Die beste Behandlung im Krankenhaus erhalten ist der Wunsch vieler privat Versicherter.
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Köln Die Pandemie hat die Schwächen des deutschen Gesundheitssystems der breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt. Meldungen der Corona-Fallzahlen per Fax, keine Analyse von Krankheitsfällen und zu Beginn der Pandemie keine digitalen Sprechstunden. Corona wäre ein guter Anlass gewesen, digitale Strukturen rasant auszubauen. Doch die Digitalisierung im Gesundheitsweisen kommt nur schleppend voran.
Mit der Coronakrise schwindet auch die Zufriedenheit der Bundesbürger mit ihrem Gesundheitssystem. Im Jahr 2020 zählten noch 73 Prozent der Bundesbürger ihr Gesundheitssystem zu den Top drei weltweit. 2022 waren es nur noch 57 Prozent, wie aus dem Healthcare-Barometer der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC hervorgeht. Dafür wurden 1000 Bürger befragt.
„Die sinkenden Zustimmungsraten zum deutschen Gesundheitswesen sollten uns aufrütteln. Wir benötigen dringend eine Reform, die unser Gesundheitswesen zukunftsfähig macht – nicht nur ein Reförmchen oder Stückwerk wie bisher“, sagt Michael Burkhart, Leiter Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland.
Wer in Deutschland lebt und arbeitet, ist grundsätzlich gesetzlich krankenversichert. Dabei können sich die Menschen zwischen verschiedenen Kassen entscheiden. Doch der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ist beschränkt. Mit einer privaten Zusatzpolice können sie zusätzliche Leistungen in Anspruch nehmen.
Angestellte, die mehr als 66.600 Euro pro Jahr verdienen, können in eine private Krankenvollversicherung wechseln. Der Wechsel sollte wohlüberlegt sein. Die Rückkehr in das gesetzliche Versicherungssystem ist schwierig und nur bis zum 55. Lebensjahr möglich.
Dem Wechsel sollte eine gründliche Auswahl der Angebote vorausgehen. Das Angebot ist für Laien verwirrend vielfältig und komplex. Schließlich unterscheiden sich die Tarife der privaten Versicherer stark im Hinblick auf Leistung und Konditionen. Anders als bei gesetzlichen Krankenkassen ist das Leistungsspektrum nicht festgelegt.
>> Lesen Sie hier: Für wen sich die private Krankenversicherung lohnt
Die Ratingagentur Franke und Bornberg hilft beim Durchblick im Dschungel des Angebots. Die Versicherungsexperten haben für das Handelsblatt die Tarife von privaten Krankenvollversicherungen unter die Lupe genommen. Hier steht die Qualität im Vordergrund. Sie macht daher auch 70 Prozent der Bewertung aus. Der Preis geht zu 30 Prozent in die Bewertung ein. Im hier vorgestellten Musterfall handelt es sich um eine Person im Alter von 35 Jahren. Ergebnisse zu weiteren Musterfällen sind in den Tabellen zu finden.
„Wer sich für den Wechsel in eine private Krankenvollversicherung entscheidet, kann den Leistungskatalog an seinen eigenen Bedürfnissen ausrichten“, sagt Michael Franke, Geschäftsführer der Ratingagentur Franke und Bornberg. Die Prämien hängen nicht wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung vom Einkommen, sondern von den Leistungen sowie dem Alter und Gesundheitszustand bei Einstieg in die Versicherung ab.
Um die Tarife vergleichen zu können, hat die Ratingagentur die Angebote der Versicherer in drei Kategorien unterteilt. Der Grundschutz ist angelehnt an den vom Gesetzgeber vorgegebenen Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen. Der Standardschutz umfasst mehr Leistungen für Privatversicherte, wie zum Beispiel die Unterbringung im Krankenhaus im Zweibettzimmer oder die Übernahme von 60 Prozent der Kosten für Zahnersatz.
Topschutztarife ermöglichen die Abrechnung ärztlicher Leistungen zu Höchstsätzen, die die Behandlung im Krankenhaus durch den Chefarzt beinhalten sowie die Unterbringung im Einbettzimmer. Versicherte kommen bei den Topschutztarifen in den Genuss erstklassiger Leistungen. Sie bieten Medizin auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. Die Tarife ermöglichen schnellen Zugang zu spezialisierten Ärzten, die häufig nur auf privater Basis Leistungen abrechnen.
Von 24 Versicherern werden 14 mit der Höchstnote „sehr gut“ ausgezeichnet. Im Beispielfall einer Person im Alter von 30 Jahren müssen Neueinsteiger eine monatliche Prämie zwischen 567,21 Euro und 768,06 Euro für einen mit „sehr gut“ bewerteten Topschutztarif bezahlen.
