Die Kämpfe um Kiew gewinnen an Intensität: Am Rand der ukrainischen Hauptstadt kam es in der Nacht zu Gefechten, im Stadtzentrum waren immer wieder heftiger Artilleriebeschuss und Kanonenfeuer zu hören.
Nach Angaben des ukrainischen Militärs griffen russische Soldaten einen Stützpunkt auf der Siegesstraße an, die eine der Hauptverkehrsadern in Kiew ist. Der Angriff sei zurückgeschlagen worden, hieß es auf der Fb-Seite der ukrainischen Armee.
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte zuvor in einer Videobotschaft in seinem Telegram-Kanal gesagt, er rechne mit einem russischen Angriff auf Kiew in der Nacht. „Das Schicksal der Ukraine entscheidet sich genau jetzt“, sagte er. „Wir müssen alle verstehen, was auf uns wartet. Wir müssen diese Nacht durchhalten.“
Die russischen Truppen rücken vom Nordwesten und Nordosten auf Kiew vor. Heftige Kämpfe gab es den Angaben nach bei dem Ort Wassylkiw etwa 40 Kilometer von Kiew entfernt. Dort liegt ein Luftwaffenstützpunkt, den russische Truppen dem Anschein nach mit Fallschirmjägern erobern wollten.
High-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Einer der ukrainischen Kämpfer habe ein russisches Transportflugzeug vom Typ Iljuschin Il-76 abgeschossen. An Bord seien russische Fallschirmjäger gewesen, schrieb der ukrainische Generalstabschef Walerij Saluschnyj in der Nacht zum Samstag auf Twitter. Die Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar.
Auch aus dem Osten der Ukraine werden Luftangriffe gemeldet. Gebiete in der Nähe der Städte Sumy, Poltawa und Mariupol seien aus der Luft attackiert worden, teilt das ukrainische Militär mit. Vom Schwarzen Meer aus seien Marschflugkörper auf die Ukraine abgefeuert worden.
Sanktionen gegen Russland und Putin in Kraft
Die neuen EU-Sanktionen gegen Russland sind in Kraft. Das geht aus Rechtsakten hervor, die in der Nacht zum Samstag im EU-Amtsblatt veröffentlichten wurden. Die wegen Russlands Angriff auf die Ukraine erlassenen Strafmaßnahmen zielen darauf ab, dem Land und seiner Wirtschaft erheblichen Schaden zuzufügen.
Dafür werden zum Beispiel die Refinanzierungsmöglichkeiten des Staates und von ausgewählten privaten Banken und Unternehmen eingeschränkt. Zudem erlässt die EU Ausfuhrbeschränkungen für strategisch wichtige Güter, die insbesondere Unternehmen aus dem Verkehrs- und Energiesektor treffen sollen.
Mit was für Einnahmeausfällen europäische Unternehmen wegen der Sanktionen rechnen müssen, wollten EU-Beamte in den vergangenen Tagen nicht sagen. Sie räumten allerdings ein, dass es insgesamt um einen Milliardenbetrag gehen dürfte.
Die US-Regierung hatte am Donnerstag bereits weitreichende Sanktionen verhängt, unter anderem gegen die wichtigsten russischen Banken und Staatskonzerne sowie Exportkontrollen für Hightech-Produkte.
So berichtet das Handelsblatt über die Entwicklungen in der Ukrainekrise:
Darüber hinaus setzen die EU und Großbritannien auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinen Außenminister Sergej Lawrow auf ihre Sanktionsliste. Möglicherweise in der EU vorhandene Vermögen der beiden Politiker können so eingefroren werden.
Grund für den Schritt sei die „revanchistische Mission“ Putins und Lawrows, mit der sie die Weltordnung nach dem Kalten Krieg durch den Angriff auf die Ukraine beseitigen wollten, sagte britische Premier Boris Johnson.
>> Lesen Sie hier: Der Westen erhöht den Druck auf den russischen Präsidenten persönlich: Die Staaten setzen Vermögenssperren gegen ihn und seine Führungsriege ein.
Johnson warnte die Nato-Staats- und Regierungschefs bei ihrer Videoschalte der Mitteilung zufolge, dass Putins Absichten möglicherweise über die Invasion in die Ukraine hinausgehen könnten. Er forderte, Russland umgehend aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift auszuschließen, „um Präsident Putin und seinem Regime maximal wehzutun“.
In der Nacht schloss sich die US-Regierung wie angekündigt an. Betroffen sind neben Putin unter anderem Außenminister Lawrow, Verteidigungsminister Sergej Schoigu sowie der Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, und weitere führende Regierungsvertreter, wie das US-Finanzministerium am Freitagabend (Ortszeit) erklärte. Das Weiße Haus hatte die Sanktionen gegen Putin und Lawrow bereits einige Stunden vorher angekündigt.
„Es ist für das Finanzministerium außergewöhnlich selten, einen Staatschef mit Sanktionen zu belegen. Präsident Putin schließt sich damit einer sehr kleinen Gruppe an, zu der Despoten wie Kim Jong Un, Alexander Lukaschenko und Baschar al-Assad gehören“, erklärte das US-Finanzministerium in Bezug auf die Machthaber in Nordkorea, Belarus und Syrien.
