Die Dimensionen der deutschen Außenwirtschaft sind vielen anscheinend nicht bewusst: Vor der Coronakrise lag der Anteil des Exports am deutschen Bruttoinlandsprodukt bei 47 Prozent, jener der Importe bei 42 Prozent. Damit lagen die Anteile jeweils mehr als zehn Prozentpunkte über den Werten der anderen G7-Länder. Intestine zwölf Millionen Arbeitsplätze hängen hierzulande direkt oder indirekt von der Außenwirtschaft ab.
Und es warfare vor allem der Export, der jüngst zu einer zügigen Erholung vieler Branchen beigetragen hat. Politisch ist dieser Wirtschaftsbereich angesichts seiner Bedeutung aber deutlich unterbelichtet. Denn die Herausforderungen unserer außenwirtschaftlichen Beziehungen werden nach der Krise nicht geringer.
Die Umsetzung einer ganzen Reihe jahrelang verhandelter Freihandelsabkommen steht ebenso auf der Agenda wie der Aufbau neuer Beziehungen zu Partnerländern, die nach der Krise eine größere Rolle für die deutsche Außenwirtschaft spielen werden als zuvor.
Wie sich Deutschland gegenüber China und den USA positioniert, ist weiterhin unklar, eine Antwort auf Expansionsbemühungen staatlich gelenkter Volkswirtschaften in Schwellen- und Entwicklungsländern fehlt weitgehend. Die Bedingungen für Auslandsinvestitionen und Außenhandel der deutschen Wirtschaft haben sich in den vergangenen Monaten deutlich verändert. Eine Strategie, wie darauf politisch zu reagieren ist, müsste rasch entwickelt werden.
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Es verwundert, dass keines der veröffentlichten Wahlprogramme dem Thema angemessene Bedeutung einräumt – im Gegenteil: Zur Außenwirtschaft – verantwortlich für rund die Hälfte unseres Wohlstands – finden sich keine innovativen Vorschläge, die zeigen würden, dass die Parteien die Dimension der Herausforderung erkannt hätten. Falls das Thema überhaupt vorkommt, dann meist mit altbekannten Stichworten oder neuen Regulierungsideen.
Die vier Säulen künftiger Politik
Dabei benötigen wir nichts dringender als die Sicherheit, dass unsere Exportwirtschaft auch künftig ihren Beitrag zum deutschen Wohlstand leisten kann. Das wird nur gelingen, wenn wir uns in der Außenwirtschaftspolitik neu positionieren und dabei nicht nur Verwerfungen durch die Coronakrise berücksichtigen, sondern auch neue geopolitische Entwicklungen und Spannungen. Das sollte im Mittelpunkt des wirtschaftspolitischen Wettstreits vor der Bundestagswahl stehen.
Eine zukunftsorientierte neue Außenwirtschaftspolitik sollte sich auf vier Säulen stützen. Erstens: Das außenwirtschaftliche Selbstverständnis der Bundesregierung muss sich den geänderten Realitäten anpassen. Deutschland muss deshalb neue Ambitionen in seiner Außenwirtschaftspolitik entwickeln. Gefördert und abgesichert werden sollten künftig Projekte, die hohen volkswirtschaftlichen Nutzen für Deutschland oder eine optimistic internationale Wirkung haben.
Erforderlich ist eine stärkere Fokussierung auf wichtige Branchen in strategisch wichtigen Märkten. Das deutsche ökonomische Interesse muss das Konzept des Warenursprungs als Kriterium für Exportkreditversicherungen ablösen.
Zweitens: Interessenvertretung durch das „Staff Deutschland“. Für die Exportwirtschaft besteht heute ein Ungleichgewicht gegenüber der politischen und finanziellen Unterstützung, die vor allem asiatische Wettbewerber genießen. Notwendig ist daher ein integriertes Außenwirtschaftsmarketing durch Bewerbung, Vernetzung und politische Flankierung, das zwischen allen relevanten Bundesressorts, Behörden, Verbänden und weiteren Akteuren koordiniert wird.
