Frankfurt Der finnische Notenbankchef Olli Rehn warnt, dass der deutsche Atomausstieg die Abhängigkeit von Russland erhöht und den Energiemarkt destabilisiert. „Die Entscheidungen über die Energiepolitik in Deutschland wirken sich auf Preisschwankungen und damit auf die Unsicherheit über die Inflation aus“, sagte das EZB-Ratsmitglied im Interview mit dem Handelsblatt. „Der Umstieg von Kohle auf Erdgas ist für mich kein grüner Umstieg, und diese Übergangsphase wird in Deutschland noch lange dauern.“
Die Inflation im Euro-Raum ist vor allem wegen teurer Energie auf ein Rekordhoch gestiegen. Im Dezember legten die Energiepreise um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Dienstleistungen und Waren kosteten durchschnittlich 5,0 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Rehn erwartet, „dass die Treiber der Inflation im Jahresverlauf nachlassen“ werden und die Teuerungsrate im Euro-Raum in den nächsten beiden Jahren bei etwa zwei Prozent liegen wird. Das weitere Tempo bei der Normalisierung der Geldpolitik im Euro-Raum hänge von den Daten ab.
„Ich persönlich gehe davon aus, dass die wirtschaftlichen Daten trotz der Beeinflussung durch die Omikron-Variante relativ intestine bleiben werden.“ Aus diesem Grund hält er Zinserhöhungen im Jahr 2023 für „logisch“, zumindest, „wenn es keine neuen wirtschaftlichen Störungen gibt“.
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In der Debatte um die EU-Fiskalregeln plädiert der finnische Notenbankchef für Anpassungen. Die Regeln müssten zugleich konsequent, realistisch und flexibel sein. „Eine Schuldengrenze von rund 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie sie die bisherige Regelung vorschreibt, ist eindeutig unrealistisch.“
Er verwies darauf, dass Italiens Schuldenquote nach der Pandemie voraussichtlich bei etwa 160 Prozent liegen werde. „Wenn Ziele unerreichbar sind, werden sie auch nichts bewirken.“
Holzmann: „Gehen davon aus, dass die Inflation zurückgehen wird“
Auch der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann hält die weitere Inflationsentwicklung im Euro-Raum für sehr unsicher. „Wir gehen alle davon aus, dass die Inflation zurückgehen wird“, sagte er der Tageszeitung „Die Presse“ in einem am Sonntag veröffentlichten Interview. „Die Frage ist nur, in welcher Zeitperiode?“ Holzmann gehört wie Rehn dem EZB-Rat an, der die geldpolitischen Entscheidungen im Euro-Raum trifft.
Die ursprüngliche Annahme sei gewesen, dass es Anfang 2022 zu einer Beruhigung kommt und es im vierten Quartal dann einen starken Rückgang gibt. „Es ist noch nicht ausgeschlossen, dass es so kommt.“ Man wisse allerdings auch nicht, „ob die Inflation nicht doch länger auf hohem Niveau verbleibt“.
Entscheidend sind aus Sicht von Holzmann sogenannte Zweitrundeneffekte – additionally etwa Lohnerhöhungen. Manche Experten fürchten, dass Arbeitnehmer wegen Kaufkraftverlusten deutlich höhere Löhne fordern und dies eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzten könnte, bei der sich beide Faktoren gegenseitig verstärken. Holzmann sieht hierfür jedoch bisher „noch keine entsprechenden Anzeichen“.
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