Frankfurt Eigentlich wollten Julia und Stefan Fischer mit ihrer dreijährigen Tochter am vergangenen Montag in ihr neues Einfamilienhaus im Kölner Stadtteil Brück einziehen. Doch daraus wurde nichts.
Der Grund: Die Familie und die Verkäufer des Hauses warten seit Monaten vergeblich auf ein Dokument der Deutsche-Bank-Tochter DSL, das sie für den Vollzug des vereinbarten Hauskaufs benötigen.
Statt in ihr neues, 230 Quadratmeter großes Haus sind die Fischers nun vorübergehend bei Stefan Fischers Mutter eingezogen. Dort schlafen sie zu dritt in seinem alten Kinderzimmer. „Die letzten Wochen waren für uns als Familie dramatisch“, erzählt Julia Fischer. „Ich hatte schlaflose Nächte, hätte den ganzen Tag weinen können. Jede Sekunde drehte sich um dieses eine Thema.“
Das Schicksal der Fischers, die in Wirklichkeit anders heißen und anonym bleiben wollen, ist kein Einzelfall. Bei Verbraucherschützern und der Finanzaufsicht Bafin beschweren sich seit Monaten zahlreiche Menschen über gravierende Probleme mit der DSL Bank.
Auslöser für die Probleme ist eine große IT-Umstellung bei der Deutschen Bank. In deren Folge kommt es seit Monaten auch bei der Tochter Postbank zu massiven Problemen.
Finanzaufsicht droht mit Konsequenzen
Die Finanzaufsicht Bafin hatte die Deutsche Bank wegen der Probleme bei der Postbank vergangene Woche scharf gerügt. Nun kritisiert die Behörde auch die Defizite bei der DSL mit deutlichen Worten und droht mit Konsequenzen.
„Die Bafin hat die Deutsche Bank AG bereits aufgefordert, auch die bei der DSL Bank bestehenden Mängel abzustellen“, sagte ein Behörden-Sprecher dem Handelsblatt. „Da die Bafin Maßnahmen, wenn angezeigt, gegen die Deutsche Bank prüft, umfasst das auch die DSL-Problematik.“
Sollte sich die Situation nicht bessern, ist eine Vielzahl an Sanktionen denkbar. Die Bafin könnte beispielsweise das Geschäft der DSL Bank einschränken oder einen Sonderbeauftragten einsetzen, der die Beseitigung der Mängel überwacht. Für Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, der schon wegen der Postbank-Probleme unter Druck steht, wäre das ein weiterer Rückschlag.
Vorstandschef Christian Sewing sieht sich ganz klar auf dem richtigen Weg.
(Foto: Reuters)
Das Institut erklärte, die DSL verzeichnet aktuell infolge des Umzugs auf die IT-Systeme der Deutschen Bank ein erhöhtes Anfrage- und Auftragsaufkommen bei Baufinanzierungen in der Auszahlung und in der Kreditnachbearbeitung. „Dies führt in einigen Fällen zu einer Verlängerung der Bearbeitungszeit bei Auszahlungen und Anfragen zu bereits abgeschlossenen Baufinanzierungen.“
Die Deutsche Bank nehme jede Anfrage oder Beschwerde sehr ernst. „Bei betroffenen Kundinnen und Kunden entschuldigen wir uns für entstandene Unannehmlichkeiten.“
„Bau steht still, Handwerker warten auf ihr Geld“
Die Bafin erklärte, sie registriere seit Juli „eine steigende Zahl von Beschwerden über die DSL Bank“. Ein Schwerpunkt seien „Verzögerungen bei der Bearbeitung von Zahlungsabrufen bei Immobilienfinanzierungen“.
Einige Menschen, die eine Baufinanzierung bei der DSL abgeschlossen haben, bekommen die Gelder also nicht wie vereinbart ausgezahlt. Das führt dazu, dass beispielsweise Bauträger oder Handwerker nicht bezahlt werden können.
„Bei uns geht es jetzt mit dem Bau richtig los und quasi direkt droht uns der Baustopp, weil wir weder die Rechnungen begleichen noch die geforderte Finanzierungsbestätigung vorlegen können“, klagt ein DSL-Kunde auf dem Finanzportal Finanzfluss. „Uns schlottern die Knie, wie es weitergehen soll.“
Die hohen Finanzierungskosten haben unmittelbare Auswirkungen.
(Foto: dpa)
Auf dem Portal Finanztip schreibt eine Nutzerin namens Kristin, sie warte seit Anfang August auf die Auszahlung ihres Bauvorschusses. „Auf dem Bau steht alles still, Handwerker warten auf ihr Geld.“ Auf Finanztip.de fielen bis Dienstagabend 90 Prozent von 184 abgegeben Bewertungen über die DSL Bank negativ aus, bei Finanzfluss waren es 68 Prozent von 221 Bewertungen.
