Dass Politik sich selbst beschränkt wie jetzt mit der Wahlrechtsreform, ist nicht selbstverständlich.
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Was hatten sich nicht alle über den immer größeren Bundestag aufgeregt. Von einem „XXL-Parlament“ war die Rede, von einem „Bläh-Parlament“, das aufgrund der Arithmetik des deutschen Wahlrechts bald größer sei als das Chinas.
Seit Jahren hat die Politik das Thema vor sich hergeschoben, selbst der Einsatz einer Autorität wie Wolfgang Schäuble änderte daran nichts. Dass die Ampelkoalition den Bundestag nun ernsthaft verkleinern will und im Bundestag eine Reform beschlossen hat, ist deshalb zunächst einmal löblich.
Dass Politik sich selbst beschränkt, ist nicht selbstverständlich. Und dass eine Wahlrechtsreform zu Ärger führen würde, war auch immer klar.
Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Reform der Ampel völlig misslungen ist. Die Wahlrechtsreform ist undemokratisch, verfassungsrechtlich problematisch und Gift für die politische Kultur im Land.
Die Wahlrechtsreform der Ampel krankt an zwei Stellen. Um den Bundestag zu verkleinern, soll die Zweitstimme mehr Gewicht bekommen. Künftig wird daher nicht mehr jeder direkt gewählte Abgeordnete im Bundestag sitzen.
CSU wittert Anschlag auf ihre Existenz
Dies löst unvermeidlich bei vielen Bürgern ein Störgefühl auf. Wer sein Kreuz bei seinem Direktkandidaten macht, erwartet auch, dass jemand aus seinem Wahlkreis in den Bundestag einzieht. Wer dieses Grundprinzip aushebelt, schafft ein Demokratieproblem.
Das zweite Problem: Die Ampel will die Grundmandatsklausel abschaffen. Diese sieht vor, dass eine Partei, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, trotzdem in den Bundestag einzieht, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnt.
Durch eine Abschaffung dieser Klausel droht nicht nur die Linke, sondern auch die CSU aus dem Bundestag zu fliegen, sollte sie durch ihr Ergebnis in Bayern bundesweit unter fünf Prozent rutschen. Die CSU sieht in der Reform daher einen Anschlag auf ihre Existenz.
In der Bundesrepublik ist es eingespielte Praxis, dass bei Themen, die an urdemokratischen Prinzipien rütteln, Regierung und Opposition eine gemeinsame Basis finden. Dieses Prinzip hat die Ampel nun aufgekündigt.
Damit droht nicht nur eine Klage-Schlacht vor dem Bundesverfassungsgericht. Ausgerechnet die Ampelregierung vergiftet damit auch die politische Kultur im Land. Statt sich der Konkurrenz über eine Wahlrechtsreform zu entledigen, sollte sie sich ihr lieber im politischen Wettbewerb stellen.
Ampel und natürlich auch Union hätten sich zusammenraufen und auf eine andere Option setzen sollen: eine Vergrößerung der Wahlkreise.
Natürlich hätte auch diese Variante Parteien zu erbitterten Kämpfen und dazu verleitet, den Zuschnitt zu ihren Gunsten zu gestalten. Aber es wäre immer noch die bessere Option gewesen als die jetzige Reform.
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