Der Energieversorger hatte beim Teilverkauf seiner Stromnetze ursprünglich auf einen höheren Kaufpreis gehofft.
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Stuttgart Der Energieversorger EnBW kommt beim Teilverkauf seiner Stromnetze voran. Der Konzern hat jetzt einen Minderheitsanteil von 24,95 Prozent am Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW für rund eine Milliarde Euro an ein Sparkassenkonsortium verkauft, wie das Handelsblatt kurz vor Abschluss der Transaktion am Freitag erfuhr.
Angeführt wird die Käufergruppe von der SV Sparkassen Versicherung. Beteiligt sind darüber hinaus weitere Sparkassen, kleinere Versicherungen und die evangelische Landesbank. „Durch den Verkauf fließt uns zunächst rund eine Milliarde Euro zu. Eine weitere Milliarde, wenn die KfW ihre Kaufoption nutzt und die zweiten 24,95 Prozent von TransnetBW übernimmt“, bestätigte EnBW-Finanzchef Thomas Kusterer dem Handelsblatt.
Damit bleibt das Stromübertragungsnetz mit den großen Überlandleitungen im Land Baden-Württemberg in öffentlicher Hand. Auch an EnBW, das in jedem Fall Mehrheitsgesellschafter von TransnetBW bleibt, sind das Land und der Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) mit zusammen mehr als 90 Prozent beteiligt.
EnBW muss über 20 Milliarden Euro investieren
Sowohl Sparkassen als auch die staatliche Förderbank KfW haben über den Kaufpreis Investitionszusagen von jeweils zwei Milliarden Euro gemacht. „Insgesamt können wir in den kommenden fünf Jahren eine Größenordnung von bis zu sechs Milliarden Euro mehr in grüne Energieerzeugung und den Netzausbau investieren“, sagte Kusterer. Darüber hinaus erhöhe sich die Finanzierungskraft des Konzerns über Fremdmittel. „Dadurch beschleunigen wir die Energiewende.“
Der Finanzierungsbedarf von EnBW, das zu den größten deutschen Energieversorgern zählt, ist gewaltig. Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft EY und des Branchenverbands BDEW müssen in den Netzausbau bundesweit rund 600 Milliarden Euro für die Umsetzung der Energiewende investiert werden, um die von der Bundesregierung für 2030 gesteckten Klimaziele erreichen zu können, Davon entfallen allein 126 Milliarden Euro auf neue Stromleitungen und deren Modernisierung.
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In den Ausbau des Übertragungsnetzes fließen bereits derzeit erhebliche Summen: Der Netzentwicklungsplan bis 2035 weist allein für die TransnetBW rund zehn Milliarden Euro an Investitionsbedarf aus; in erster Linie für die Großprojekte der Hochspannungsleitungen SuedLink und Ultranet.
Zusätzlich müssen in Deutschland im Hinblick auf die geplante Abschaltung der Kohlekraftwerke etwa 20 Gaskraftwerke gebaut werden, um die regenerative Energieerzeugung abzusichern. Bis 2028 will die EnBW ihre Kohlekraftwerke abschalten. Drei Gaskraftwerke werden gebaut oder sind schon beschlossen. „Bis 2030 wird die EnBW über alle Bereiche insgesamt 20 Milliarden Euro netto investieren“, bestätigte Kusterer.
Der Manager gilt in der Branche als cleverer Finanzierer. Beispielsweise gelang es ihm bereits vor fünf Jahren, eine erste grüne Anleihe über 500 Millionen Euro zu platzieren. Sein Vorstandsvertrag wurde gerade um fünf weitere Jahre verlängert.
Zinserhöhung und Inflation belasteten Verkauf
Der jetzige im Februar begonnene finale Verkaufsprozess gestaltete sich aber nicht so einfach wie erwartet. Ursprünglich hatte die EnBW auf einen höheren Kaufpreis gehofft. Das Interesse sei für einen der letzten großen regulierten Infrastrukturanbieter in Deutschland dennoch groß gewesen, sagte Kusterer. „Das Gesamtumfeld mit Zinserhöhung und Inflation war jedoch nicht hilfreich, deshalb hat es etwas länger als geplant gedauert“.
Je höher Zinsen und die Investitionskosten, desto weniger lukrativ werden solche Investments, zumal die Rendite von den staatlich festgelegten Netzentgelten abhängt. Das habe sich auf den Kaufpreis ausgewirkt.
Der EnBW-Finanzchef gilt in der Branche als cleverer Finanzierer.
(Foto: EnBW)
Der EnBW-Finanzchef mahnt deshalb eine Erhöhung der Netzentgelte an. „Aus unserer Sicht müssen diese angehoben werden, damit der Netzausbau für die Investoren attraktiver wird, auch um im europäischen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagte Kusterer. Deutschland brauche für Investoren ein „vernünftiges Risiko-Rendite-Profil“.
Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg, hatte im Vorfeld die Transnet-Beteiligung als „hochinteressant für die Sparkassen“, bezeichnet. Mit der Aussicht auf Einspeisung von nachhaltig erzeugtem Strom handele es sich auch bei den Netzen künftig um eine grüne Anlage.
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Dass das Netz im Land bleibt, war von Experten erwartet worden. Das Thema Verlässlichkeit des künftigen Partners war der EnBW schon beim Beginn des Verkaufsprozesses von zentraler Bedeutung. Nach Informationen aus Verhandlungskreisen entschied nicht allein der Preis. Die Käufer haben eine Verkaufssperre über mehrere Jahre, und es gibt ein Vorkaufsrecht für die Gesellschafter der TransnetBW.
Da kommen die finanzstarken Käufer gerade recht. „So können wir Mittel, die wir sonst für den Ausbau der großen Überlandnetze gebraucht hätten, jetzt in den Ausbau nachhaltiger Energieerzeugung und der mit der Energiewende immer dezentraleren und kleinteiligeren Verteilnetze und Ladeinfrastruktur investieren“, sagte Kusterer.
Der Vollzug der Transaktion steht unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die zuständigen Kartellbehörden, die im Laufe des dritten Quartals erwartet wird.
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