Die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bei ihrem Arbeitskampf ein gewichtiges Argument: Es fehlt überall an Personal.
(Foto: IMAGO/Eibner)
Niemals zuvor haben die Gewerkschaften ihre Macht so eindrucksvoll demonstriert wie an diesem Montag. Der öffentliche Verkehr in Deutschland wird weitgehend lahmgelegt. Längst ist von französischen Verhältnissen die Rede.
Die Empörung von Wirtschaft und Politik ist verständlich. Indem sich Eisenbahnergewerkschaft EVG und Verdi beim Arbeitskampf zusammentun, werden Tarifkonflikte miteinander vermischt, die per se nichts miteinander zu tun haben. Das ist fragwürdig, rechtlich angreifbar dürfte es hingegen kaum sein.
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Besonders heftig trifft das die Luftfahrt. Schon ohne die konzertierte Aktion von EVG und Verdi war die Branche in den zurückliegenden Wochen von Ausständen betroffen, die zu beenden sie selbst gar nicht in der Hand hatte. Bestreikt werden Systempartner wie die Sicherheitskontrollen. Die meisten Flughäfen und Airlines haben dagegen ihrerseits längst Tarifvereinbarungen mit ihren Gewerkschaften getroffen.
Jetzt ist die Branche erneut Brennpunkt der Auseinandersetzung, und das ist für Unternehmen und Kunden gleichermaßen bitter. Der „Generalstreik“ zeigt allerdings, worauf sich alle Beteiligten grundsätzlich einstellen müssen: Das Kräfteverhältnis am Arbeitsmarkt hat sich gedreht – zugunsten der Arbeitnehmer. Die lassen buchstäblich ihre Muskeln spielen, haben gelernt, dass die Arbeitskraft zu einem knappen Gut geworden ist.
Hauptsache billig funktioniert in der Luftfahrt nicht länger
Das spürt die Luftfahrt seit Monaten. Lufthansa etwa musste hart mit Verdi um die Bezahlung des Bodenpersonals ringen. Auch hier ging es nicht ohne einen massiven Arbeitskampf. Am Ende stand ein Abschluss, der den Beschäftigten einen Lohnzuwachs jenseits der zehn Prozent sicherte.
Die Arbeitnehmervertreter können sich die Machtdemonstration leisten. Sie haben volle Rückendeckung.
Dennoch herrscht weiter Personalmangel, neue Beschäftigte werden gebraucht. Die zu finden ist schwierig. Jahrelang gab es in der Luftfahrt nur ein Credo: Die Kosten mussten immer weiter runter. Billiganbieter wie Ryanair bestimmten die Ticketpreise, der Aufwand musste folgen und angepasst werden.
Das hat sich herumgesprochen und das Image der Branche als Arbeitgeber stark beschädigt. Schlechte Bezahlung, und das häufig für einen knochenharten Job – dieses Bild dominiert bis heute. Es zu drehen wird lange dauern. Der Flughafenbetreiber Fraport zahlte im vergangenen Jahr sogar Antrittsprämien, um Bewerberinnen und Bewerber anzulocken.
Hinzu kommt ein Problem im System, das bis heute nicht behoben wurde: die stark fragmentierte Tariflandschaft. Warum beispielsweise jemand, der auf dem Vorfeld Koffer entlädt, in Baden-Württemberg für die gleiche Arbeit anders bezahlt wird als etwa ein Kollege in Berlin, ist kaum zu erklären.
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Schon seit 2017 versucht die Gewerkschaft Verdi, einen bundesweiten Branchentarifvertrag für die Bodenverkehrsdienste durchzusetzen. Bis heute ist das nicht gelungen. Zum Teil lag es an der Pandemie, als alle Unternehmen andere Sorgen hatten.
Aber auf Airline-Seite gibt es auch immer noch Vorbehalte gegen so einen einheitlichen Tarifvertrag. Zu viel Macht in der Hand von Verdi wird befürchtet. Schließlich könnte die dann mit einem Streik den Luftverkehr bundesweit lahmlegen.
Doch nun zeigt sich, dass die Alternative nicht besser ist. In den letzten Wochen hat die Gewerkschaft gefühlt alle drei Tage an einem anderen Flughafen zu Arbeitskämpfen aufgerufen und so kontinuierlich für Verwerfungen gesorgt.
Unternehmen müssen akzeptieren, dass immer billiger nicht mehr funktioniert – nicht nur in der Luftfahrt. Wer vernünftige Dienstleistungen zu auskömmlichen Preisen anbieten will, muss auch auskömmliche Löhne zahlen.
Auch wenn der Großstreik am Montag Fragen nach der Verhältnismäßigkeit aufwirft, die Kritik wird an den Gewerkschaften abperlen. Die Arbeitnehmervertreter können sich die Machtdemonstration leisten. Sie haben volle Rückendeckung der Arbeitnehmer. Das belegen nicht zuletzt die wachsenden Mitgliederzahlen etwa bei Verdi.
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