Die Hallesche Krankenversicherung wird mit den Tarifen „NK.Select XL Bonus, URZ, PVN“ mit der Höchstnote „sehr gut“ ausgezeichnet. Sie erzielte im Test 98 von 100 möglichen Punkten. Versicherte müssen im Musterfall eine Prämie von 660,73 Euro pro Monat bezahlen.
„Der Tarif NK.Select XL ist familienfreundlich und bietet Leistungen, die bisher noch gar nicht oder nur vereinzelt von einzelnen Mitbewerbern angeboten werden“, sagt Wiltrud Pekarek, Mitglied des Vorstands der Halleschen Krankenversicherung. Als Beispiel nennt sie die beitragsfreie Mitversicherung eines Kindes bis zum ersten Lebensjahr oder die ärztliche Videosprechstunde ohne Anrechnung auf Beitragsrückerstattung.
Weiteres Spezial ist die sogenannte Bonusvariante: „Der Versicherte erhält jeden Monat 100 Euro Bonus ausbezahlt, der im Leistungsfall verrechnet wird“, erklärt Pekarek. Deshalb müssten Versicherte Rechnungen erst ab einem Beitrag von 1200 Euro einreichen.
Telemedizinische Angebote
Die Gothaer Krankenversicherung wird mit ihren Tarifen „MediCompact Premium“ und „PVN“ mit der Höchstnote ausgezeichnet. Die monatliche Prämie liegt bei 627,06 Euro. Der Versicherer baut das digitale Angebot aus. „Dazu zählen Leistungen wie die Überprüfung und Einschätzung von Krankheitssymptomen durch unseren Symptom-Checker, die Arzt- und Krankenhaussuche sowie telemedizinische Angebote“, sagt Sylvia Eichelberg, Vorstandsvorsitzende der Gothaer Krankenversicherung.
Zu den ausgezeichneten Anbietern zählt auch die Continentale Krankenversicherung mit ihrem Angebot „Premium, SP1, PVN“. Die monatliche Prämie liegt bei 567,21 Euro. Der Versicherer betont ebenfalls eine familienfreundliche Gestaltung: „Bei Bezug von Elterngeld ist eine Beitragsbefreiung von bis zu sechs Monaten je versichertem Elternteil enthalten“, sagt Helmut Hofmeier, Vorstand bei der Continentale Versicherung.
Der Tarif zeichnet sich durch ein innovatives Konzept zur Selbstbeteiligung aus: Es gibt eine Selbstbeteiligung von 20 Euro je Leistung, die auf 500 Euro pro Jahr beschränkt ist. Bei Kindern liegt diese Höchstgrenze bei 250 Euro. „Reichen Kunden keine Rechnungen ein, ist eine Rückerstattung von bis zu sechs Monatsbeiträgen möglich – zwei davon tariflich garantiert“, erläutert Hofmeier.
Die Methodik des Rankings
Bei Beamten übernimmt der Staat über die Beihilfe einen Teil der Behandlungskosten im Krankheitsfall. Für den nicht gedeckten Teil benötigen Beamte eine zusätzliche private Krankenversicherung, im Fachjargon Beihilfetarife genannt. „Der Beihilfetarif sollte maßgeschneidert an die Beihilfeordnung angepasst sein“, empfiehlt Michael Franke von der gleichnamigen Ratingagentur. Denn die Kostenübernahme unterscheidet sich je nach Bundesland deutlich. Bei der Auswertung ging Franke und Bornberg von den Beihilfebedingungen des Bundes aus. Von den untersuchten 19 Angeboten werden dabei neun mit der Höchstnote ausgezeichnet. Die Prämien für die Beihilfe-Toptarife liegen monatlich zwischen 275,52 und 327,04 Euro.
Gefragt nach den Trends für das Gesundheitswesen in den kommenden Jahren nennen Experten einhellig die Digitalisierung: „Ein wichtiger Meilenstein in der Digitalisierung des Gesundheitswesens und die Krankenversicherung wird sein, wenn die elektronische Patientenakte und das elektronische Rezept umgesetzt werden“, sagt Helmut Hofmeier von der Continentale Versicherung.
Wie in vielen anderen Branchen auch wandelt sich das Selbstverständnis von Unternehmen, ist Wiltrud Pekarek von der Halleschen Krankenversicherung überzeugt: „Krankenversicherer agieren nicht mehr nur als reine Kostenerstatter, sondern als Gesundheitspartner.“ Diese Entwicklung mache sich in zusätzlichen Dienstleistungen bemerkbar.
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