Für reine „Ausführungsgeschäfte“ soll es nach Plänen der EU-Kommission ein Provisionsverbot geben.
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Brüssel Die EU-Kommission will mehr Europäer an die Kapitalmärkte locken und verschärft deshalb den Anlegerschutz. Mit der neuen Kleinanlegerstrategie will sie drei zentrale Probleme angehen: irreführendes Marketing, Interessenkonflikte der Anlageberater und hohe Produktkosten.
Die Europäer seien gute Sparer, investierten aber zu wenig, sagte Finanzkommissarin Mairead McGuinness bei der Vorstellung am Mittwoch.
Mit der Reform wolle man erreichen, dass die Verbraucher besser informiert seien und einen „faireren Deal“ von den Finanzfirmen bekämen.
Um den Handlungsbedarf zu illustrieren, führt die Kommission einige Statistiken an: Einer Eurobarometer-Umfrage zufolge bezweifeln 45 Prozent der europäischen Anleger, dass die Empfehlungen ihrer Anlageberater in ihrem besten Interesse seien.
Das könnte daran liegen, dass die Gebühren für Kleinanleger 40 Prozent höher liegen als für institutionelle Investoren. Das Ergebnis: Nur 17 Prozent des Vermögens der EU-Haushalte sind in Wertpapiere investiert – in den USA sind es 43 Prozent.
Mit diesen Neuerungen will die Kommission nun gegensteuern:
- Provisionen für reine Ausführungsgeschäfte werden verboten. Ein Finanzdienstleister kann also keine Provision mehr verlangen, wenn er bloß die Order eines Kunden ausführt, ohne ihn zu beraten. Ein EU-Beamter nennt dies den „Einstieg in das Provisionsverbot“. Provisionen für Beratungsleistungen bleiben aber erlaubt. Als Beratungsleistung gilt nur eine persönliche, individuell auf den Kunden zugeschnittene Empfehlung. Die EU-Kommission behält sich vor, in einigen Jahren ein vollständiges Provisionsverbot einzuführen, wenn die Branche die neuen Transparenz- und Verhaltensregeln nicht ausreichend umsetzt.
- Das Informationsblatt, das Anleger beim Kauf eines Finanzprodukts erhalten, muss künftig sämtliche Kosten und Risiken prominent auf der ersten Seite darstellen.
- Ein neuer Test für Anlageberater soll sicherstellen, dass dieser im besten Interesse des Kunden handelt. Berater sind verpflichtet, dem Anleger beim Beratungsgespräch eine breitere Produktpalette anzubieten, inklusive mindestens eines Produkts ohne zusätzliche Leistungen.
- Die Aufsichtsbehörden Esma und Eiopa sollen einen objektiven Maßstab für jedes Anlageprodukt entwickeln, der ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis anzeigt. Weicht ein Anbieter oder Vertriebsunternehmen von diesen Benchmarks ab, soll das betreffende Produkt nicht für den Markt zugelassen werden. Die Unternehmen müssen alle relevanten Daten an die Aufseher übermitteln.
- Das Treiben von Finfluencern, also selbstständigen Unternehmern, die etwa in Internetvideos zum Kauf von Finanzprodukten aufrufen, soll stärker kontrolliert werden. Die Unternehmen, deren Produkte dort beworben werden, sind künftig für irreführende Angaben und die daraus entstandenen Schäden haftbar.
- Für erfahrene Anleger wird es künftig leichter, neue Produkte zu kaufen, denn sie müssen nicht mehr so viele Formulare ausfüllen.
Ein EU-Beamter räumte ein, dass die Reform keine „kopernikanische Wende“ im Anlegerschutz sei. Es gehe nur um die Fortentwicklung bestehender Regeln. Der Kommissionsentwurf muss noch vom Europaparlament und dem Rat der 27 Mitgliedstaaten beschlossen werden. In den Trilog-Verhandlungen zwischen den drei EU-Institutionen werden Veränderungen erwartet.
Verbände kündigen Widerstand an
Vielen Verbänden geht die bisher geplante Reform schon zu weit. Michael Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), schrieb in einem Leserbrief an das Handelsblatt: „Wir werden seit über einem Jahrzehnt mit immer neuen Regularien überzogen, müssen immer wieder neue Dokumentations- und Informationspflichten erfüllen, uns weiterbilden und neuerdings sogar unsere Kunden zu Nachhaltigkeitsrisiken beraten. Und es reicht immer noch nicht.“ Sein Verband werde jedoch nicht müde dagegenzuhalten.
Teile der Branche hoffen sogar, das geplante Provisionsverbot für „Execution only“-Geschäfte wieder zu kippen. Der Deutsche Derivateverband (DDV) erklärte, auch im beratungsfreien Geschäft könnten Provisionen dem Anleger einen Mehrwert oder zusätzlichen Service bringen. In den Beratungen in Rat und Parlament solle dies berücksichtigt werden.
Das größte Problem für Kleinanleger ist, dass sie förmlich in Papierkram ertrinken, wenn sie ein Finanzprodukt erwerben wollen. Markus Ferber (CSU)
Der deutsche Fondsverband BVI lehnt das Provisionsverbot im beratungsfreien Vertrieb ebenfalls ab. Auch die zusätzlichen Anforderungen an die Provisionsberatung hält er für überflüssig. „Diese Maßnahmen werden den ohnehin schon sehr hohen Anlegerschutz nicht weiter steigern“, sagte BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Markus Ferber (CSU), kritisierte, dass sich die Zahl der Formulare für Anleger nicht substanziell verringere. „Das größte Problem für Kleinanleger ist, dass sie förmlich in Papierkram ertrinken, wenn sie ein Finanzprodukt erwerben wollen“, so Ferber. Die Kommission habe hier eine Chance zum Bürokratieabbau verpasst.
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