Ein neuer Staatsminister für Außenhandel
Voraussetzung hierfür dürfte eine einheitliche, ressortübergreifende Strategie der Bundesregierung sein. Damit die Koordination erleichtert wird, schlagen wir vor, alle entsprechenden Zuständigkeiten in einem Ministerium für Außenwirtschaft oder bei einem neuen Staatsminister für Außenhandel zu bündeln.
Die Bundesregierung sollte zudem Entwicklungszusammenarbeit und Außenwirtschaftsförderung verzahnen und mit Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit deutsche Auslandsinvestitionen dort absichern und fördern, wo Projekte einen hohen entwicklungspolitischen Nutzen versprechen.
Clever eingesetzt könnte Entwicklungshilfe der entscheidende Schlüssel sein, um Projekte kommerziell finanzierungsfähig zu machen und so den globalen Wohlstand zu fördern. Der Mittelstand hat große Stärken. Im internationalen Wettbewerb vor allem mit ausländischen staatlichen Konzernen können unsere Unternehmen aber nur bestehen, wenn die Bundesregierung sie zielgerichtet dabei unterstützt, Netzwerke zu nutzen, Finanzierungslücken zu schließen, Hürden zu überwinden und Wettbewerbsgleichheit herzustellen.
Drittens: neue ordnungspolitische Rahmenbedingungen. Deutschland hat jetzt die Likelihood, im internationalen Wettbewerb eine wichtige Rolle beim Ziel der Klimaneutralität und der entsprechenden Transformation der Weltwirtschaft einzunehmen. Optimistic Beschäftigungseffekte für die deutsche Wirtschaft stehen nicht in Widerspruch zu globalem Klimaschutz, sondern können dessen logische Konsequenz sein.
Anreize für klimafreundliche Exporte
Voraussetzung ist jedoch, die Chancen deutscher Unternehmen auf diesem Zukunftsmarkt zu stärken. Hierzu ist es erforderlich, die Instrumente der Außenwirtschaftsförderung mit zusätzlichen Anreizen für klimafreundliche Exporte und Importe weiterzuentwickeln. Dazu gehören insbesondere passgenaue Finanzierungs- und Absicherungslösungen für relevante Zukunftsbranchen und vergünstigte Konditionen in der Außenwirtschaftsförderung.
Deutschland sollte sich in der Europäischen Union und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für ein wegweisendes Rahmenwerk zur Förderung der Außenwirtschaft einsetzen, das entsprechende Anreize ermöglicht. Die Zölle CO2-arm hergestellter Güter müssen auf das Niveau der Importzölle CO2-intensiv produzierter Güter abgesenkt werden.
Zur internen Durchsetzung höherer CO2-Preise sollte sich Deutschland für einen Klimaklub starkmachen, dem neben der EU wenigstens ihre Freihandelspartner und die USA angehören.
Multilateralismus weiter stärken
Viertens: Wenn Deutschland sich seine eigenen Interessen wieder stärker bewusst macht, dann erreichen wir die daraus abgeleiteten Ziele nur als aktiver Companion in der europäischen Werte‐ und Interessengemeinschaft. Gleichzeitig muss Deutschland den Multilateralismus weiter fördern, wo bilaterale Abmachungen zu kurz greifen, etwa beim Schutz geistigen Eigentums oder in der Klimapolitik.
Extraterritorialen Eingriffen in die Souveränität Deutschlands sollte entschieden entgegengetreten werden. Dafür ist die Weiterentwicklung entsprechender Instrumente erforderlich wie zum Beispiel Instex. Zur Vermeidung von Kollateralschäden einer robusteren europäischen Handelspolitik, zum Beispiel durch ausländische Gegenmaßnahmen wie Zölle, sollten europäische Ausgleichsmechanismen vorgesehen werden.
Anhängige Freihandelsabkommen sollten zügig zu Ende verhandelt und schnell in Kraft gesetzt werden. Die nächste Bundesregierung muss sich der Neugestaltung der Außenwirtschaftspolitik unter neuen Rahmenbedingungen annehmen. Damit wir Wohlstand nach der Krise sichern und zur Lösung zentraler globaler Herausforderungen aus einer Place der Stärke beitragen können.
Die Autoren: Gabriel Felbermayr ist Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.
Stefan Liebing ist Unternehmer und Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft.
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