Berlin Mit 100 Milliarden Euro – zusätzlich zum regulären Wehretat – soll die Bundeswehr wieder match gemacht werden für die Landes- und Bündnisverteidigung. Das ist viel Geld. Aber es kann seine Wirkung nur entfalten, wenn damit auch rasch die nötige Ausrüstung beschafft werden kann.
Das weiß auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Sie höre oft, die Politik müsse jetzt auch endlich das Beschaffungswesen reformieren, sagte sie am vergangenen Mittwoch im Bundestag. „Ja selbstverständlich! Da gehen wir jetzt auch ran“, versprach die Ministerin.
An diesem Montag wird sich Lambrecht mit Verteidigungs- und Haushaltspolitikern der Koalition treffen, um nach Wegen zu suchen, die Prozesse zu beschleunigen. Nötig sei beispielsweise ein besseres Anforderungsmanagement, sagte der Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Wehrtechnik und Beschaffung, Alexander Müller, dem Handelsblatt.
Bisher würden einfach alle Wünsche aus der Truppe aufgeschrieben und zusammengeführt, inklusive vieler Sonderwünsche, die Beschaffungsprojekte extrem teuer machten.
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Von Deutschland und anderen Projektnationen geforderte Extras hatten beispielsweise die Kosten für den Militärtransporter Airbus A400M in die Höhe getrieben und die Auslieferung verzögert. „Hier muss viel konsequenter auf Marktverfügbarkeit geachtet werden“, fordert Müller. Zusatzwünsche sollten nur bei wirklich hoher Priorität zugelassen werden.
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Außerdem dürften Anschaffungen nicht dadurch verzögert werden, dass Fahrzeuge die strengsten Abgasnormen erfüllen oder die Innenbeleuchtung von Panzern der Arbeitsstättenverordnung entsprechen müsse. Zu den größeren Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr gehören neben dem Twister-Nachfolger für die nukleare Teilhabe auch schwere Transporthubschrauber. In beiden Fällen will die Bundeswehr jetzt quasi „von der Stange“ bei den Amerikanern einkaufen, um Verzögerungen zu vermeiden.
Die Liberalen haben für das Treffen mit der Verteidigungsministerin aber noch weitere Vorschläge gesammelt. So wollen sie etwa das Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz, das sich bisher allzu oft als kritisches Nadelöhr erwiesen hat, entlasten, indem mehr dezentral bestellt werden kann.
Die Bundesregierung hat bereits den Schwellenwert, bis zu dem ohne Ausschreibung frei eingekauft werden kann, von 1000 auf 5000 Euro angehoben. Hier könnte eine weitere Erhöhung helfen. Auch über eine Erhöhung des „Handgelds“ von 25.000 Euro im Jahr, mit dem Kommandeure einfache Ausrüstung oder Ersatzteile anschaffen dürfen, sollte nachgedacht werden.
Die Verteidigungsexperten der FDP wollen aber auch die Rüstungsindustrie stärker in die Pflicht nehmen – etwa über Verträge, die die Einsatzbereitschaft des Geräts berücksichtigen. Die Idee: Der Hersteller erhält feste Raten professional Nutzungsstunde, ist aber für Ersatzteilmanagement und Wartungskapazitäten selbst verantwortlich. Wenn die Geräte nicht einsatzbereit sind, fließt kein Geld. „So werden die richtigen Anreize gesetzt, um die Einsatzbereitschaft auf höchstem Niveau zu halten“, sagt Müller.
Mehr Druck auf Hersteller, weniger Klagen
Der Bund dürfe künftig auch kein Materials mehr abnehmen und bezahlen, das dann jahrelang ohne Upgrades nicht nutzbar sei. Hier müsse mehr Druck auf die Hersteller durch höhere Vertragsstrafen ausgeübt werden, die derzeit auf fünf Prozent des Preises begrenzt seien.
Oft werden Beschaffungsprozesse auch verzögert, weil Unternehmen, die bei Ausschreibungen unterlegen sind, klagen. So gibt es beispielsweise eine Reihe von Verfahren wegen des bis zu 250 Millionen Euro schweren Bundeswehr-Auftrags für ein neues Sturmgewehr.
Geht es nach den Liberalen, dann sollte die Bundesregierung zur alten Rechtslage zurückkehren, wonach dringliche Rüstungsgüter schnell beschafft werden konnten, ohne den Gerichtsprozess abzuwarten. Je nach Ausgang der Klage kann dann Schadensersatz fällig werden. Nach heutiger Gesetzeslage muss zunächst abgewartet werden, bis der Rechtsstreit entschieden ist, was oft Jahre dauert.
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