Düsseldorf, München Im Prozess um manipulierte Dieselmotoren bei Audi vor dem Landgericht München II bahnt sich möglicherweise eine Wende an. Der Vorsitzende Richter Stefan Weickert unterbrach am Mittwoch die Hauptverhandlung nach nur etwas mehr als einer Stunde. Wenig später ging es unter Ausschluss der Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen weiter.
Der Grund: Richter, Staatsanwaltschaft und die Verteidiger des früheren Audi-Chefs Rupert Stadler sowie der ebenfalls angeklagten ehemaligen Audi-Motorenentwickler Wolfgang Hatz und Giovanni Pamio kamen zu einem sogenannten Rechtsgespräch zusammen. Dieses ist in einem Strafverfahren der Versuch, eine Verständigung zwischen Angeklagten, Staatsanwaltschaft und dem Gericht herbeizuführen.
Zu Inhalten und einem möglichen Ergebnis des knapp zweistündigen Gesprächs wollen sich Anwälte und Gericht laut Justizkreisen erst beim nächsten öffentlichen Verhandlungstermin am 25. April äußern. Pamio hat jedoch bereits kürzlich ein Geständnis abgelegt.
Viel spricht nun dafür, dass es auch bei Hatz, dem Ex-Chef der Aggregateentwicklung bei Audi, auf einen solchen Schritt hinausläuft. Und bei Stadler könnte am Ende womöglich ebenfalls ein Geständnis stehen. Der Prozess, der bereits seit zweieinhalb Jahren läuft, könnte in diesem Fall auf ein baldiges Ende zusteuern.
Erst kurz vor Ostern hatte das Gericht das Verfahren gegen den Ingenieur Henning L. gegen Zahlung von 25.000 Euro eingestellt. L. hatte die Justiz als Kronzeuge frühzeitig bei der Aufklärung des Skandals unterstützt und ein Geständnis abgelegt – damit war nur noch das Trio um Stadler auf der Anklagebank verblieben.
Schuldspruch wahrscheinlich
Der Prozess gegen Stadler & Co. ist eines der prominentesten Gerichtsverfahren zur Aufarbeitung des Dieselskandals bei Volkswagen und der Tochter Audi. Der Skandal um millionenfach manipulierte Abgaswerte war im September 2015 aufgeflogen.
Laut Anklage sollen Hatz, Pamio sowie L. Motoren so manipuliert haben, dass diese gesetzliche Abgaswerte zwar auf dem Prüfstand, aber nicht auf der Straße einhielten. Stadler wiederum soll es nach Bekanntwerden des Skandals unterlassen haben, den Verkauf der betroffenen Autos zu stoppen. Stadler und Hatz haben die Vorwürfe stets bestritten.
Dass es nun zu dem Rechtsgespräch kam, hat einen offensichtlichen Grund: Ende März hatte die Strafkammer um den Vorsitzenden Richter Stefan Weickert Zwischenbilanz gezogen und klar gemacht, dass sie die Männer auf der Anklagebank für schuldig hält. Nur mit einem Geständnis, so ließen die Richter durchblicken, könnten die Ex-Audi-Manager mit einer Bewährungsstrafe davonkommen.
Der frühere Chef der Aggregate-Entwicklung bei Audi könnte für eine Wende im Prozess sorgen.
(Foto: dpa)
Das Gericht zeigt sich überzeugt davon, dass sowohl Hatz als auch Stadler sich schuldig gemacht haben. Hatz war demnach direkt in die Manipulation der Motoren eingebunden. Er habe auch gewusst, dass eine Software eingesetzt werde, die erkennt, ob ein Fahrzeug auf dem Prüfstand oder auf der Straße fährt. Im Testlabor war die Abgasreinigung aktiv, auf der Straße wurde sie reduziert.
Auf diese Weise sparten die Fahrzeuge den Harnstoff Adblue, der zur Neutralisierung der Stickoxide eingespritzt werden musste. Die Tanks in den Autos waren allerdings aus Kostengründen viel zu klein.
Die Vorwürfe gegen Stadler sind anders gelagert: Er war nicht direkt in die technische Entwicklung der Dieselmotoren eingebunden. Vielmehr habe er als Audi-Chef zugelassen, dass dreckige Autos weiterhin verkauft worden seien, obwohl er bereits von den Diesel-Manipulationen gewusst habe, so der Vorwurf.
Stadler und Hatz droht Gefängnisstrafe
Sowohl Hatz als auch Stadler waren bereits in Untersuchungshaft. Stadler saß rund vier Monate in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen, Hatz war sogar neun Monate in München-Stadelheim inhaftiert. Diese Untersuchungshaft würde auf eine Haftstrafe angerechnet. Dennoch müssten beide Audi-Manager damit rechnen, im Falle einer Verurteilung erneut ins Gefängnis zu kommen.
Zumindest zivilrechtlich droht Stadler und Hatz kein weiteres Ungemach. Das ist nicht selbstverständlich, weil die gängigen Managerhaftpflichtversicherungen im Fall vorsätzlicher Straftaten nicht einspringen.
Doch der VW-Konzern hat mit seiner ehemaligen Führungsriege und dem Versicherungskonsortium bereits eine Vereinbarung getroffen: Mitte 2021 einigte man sich auf eine Zahlung von 288 Millionen Euro. Den Löwenanteil steuerten die Versicherer bei. Der frühere VW-Chef Martin Winterkorn zahlte gut elf Millionen in den Topf ein, Stadler 4,1 Millionen Euro und Hatz 1,5 Millionen Euro.
Allerdings dürften wahrscheinlich an anderer Stelle noch hohe Zahlungen auf die drei verbliebenen Angeklagten zukommen. Die Prozesskosten wären im Falle von Verurteilungen von ihnen zu tragen. Beteiligte des Verfahrens sprechen davon, dass diese am Ende voraussichtlich bei deutlich mehr als zwei Millionen Euro liegen könnten.
Und das sich nähernde Ende des ersten Strafverfahrens bedeutet nicht, dass die strafrechtliche Aufarbeitung des Dieselskandals bei Audi abgeschlossen ist. Bereits im Sommer 2020 hatte die Staatsanwaltschaft München II eine weitere Anklage vorgelegt: Sie richtet sich gegen die einstigen Entwicklungsvorstände Ulrich Hackenberg und Stefan Knirsch, den ehemaligen Einkaufsvorstand Bernd Martens sowie den inzwischen pensionierten Entwickler Richard Bauder. In der Vergangenheit wiesen die Beschuldigten die Vorwürfe stets zurück.
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