
Würmeling: Banken im Vorteil
Trotz der aktuellen Krise sieht Holzbach Fintechs weiterhin als Konkurrenz zu Banken: Dies liege vor allem an der zunehmenden Digitalisierung – und an der Gründersicht, daran zu glauben, „etwas Großes aufzubauen“.
Bundesbank-Vorstand Würmeling sieht die klassischen Finanzinstitute allerdings vor allem in den grundlegenden Angeboten im Vorteil: Die Basisfunktionen der Banken, das Angebot und die Nachfrage an Kapital zusammenzubringen, sei weiterhin das, was die Banken darstellen, sagte er. „Ich glaube nicht, dass an dieser Grundfunktion noch viel gerüttelt wird“, sagte der Bundesbank-Vorstand. „Der Tod der Banken ist schon lange vorhergesagt worden. Das war aber offensichtlich verfrüht“, sagte er.
Auch der deutschen Finanzaufsicht Bafin bereiten die schnell wachsenden Unternehmen sowie die neuen Geschäftsmodelle in den vergangenen Monaten zunehmende Schwierigkeiten. „Wir als Aufsicht aus Bundesbank und Bafin müssen uns diesem neuen Umfeld anpassen“, sagte Würmeling. Die Geschäftsmodelle sowie die Risiken der Banken seien über Jahre dieselben gewesen. Nun gebe es neue Unternehmen mit anderen Themen.
Er geht allerdings davon aus, dass „wir uns in Zukunft im Umgang mit Fintechs leichter tun, dass die Prozesse schneller werden, dass unser Verständnis größer wird“. „Wir haben die Notwendigkeit erkannt: Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Finanzindustrie, des deutschen Tech-Sektors erhalten und ausbauen wollen, müssen wir als Aufsicht da mitgehen und die Entwicklung nachvollziehen“, sagte Würmeling.
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