Düsseldorf Beim Dax kommt es am Freitag nach einem Jahreshoch erneut zu Gewinnmitnahmen: Mit dem Tageshoch von 15.919,5 Zählern überbot der deutsche Leitindex zwar am Morgen das am Montag aufgestellte bisherige Jahreshoch von 15.919,1 Punkten, kann das Niveau aber zunächst nicht halten. Am Vormittag notiert er 0,4 Prozent im Minus bei 15.735 Punkten.
Damit wiederholt sich ein zuletzt mehrfach zu beobachtendes Phänomen: Nach neuen Hochs fehlen die Anschlusskäufe. In zwei der drei jüngsten Fälle beendete der Dax den Handelstag noch im Minus – ein Zeichen der gegenwärtig vorherrschenden Skepsis.
Verstärkt wird diese durch die jüngsten Wirtschaftszahlen für Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte von Januar bis März zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten ein Plus von 0,2 Prozent erwartet, nachdem es im vierten Quartal noch ein Minus von revidiert 0,5 (bisher: -0,4) Prozent gegeben hatte.
Diese optimistische Einschätzung war bereits in den Kursen eingepreist, weswegen die enttäuschenden Zahlen auf die Stimmung drücken. Ökonom Ralf Umlauf von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) erklärt: „Die deutsche Wirtschaft enttäuscht die Konsensschätzung, kann aber eine Rezession vermeiden und hat nach dem schwachen vierten Quartal 2022 wie von uns erwartet stagniert.“
Obwohl Frankreich, Italien und Spanien heute per saldo gute Wachstumszahlen veröffentlichten, dürfte sich die Europäische Zentralbank trotzdem darin bestärkt sehen, den Zinszyklus noch nicht für beendet zu erklären. „In der nächsten Woche ist mit einer Zinserhöhung um 25 Basisunkte zu rechnen und darüber hinaus sollte eine weitere Straffung einkalkuliert werden, zumal die Teuerungsraten weiterhin viel zu hoch liegen und teilweise im April sogar gestiegen sind“, so Umlauf.
Frische Daten zu deutschen Inflationszahlen kommen am Nachmittag (14 Uhr). Erwartet wird ein leichter Rückgang. Allerdings erklärt Altmann: „Die heutige Inflationsrate wird wohl einmal mehr zeigen, wie langsam und zäh sich der Rückgang gestaltet. Jede negative Überraschung würde den Druck auf die EZB zusätzlich erhöhen.“
Als unterstützend für den Dax erweist sich dagegen die Stimmung in den USA. Dort stieg der marktbreite Index S&P 500 am Donnerstag aufgrund der überraschend guten Berichtsaison um fast zwei Prozent. Das treibt auch deutsche Aktien an, erklärt Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners: „Die Vorgaben aus den USA sind so gut, dass sie gar nicht ignoriert werden können.“
Bereich von 15.700 Punkten ist wichtig
Die Börsenweisheit „Sell in May and go away“ könnte sich dadurch als Falle für Anleger entpuppen, meint Martin Utschneider, Analyst bei der Privatbank Donner & Reuschel: „Der Dax scheint viel mehr in den Mai ‚hineintanzen‘ zu wollen.“
Mit dem April endet der im historischen Durchschnitt beste Börsenmonat und es beginnt eine tendenziell schwächere Börsenzeit. Allerdings deuten laut Utschneider verschiedene charttechnische Indikatoren darauf hin, dass in diesem Jahr der Aufwärtstrend noch anhalten könnte.
Unter anderem gab es sowohl am Mittwoch als auch Donnerstag großes Kaufinteresse, als der Dax in Richtung 15.700 Punkte fiel. Das ist ein Zeichen der Stärke. Sollte der Dax allerdings nachhaltig unter diese wichtige Marke fallen, würde rechnerisch ein weiteres Abwärtspotenzial von 200 Punkten entstehen, warnt Analyst Jörg Scherer von der HSBC Deutschland.