Neben Problemen bei der Auszahlung gibt es laut Bafin auch Beschwerden über die fehlende Freigabe von Sicherheiten. „Darlehensnehmer, die ihr Objekt lastenfrei verkauft haben, bekommen die notwendige Löschungsbewilligung für die eingetragenen Grundpfandrechte nicht“, erläuterte der Sprecher.
Einige Hauskäufe geraten in Gefahr
Um einen solchen Fall handelt es sich bei Familie Fischer. Sie hatte im Juli bei einem Notartermin eigentlich alle Formalitäten des Kaufs geregelt. Um den Kaufpreis bezahlen und den Verkauf abschließen zu können, fehlte nur noch die Löschungsbewilligung der DSL.
Auf diese wartete der Verkäufer jedoch monatelang vergebens. Er reichte deshalb eine Beschwerde bei der Bafin ein und wendete sich außerdem ans Handelsblatt. Ohne die Löschbewilligung könne der Verkauf nicht vollzogen und das Haus nicht übergeben werden, sagte er. Zudem müsse er mit seiner Frau weiter Zinsen für einen Kredit bezahlen, den beide durch den Hausverkauf eigentlich ablösen wollten.
Lange Zeit sei er mit der DSL Bank zufrieden gewesen, erzählt der Verkäufer. Es habe kurze Kommunikationswege und schnelle Reaktionszeiten gegeben. Seit Sommer habe sich das aber schlagartig geändert. „Vorher bekannte Ansprechpartner gibt es nicht mehr“, moniert er. „Man wird vom Call Center abgefangen und vertröstet, wenn man überhaupt so viel Geduld hat und wartet.“
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Mit seinen Klagen ist er nicht alleine. „Die mangelnde Erreichbarkeit des Instituts“ sei ein Thema vieler Beschwerden bei der Bafin, erklärte die Finanzaufsicht. Nicht beantwortet würden unter anderem auch Kundenanfragen zur Ablösung von Darlehen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) erklärte, in der ersten Hälfte 2023 habe sich die Zahl der Verbraucherbeschwerden über die DSL Bank noch im einstelligen Bereich bewegt. „Im Juli ist ein plötzlicher Anstieg der erfassten Verbraucherbeschwerden in den mittleren zweistelligen Bereich erkennbar“, sagte VZBV-Referentin Meryem Osanmaz.
„Überwiegend geht es um Fragen zu Auszahlungsverzögerungen bei Kauf, Verkauf oder Bau einer Immobilie, bei denen die Bank nicht erreichbar ist“, berichtet Osanmaz. In einigen Fällen gerieten Hauskäufe dadurch in Gefahr. „Betroffene Verbraucher sind in dieser Situation sehr besorgt.“
Lage soll sich spätestens bis Jahresende normalisieren
Das Portal „Finanz-Szene“ hatte kürzlich aus einem Brief zitiert, in dem eine Niederlassung der DSL Bank ihren eigenen Vertriebspartnern Tipps zum Umgang mit drohenden Kundenklagen gab.
„Bei Vorgängen mit besonderer Brisanz (z.B. Kaufpreisfälligkeit oder Baustopp droht), die außerhalb der kommunizierten Bearbeitungszeit liegt, können Sie uns einbinden“, hieß es in dem Schreiben. Eine Priorisierung könne aufgrund des hohen Aufkommens jedoch nicht garantiert werden.
Die Deutsche Bank erklärte, sie habe bei der DSL Bank bereits Maßnahmen ergriffen, „um die Situation zu verbessern und die Bearbeitungszeiten signifikant zu verkürzen“. Die Kapazitäten in den Bearbeitungsteams seien in den letzten Wochen deutlich erhöht worden und würden weiter erhöht.
Zudem habe die Bank systemtechnische Optimierungen vorgenommen. „Relevante Prozesse wurden vereinfacht, neue Software in Betrieb genommen und, soweit dies möglich ist, werden einfache Prozesse nun verstärkt automatisiert bearbeitet.“
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Durch die getroffenen Maßnahmen gebe es bereits eine Verbesserung. „Die Bearbeitungszeiten von Auszahlungsanliegen verringern sich schon kontinuierlich und wir sind zuversichtlich, dass sich die generellen Bearbeitungszeiten bis spätestens Ende des Jahres normalisiert haben werden.“
Für Familie Fischer zeichnet sich inzwischen eine Lösung ab. Nachdem das Handelsblatt die Bank am Montag mit dem Fall konfrontiert hatte, meldete sich am Dienstag eine DSL-Mitarbeiterin beim Verkäufer des Hauses.
Die Mitarbeiterin habe ihm versprochen, sich nun mit Priorität um den Fall zu kümmern, erzählt der Verkäufer. Die notwendige Löschungsbewilligung solle vermutlich Anfang kommender Woche bei seinem Notar ankommen. Die Bank erklärte zudem, sie prüfe „in dieser Angelegenheit auch eine Kulanzzahlung“.
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