Ein Nürnberger Feuerwehrmann hilft in der Ukraine und riskiert dabei sein Leben. Hier berichtet er über seine Erlebnisse.
Vor mehr als zwei Jahren hat Russland die Ukraine überfallen. Seitdem tobt ein Krieg mitten in Europa. Auch Nürnbergs Partnerstadt Charkiw wurde gleich zu Kriegsbeginn angegriffen. Die Millionenstadt war zwischenzeitlich sogar von Russland besetzt.
Ein Nürnberger Feuerwehrmann hat das hautnah miterlebt. Viermal schon ist er in die Ukraine gefahren, um die Feuerwehr hinter der Front ehrenamtlich zu unterstützen und zu helfen, wo immer er gebraucht wird. Gerade ist er wieder in Charkiw – die Angriffe auf die Stadt nahmen zuletzt wieder zu, sagt er. Im Interview mit t-online spricht Nils Thal darüber, was der Krieg für ihn bedeutet.
t-online: Herr Thal, Sie sind seit Ausbruch des Kriegs immer wieder in die Ukraine gereist, um zu helfen. Wie fühlt es sich an, dorthin zu fahren?
Nils Thal: Ich war im Frühjahr 2022 das erste Mal da. Damals hatte ich das Gefühl, dass sich mir die Nackenhaare aufstellen, als ich die Grenze überquerte. Das ist jetzt anders, den Krieg bin ich mittlerweile gewohnt. Inzwischen neige ich dazu, mich auf die Arbeit und die Aufgaben zu konzentrieren, die in der Ukraine vor mir liegen.
Zur Person
Nils Thal arbeitet seit mehr als 15 Jahren als Feuerwehreinsatzbeamter bei der Stadt Nürnberg. Obwohl er bis zum Ausbruch des Kriegs keine Verbindungen in die Ukraine hatte, ist er kurz darauf in den Osten des Landes gereist, um zu helfen.
Der 37-Jährige sagt, er habe den völkerrechtswidrigen Einmarsch der russischen Föderation als einen Krieg gegen die Weltordnung wahrgenommen und das Leid gesehen. Deshalb wollte dort helfen, wo er am meisten bewirken kann – in den umkämpften Städten nahe der Front.
Um als ehrenamtlicher Feuerwehrmann in der Ukraine zu helfen und bei Hilfsprojekten zu assistieren, nimmt er Urlaub und baut Überstunden ab. Auch Sabbaticals hat er schon eingelegt.
Würden Sie sagen, dass Sie ein Abenteurer sind?
Privat habe ich lange geboxt und Wettkämpfe in verschiedenen Kampfsportarten in unterschiedlichen Ländern bestritten. Ich habe dadurch über die Jahre ganz rational erfahren, wo die Leistungsgrenzen meines Körpers liegen. Dazu kommt, dass ich auf langen Rucksackreisen durch Afrika, Indien oder Asien viel erlebt habe. Ob mich das zu einem Abenteurer macht, kann ich nicht sagen. Aber diese Erfahrungen helfen mir im Kriegsgebiet. Dort ist es wichtig, rational und pragmatisch zu handeln.
In Kupjansk und Bachmut war die Hölle los – kaum eine halbe Minute ohne Angriff
Nils Thal – Nürnberger Feuerwehrmann
Zusammengenommen waren Sie schon fast ein Jahr in der Ukraine im Einsatz. Was sind dort ihre typischen Aufgaben?
Das hängt von Einsatz zu Einsatz ab. In der Anfangsphase des Krieges unterstützte ich ehrenamtlich die Feuerwehr in Charkiw. Es ging vor allem darum, die Auswirkungen der nächtlichen Raketenangriffe abzumildern. Ein Jahr später war ich in Cherson. Nachdem der Kachowka-Staudamm zerstört worden war, war vieles überschwemmt. Da habe ich bei den Evakuierungsmaßnahmen geholfen. Im letzten Jahr war ich aber auch in den Regionen um Kupjansk und Bachmut im Einsatz. Dort war buchstäblich die Hölle los. In der Gegend um Bachmut gab es kaum eine halbe Minute der Ruhe. Den ganzen Tag über Detonationen, Artillerie und vielfach täglich Luftalarm. Dort habe ich zusammen mit der Feuerwehr die Bevölkerung mit Wasser versorgt. Zudem assistiere ich bei unterschiedlichen Hilfsprojekten, bei denen es darum geht, die kritische Infrastruktur in Frontnähe aufrechtzuerhalten.
Mittlerweile verbinden Sie mit dem Krieg viele solcher Erlebnisse. Welcher Einsatz war Ihr schlimmster?
Eigentlich will ich das gar nicht bewerten. Damit man aber von außen verstehen kann, wie schwierig die Umstände manchmal sind, fällt mir ein Feuerwehreinsatz in der Region Charkiw ein. Dort war ich im Sommer 2023, als ein großes Lager auf einem landwirtschaftlichen Betriebsgelände in Flammen stand. Als wir aus dem Löschfahrzeug ausstiegen, mussten wir aufpassen, dass wir beim Verlegen der Feuerwehrschläuche nicht den direkten Weg durch die Büsche nahmen. Wir vermuteten dort Antipersonenminen und Sprengfallen von der russischen Armee.
Sind unter solchen Umständen Löscharbeiten überhaupt möglich?
Tatsächlich haben wir deshalb im Zickzack-Kurs gearbeitet. Als wir dann begannen zu löschen, war uns schnell klar, dass es schwierig werden würde, das Feuer unter Kontrolle zu bringen – es fehlte uns an Ausrüstung für Netzwasser. Der Einsatz zog sich sehr lange hin. Nach einiger Zeit hörten wir Artillerieeinschläge ganz in der Nähe. Wir mussten daraufhin Schutz suchen und warten, bis es vorbei war. Für mich war das eine sehr unangenehme Erfahrung. Weil wir nicht über die geeigneten technischen Möglichkeiten verfügten, stieg für uns die Gefahr. Leider sind solche Situationen für viele Ukrainer mit ganz unterschiedlichen Berufen Alltag. Die Frontlinie zieht sich schließlich mit mehr als tausend Kilometern Länge durch das Land.