Yen unter Druck
Nach dem Zinsentscheid der japanischen Notenbank (BOJ) geht es für die Landeswährung Yen bergab. Der Dollar steigt im Gegenzug in der Spitze um 0,7 Prozent auf 134,94 Yen.
Die japanische Notenbank hat auf der ersten Zinssitzung unter ihrem neuen Gouverneur Kazuo Ueda an ihrer ultralockeren Geldpolitik festgehalten. Die Währungshüter entschieden auf ihrem Treffen zwar, die Geldpolitik einer breit angelegten Überprüfung unterziehen zu wollen, allerdings wollen sie sich dafür anderthalb Jahre Zeit nehmen.
Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann kommentiert deshalb: „Mit diesem Statement dürfte die Hoffnung derjenigen (mich inklusive) erschüttert worden sein, die gehofft hatten, dass wenigstens eine langsame, graduelle Wende in Richtung einer geldpolitischen Normalisierung erfolgen könnte, wenn schon kein U-Turn gleich mit Kazuo Uedas Amtsübernahme.“
Einzelwerte im Blick
Mercedes-Benz: Der Autobauer steigerte sein Konzernergebnis um zwölf Prozent auf vier Milliarden Euro – und damit noch stärker als das schon bekannt gegebene Betriebsergebnis. Die Aktie des sechstgrößten Dax-Werts dreht nach positivem Start aber ins Minus und verliert rund 1,5 Prozent.
Covestro: Für den Kunststoffkonzern Covestro könnte das Jahr glimpflicher verlaufen als zunächst befürchtet. Für 2023 rechnet Covestro nun bestenfalls mit einem operativen Gewinn (Ebitda) auf Vorjahresniveau von 1,6 Milliarden Euro bis hin zu einem Rückgang auf 1,1 Milliarden Euro. Bislang hatte das Leverkusener Unternehmen ein Ergebnis deutlich unter dem Vorjahreswert prognostiziert.
Auch das laufende Aktienrückkaufprogramm, das Mitte letzten Jahres wegen der trüben konjunkturellen Aussichten auf Eis gelegt wurde, soll kurzfristig wieder aufgenommen werden. Die Aktie profitiert von den Nachrichten und steigt um mehr als fünf Prozent.
Pro Sieben Sat 1: Der MDax-Konzern hatte am Donnerstagabend bereits eine massive Dividendenkürzung sowie einen Gewinn- und Umsatzrückgang bekannt gegeben. Zudem trennt sich Pro Sieben Sat 1 mit sofortiger Wirkung und in gegenseitigem Einvernehmen von Finanzchef Ralf Gierig. Die Aktie bricht um mehr als zehn Prozent ein.
Hellofresh: Die US-Bank JP Morgan erhöht ihr Kursziel für den Kochboxversender von 27 auf 31 Euro. Die Aktie des MDax-Konzerns steigt um knapp drei Prozent auf über 26 Euro.
Software AG: Aktien des Softwareunternehmens steigen im Kleinwerteindex SDax um rund 1,5 Prozent. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass der aktivistische Investor Elliott bei der
Software AG eingestiegen ist. Das mitten im Umbau steckende Darmstädter Unternehmen steht vor einer 2,2 Milliarden Euro schweren Übernahme durch den US-Finanzinvestor Silver Lake.
Varta: Der angeschlagene Batteriehersteller kappt ein weiteres Mal seine Prognose. Der Umsatz werde nun zwischen 820 und 870 Millionen Euro liegen, teilte das SDax-Unternehmen am Freitag mit. Bislang war Varta von 850 bis 880 Millionen Euro ausgegangen. Die Aktie bricht um acht Prozent ein.
Hochtief: Beim Baukonzern erhöht die US-Bank Jefferies ihr Kursziel von 67 auf 70 Euro. Die im SDax notierte Aktie verliert dennoch rund ein Prozent auf gut 71 Euro.
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