Der Konzern hat seinen Börsenwert seit der Monsanto-Übernahme halbiert.
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Düsseldorf Die Bayer AG gerät im neuen Jahr immer stärker ins Visier aktivistischer Investoren. Nun ist auch der Londoner Hegdefonds Bluebell Capital bei den Leverkusenern eingestiegen, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Finanzmarktinsider. Bluebell habe bereits der Bayer-Führung mitgeteilt, dass der Fonds eine Aufspaltung des Leverkusener fordere.
Am Montag war bekannt geworden, dass der amerikanische Investor Inclusive Capital einen Anteil an der Bayer AG übernommen hat und auf Veränderungen drängt. Hedgefonds-Veteran Jeffrey Ubben hat über die Gesellschaft 0,8 Prozent an dem Konzern erworben.
Wieviel Aktien Bluebell besitzt, ist nicht bekannt. Der Londoner Aktivist ist bekannt dafür, nur sehr geringe Anteile zu kaufen, aber seine Position öffentlich und mit Vehemenz zu vertreten. Den Kreisen zufolge verlangt Bluebell nicht nur die Aufspaltung in einen Pharma- und einen Agrarchemiekonzern, sondern auch einen Wechsel an der Aufsichtsratsspitze.
Schon der Einstieg von Inclusive Capital hat der Bayer Aktie zu einem Kursanstieg von zwischenzeitlich 4,8 Prozent verholfen. Der Bericht zu Bluebell kam Dienstag nach Börsenschluss. Bayer steht wegen seiner niedrigen Bewertung anhaltend in der Kritik von Investoren. Seit der 63,5 Milliarden Dollar schweren Übernahme von Monsanto im Jahr 2018 hat sich der Aktienkurs halbiert.
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Bayer wollte zu dem Einstieg der Fonds keine Stellung nehmen. Allgemein sei man zu konstruktiven Gesprächen mit allen Anteilseignern bereit, hieß es. Ob Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann mit den neuen aktivistischen Investoren in Kontakt steht, ist nicht bekannt.
Druck aufs Management vor der Hauptversammlung wächst
Für die Bayer-Führung könnten die kommenden Monate sehr ungemütlich werden. Ende April sind die Aktionäre zur Hauptversammlung geladen. Bluebell Capital ist für bohrende Kritik bekannt und gilt als aggressiver Investor, der sich gerne mit anderen Fonds zusammentut.
Damit haben es die Londoner 2021 geschafft, den damaligen CEO des französischen Konsumgüterherstellers Danone binnen kürzester Zeit aus dem Amt zu drängen und einen eigenen Vertreter im Verwaltungsrat zu installieren.
Insgesamt ist die Erfolgsbilanz aber durchwachsen. Beim Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont („Cartier“) ist Bluebell voriges Jahr gescheitert. Dort wollte der Inverstor den Verwaltungsrat umkrempeln sowie einen Vorstandswechsel und die Umbenennung in Cartier Group erzwingen.
Alle Forderungen fanden aber auf der Richemont-Hauptversammlung im September 2022 keine Mehrheit. Ende vorigen Jahres legte sich Bluebell mit dem weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock an und forderte die Absetzung von dessen CEO Larry Fink – bisher erfolglos. Angeblich soll Bluebell nur 0,01 Prozent an Blackrock halten.
Bayer steckt mitten in der Suche nach einem neuen CEO
Nun ist Bayer im Visier. Mehrere Faktoren sorgen dafür, dass der Leverkusener Konzern gerade jetzt zum Ziel von Hedgefonds wird. Bayer steckt mitten in der Nachfolgesuche für den im Mai 2024 ausscheidenden CEO Werner Baumann. Baumann hat sich stets vehement gegen eine Aufspaltung ausgesprochen und weiß dabei Management und Aufsichtsrat hinter sich.
Bei seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin könnten die Forderungen einzelner Investoren mehr Gehör finden, lautet das Kalkül der aktivistischen Fonds – vor allem, wenn der Chefposten nicht mit einem internen Kandidaten besetzt werden sollte. Bayer prüft Firmenkreisen zufolge interne wie externe Manager und Managerinnen für die Nachfolge.
Inclusive-Capital-Chef Ubben hat gegenüber der „Financial Times“ bereits deutlich gemacht, dass er einen von außen kommenden neuen Bayer-Chef bevorzugen würde. Zu einer möglichen Aufspaltung äußerte er sich zurückhaltender. Eine „ultimative Aufspaltung“ sei aus seiner Sicht nicht notwendig, um Werte zu schaffen. Dennoch müsse Bayer seine Struktur überdenken und Abspaltungen prüfen.
Das Schmerzmittel ist das bekannteste Produkt aus Bayers Division Consumer Health.
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Damit dürfte er eine Abtrennung der dritten Bayer-Division Consumer Health mit rezeptfreien Medikamenten („Aspirin“) meinen. Consumer Health halten auch deutsche Fondsgesellschaften wie Union Investment nach früheren Angaben für einen „interessanten Spin-off Kandidaten“. Bluebell Capital nennt dies ebenfalls im Forderungskatalog an Bayer.
Derartige Gedankenspiele im Investorenkreis nehmen zu, weil der Leverkusener Konzern bei der Börsenbewertung seit Jahren kaum vorankommt – trotz gut laufender Geschäfte und großen Fortschritten bei der Lösung der Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten in den USA. Aktuell kommt Bayer auf eine Marktkapitalisierung von rund 50 Milliarden Euro, Anfang 2018 war es noch mehr als doppelt so viel.
Die anhaltend niedrige Bewertung moniert auch der singapurische Staatsfonds Temasek, der mit gut vier Prozent nach Blackrock der größte Anteilseigner von Bayer ist.
Im Interview mit dem Handelsblatt sagte Temasek-Europachef Uwe Krüger, man stehe mit Bayers Aufsichtsratschef in „konstruktivem Dialog“, was die „strategische Fokussierung und die generelle Struktur des Unternehmens“ angehe. Es gebe noch eine Menge zu tun: „Nur etwa ein Drittel des Weges ist aus unserer Sicht geschafft.“
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