Frankfurt, Düsseldorf Das deutsche Flugtaxi-Begin-up Volocopter aus Karlsruhe holt einen früheren Airbus-Supervisor an die Spitze des Unternehmens. Dirk Hoke, ehemaliger Chef von Airbus Defence & Area, soll ab September Florian Reuter ablösen. „Ich kenne Dirk schon lange und habe ihn dem Advisory Board selbst vorgeschlagen“, sagte Reuter dem Handelsblatt am Dienstag. „Ich glaube, dass er genau der Richtige für Volocopter ist.“
Über einen Abgang Reuters wurde bereits seit Längerem spekuliert. Einige Investoren sollen unzufrieden mit der aktuellen Entwicklung des Unternehmens gewesen sein. Die Karlsruher Jungfirma scheiterte vor einigen Monaten mit dem Plan, mit einem Börsenmantel zu verschmelzen und dabei 800 Millionen Greenback einzunehmen. Das Umfeld sei zu schlecht, hieß es zur Begründung. Der Rückschlag hatte personelle Konsequenzen, Finanzchef René Griemens musste gehen.
Hinzu kommt ein Finanzierungskonstrukt, das sich nun für viele Investoren rächt. Volocopter nutzte für seine erste Finanzierungsrunde das sogenannte Crowdfunding. 750 Investoren gaben dem Unternehmen vor neun Jahren 1,2 Millionen Euro. Dabei sind die Anleger über sogenannte partiarische Darlehen beteiligt und erhalten das Recht, am Erfolg beteiligt und nach Vertragsende ausbezahlt zu werden.
Das Drawback: Eine Erfolgsbeteiligung gibt es bisher nicht, Volocopter erzielt keine Gewinne. Der erhoffte lukrative Ausstieg über den Börsengang hat sich wiederum zerschlagen. Das sorgt für Frust. Andererseits ist es Volocopter vor wenigen Tagen gelungen, in einer Finanzierungsrunde noch einmal 153 Millionen Euro einzusammeln.
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Reuter selbst sagt, er habe sich schon vor längerer Zeit dazu entschieden, noch mal was Neues zu machen. Er wolle aber noch bis zur Amtsübergabe an Hoke bleiben und damit länger, als er eigentlich geplant habe. „Danach werde ich mir erst einmal eine kurze Auszeit gönnen.“
Dirk Hoke soll schon Ende 2021 verpflichtet worden sein
Die Verpflichtung Hokes soll schon Ende 2021 vereinbart worden sein. Nach Handelsblatt-Informationen hat die Nachricht Euphorie im Beirat des Begin-ups ausgelöst. Die Aussicht auf den neuen Chef habe die Investoren wieder geeint, heißt es. Die jüngste Finanzierungsrunde soll auch deshalb und aufgrund einer großen Initiative der Bestandsinvestoren zustande gekommen sein. Vor allem der chinesische Autohersteller Geely soll beide Themen vorangetrieben haben.
Volocopter gilt als eine der Firmen, die in der Entwicklung schon recht weit sind. Das Flugtaxi der Karlsruher hat bereits zahlreiche Testflüge absolviert, im vergangenen November auch einen in Südkorea mit einem Piloten an Bord. Vor einigen Monaten erwarb Volocopter die DG Flugzeugbau aus Karlsruhe, einen Spezialisten für Segelflugzeuge. Durch die Übernahme sichert sich Volocopter Zugriff auf einen lizenzierten Produktionsbetrieb.
>> Lesen Sie dazu: Lilium will seinen Senkrechtstarter deutlich vereinfachen
Früher als andere haben die Karlsruher zudem den Kontakt zu den Aufsichtsbehörden gesucht. Trotz aller Erfolge steht Volocopter wie allen Wettbewerbern die größte Herausforderung aber noch bevor: die Zulassung des Fluggeräts und der Aufbau eines tragfähigen Geschäftsmodells. Elektrische Senkrechtstarter sind eine komplett neue Gattung, es fehlt an Erfahrung, auf der die Aufseher bei ihrer Prüfung aufbauen können. Sogar die Zertifizierung regulärer Verkehrsflugzeuge verzögert sich regelmäßig.
Mit Hoke kommt nun ein Supervisor an Bord, der die Hürden bei der Zulassung bestens kennt. „Die Erfahrungen, die ich bei Airbus und Siemens sammeln konnte, werden uns helfen, Volocopters führende Marktposition, die unter Florian erreicht wurde, zu monetarisieren“, wird der Supervisor in einer Mitteilung zitiert: „Elektrische Flugtaxis in die Städte dieser Welt zu bringen ist die Verwirklichung eines Menschheitstraums, auch meines.“
Fakt ist allerdings auch, dass der Hype, der im vergangenen Jahr rund um die elektrischen Senkrechtstarter bei den Risikokapitalgebern entstanden ist, seit einiger Zeit merklich nachlässt. Sichtbar wird das vor allem bei jenen Unternehmen, die die Begeisterung der Investoren für einen Börsengang nutzten.
Der Kurs des deutschen Volocopter-Rivalen Lilium, der im September an die US-Technologiebörse Nasdaq ging, sackte von rund zehn auf intestine drei Greenback ab. Ähnliche Kursverluste verzeichnete der US-Konkurrent Archer. Der Kurs der US-Firma Joby Aviation halbierte sich.
Immer mehr Investoren erkennen, dass die häufig ehrgeizigen Versprechen der Jungunternehmer kaum einzuhalten sind. Diese wollen den operativen Betrieb mit ihren Flugtaxis schon 2025 oder 2026 starten. Volocopter plant sogar, bereits bei den Olympischen Spielen in Paris im Jahr 2024 Besucher durch die Gegend zu fliegen.
Parallel dazu müssen die Jungfirmen die Massenfertigung starten. Dennoch versprechen sie bald Erlöse in Millionen- oder gar Milliardenhöhe. Doch es dürfte wohl deutlich länger dauern, bis die Fluggeräte Passagiere befördern werden. Der Absturz eines unbemannten Flugtaxis von Joby Aviation bei einem Testflug vor Kurzem hat vor Augen geführt, wie groß die Herausforderungen sind, die auf die Luftfahrtpioniere noch warten.
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