Die FDP schart sich um den Vorsitzenden Lindner. Dieser macht deutlich, er will nicht den Knall der Ampel, sondern einen knallharten Wirtschaftskurs. Kritik an SPD und Grünen kommt nur gemäßigt.
Wachstumsförderung, Steuersenkungen und keine neuen Sozialleistungen: FDP-Chef Christian Lindner hat mit dem Ruf nach einer „Wirtschaftswende“ für Deutschland die volle Unterstützung des Bundesparteitages der Liberalen bekommen. Der Bundesfinanzminister forderte SPD und Grüne auf, einen wirtschaftlichen Aufschwung zur Priorität der gemeinsamen Koalition zu machen. Lindner warnte vor einem Abstieg des Landes mit negativen Folgen für Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Zu den wirtschaftspolitischen Forderungen beschlossen die mehr als 600 Delegierten am Samstag einen Leitantrag des Bundesvorstands. Das ihm zugrunde liegende Zwölf-Punkte-Papier zur Wirtschaftsbelebung durch Steuerentlastungen und Verschärfungen bei Sozialleistungen hatte vor allem bei der SPD für Verärgerung gesorgt. „Wenn ein Land in zehn Jahren von Platz 6 der Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 22 zurückfällt, was ist dann dringlicher als eine Wende?“, sagte Lindner. „Denn in den nächsten Jahren muss unser Ehrgeiz sein, von 22 wieder in die Weltspitze zurückzukehren.“ Die Delegierten feierten Lindner für seine Rede dreieinhalb Minuten lang mit Beifall.
Am Sonntag legte sein Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nach. Er mahnte, Deutschland dürfe im Wettbewerb nicht immer weiter zurückfallen. „Die nächsten Jahre dürfen keine Jahre der Krise werden. Es müssen vielmehr einmal mehr Jahre des Aufschwunges und des Wohlstandes werden.“
Kein Bruch mit den Koalitionspartnern: Lindner schont die Ampel
Lindners Rede war nach dem Ärger in der Koalition über das Zwölf-Punkte-Papier mit Spannung erwartet worden. Allerdings machte der FDP-Chef in seiner mehr als einstündigen Rede an mehreren Stellen deutlich, dass er einen Erfolg des Ampel-Bündnisses will, kein vorzeitiges Ende. Scharf griff er wiederholt die Union an. Seine Partei hatte bei der letzten Bundestagswahl 11,5 Prozent der Stimmen geholt und dümpelt nun in Umfragen nur noch bei 5 Prozent. Damit wäre aktuell nicht mal ein Wiedereinzug in den Bundestag sicher.
FDP will Aufschwung zur zentralen Aufgabe machen
Lindner beschrieb Deutschland als wirtschaftlichen Absteiger. Die mittelfristige Wachstumsperspektive vor wenigen Jahren habe noch bei 1,5 Prozent gelegen und sei nun auf 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesunken. In den USA betrage sie jährlich 2 Prozent. Am Rande des Parteitags gab er das Ziel aus, diesen Wert in Deutschland wieder auf 1 Prozent zu heben. Der Erfolg aller drei Parteien und ihrer Vorhaben hänge an der Wirtschaft.
„Wir haben tatsächlich die Köpfe. Wir haben das Know-how. Wir haben das Kapital. Aber unser Land steht sich zu oft selbst im Weg“, kritisierte Lindner in der Parteitagsrede. „Wir müssen uns selbst den Weg freigeben, denn wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Wirtschaftlicher Niedergang ist aus Lindners Sicht auch ein Risiko für die Demokratie. Menschen mit dem Gefühl, sie seien von Abstieg bedroht oder andere kämen leichter voran als sie selbst, würden kritisch die demokratischen Rahmenbedingungen hinterfragen. „Die Wirtschaftswende ist das beste Demokratiefördergesetz, das man haben kann.“
Kritik an den Ampel-Partnern bleibt insgesamt verhalten
FDP-Vize Wolfgang Kubicki rief die Partner SPD und Grüne zu Gesprächen über das FDP-Konzept auf. „Ich kann nur dringend von hier aus appellieren: Nehmen Sie die Gespräche mit uns auf. Denn wenn nicht gesprochen wird, wird es auch keine Zukunft dieser Koalition geben.“ Ein Aufkündigen der bei vielen an der FDP-Basis unbeliebten Koalition war beim Parteitag aber kein Thema. „Raus aus der Ampel“ war nur von einem Delegierten zu hören – Beifall erhielt er dafür nicht. Die FDP-Kritik an einzelnen Projekten der Ampel wie am Konzept der Kindergrundsicherung von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) ging nicht über das übliche Maß hinaus.
Strack-Zimmermann knöpft sich von der Leyen vor
Während die FDP das Koalitionsklima erkennbar nicht weiter strapazieren wollte, schoss sie umso auffälliger gegen die Union. Ein Grund ist sicher der laufende Europawahlkampf, ein anderer, dass die FDP-Spitze annimmt, Wählerpotenzial vor allem an CDU/CSU verloren zu haben, das es zurückzuholen gilt.
Der FDP-Vorsitzende machte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) für den überbordenden Verwaltungsaufwand in Unternehmen verantwortlich. „Bürokratiestress in unserem Land hat einen Vornamen: Und der ist Ursula.“ Bundesjustizminister Marco Buschmann ergänzte: „Ich kann gar nicht so schnell im Bundesrecht Bürokratie abbauen, wie sie Ursula von der Leyen hinterher produziert.“
Auch Europa-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann nahm sich von der Leyen vor. „Im IHK-Unternehmensbarometer zur Europawahl haben nur fünf Prozent der deutschen Industrieunternehmen gesagt, die EU sei in den vergangenen fünf Jahren als Standort attraktiver geworden“, sagte sie. „Wie kann man sich nach einem solchen Misstrauensvotum unserer Wirtschaft einfach zur Wiederwahl als Kommissionspräsidentin stellen wollen?“