Die US-Regierung ziehe Russland „für den brutalen und unprovozierten Angriff auf das ukrainische Volk“ zur Rechenschaft, erklärte Finanzministerin Janet Yellen. Falls nötig, seien die USA zu weiteren Sanktionen bereit.
Infolge der Sanktionen wird jeglicher möglicher Besitz der betroffenen Personen in den USA eingefroren. US-Bürgern und Firmen ist es weitestgehend verboten, mit ihnen Geschäfte einzugehen oder sie finanziell zu unterstützen. Falls die Betroffenen gar kein Vermögen in den USA haben – was bei Putin und Lawrow wahrscheinlich erscheint – haben die Sanktionen trotzdem nicht nur eine symbolische Bedeutung. Sie erschweren betroffenen Personen viele internationale Geschäfte, weil westliche Banken und Unternehmen nicht riskieren wollen, gegen US-Sanktionen zu verstoßen. Mit den finanziellen Sanktionen ist keine Einreisesperre verbunden.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, schrieb am Abend im Nachrichtenkanal Telegram, Putin und Lawrow hätten keine Konten in Großbritannien oder in Übersee.
Auch der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau verhängt Sanktionen gegen Putin und Lawrow. „Dies richtet sich direkt gegen den beträchtlichen persönlichen Reichtum von Präsident Putin“, sagt er. Kanada werde auch Sanktionen gegen Weißrussland und seine Anführer verhängen, weil sie Putins Invasion in der Ukraine unterstützt hätten.
Russland-Decision scheitert im Sicherheitsrat – China enthält sich
Eine gegen Russlands Einmarsch in die Ukraine gerichtete Decision ist im UN-Sicherheitsrat gescheitert. Moskau legte bei der Abstimmung im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen am Freitag in New York wie erwartet ein Veto gegen den Textual content ein – China jedoch enthielt sich zusammen mit zwei weiteren Ländern. Elf Staaten des 15-köpfigen Charges stimmten für den Textual content.
Westliche Diplomaten werteten dies als Erfolg bei ihrem Versuch, Russland diplomatisch zu isolieren und einen Keil zwischen Moskau und Peking zu treiben. Der Präsident der Ukraine, Wolodimir Selenski schrieb dazu auf Twitter: „Das Veto von Russland ist ein Schandfleck auf seiner Place im Sicherheitsrat, der Landkarte Europas und der Welt.“
Der Entwurf der Decision, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, verurteilt Russlands Aggression „aufs Schärfste“ und bekräftigt die Souveränität und territoriale Integrität sowie die Unabhängigkeit und Einheit der Ukraine. Von Russland wird darin der sofortige Rückzug sowie die Rückkehr zum Minsker Abkommen verlangt.
In dem Textual content – der unter Federführung der USA entstand – heißt es unter anderem, der Sicherheitsrat möge beschließen, „dass die Russische Föderation ihre Streitkräfte unverzüglich, vollständig und bedingungslos aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine innerhalb ihrer worldwide anerkannten Grenzen abzieht“.
Da Russland im Sicherheitsrat wie auch China, die USA, Frankreich und Großbritannien Vetorecht besitzt, schien eine Annahme von vornherein unmöglich. Die USA und ihre westlichen Verbündeten hatten jedoch gehofft, Moskau diplomatisch weitgehend isolieren zu können.
Die Verhandlungen dafür dauerten bis in die letzten Minuten vor der Abstimmung an – der Textual content wurde in der Folge noch einmal geändert, um China von einem Veto abzuhalten und die Zustimmung von Wackelkandidaten zu erreichen. Letzteres wurde aufgrund der Enthaltungen Indiens und der Vereinigten Arabischen Emirate jedoch nicht geschafft.
Peking conflict zumindest zurückhaltend geblieben und hatte es vermieden, seinen Companion Russland zu verteidigen. Nach dem Scheitern der Decision soll der Textual content nun nach Angaben mehrerer Diplomaten an die UN-Vollversammlung überstellt werden. Dort können alle 193 Mitgliedsstaaten abstimmen. Sie könnten die Entschließung mit einfacher Mehrheit annehmen.
Soziale Medien schließen Werbung russischer Staatsmedien aus
Der Fb-Konzern Meta ergreift in Reaktion auf Russlands Invasion in die Ukraine weitere Schritte. Man sei dabei, russische Staatsmedien daran zu hindern, in dem sozialen Netzwerk weltweit Anzeigen zu schalten oder dort Geld zu verdienen, gab der Sicherheitschef bei Fb, Nathaniel Gleicher, am Samstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter bekannt. „Wir beobachten die Scenario in der Ukraine genau und werden unsere Schritte zum Schutz der Menschen auf unserer Plattform weiter mitteilen“, erklärte Gleicher.
Auch der Kurznachrichtendienst Twitter blockiert bis auf weiteres Werbeanzeigen in den kriegführenden Ländern Russland und Ukraine. Auf diese Weise wolle man sicherstellen, dass wichtige Informationen zur öffentlichen Sicherheit in den beiden Staaten hervorgehoben werden, teilte der Konzern auf seinem Nachrichtendienst am Samstag mit. Werbung würde von solchen Informationen ablenken.
Ratingagentur stuft Russland herab
Die Ratingagentur S&P stuft die Kreditwürdigkeit Russlands auf Schrottniveau herunter. Die Experten begründeten das mit den internationalen Sanktionen, die weitreichende Auswirkungen auf die Fähigkeit des Bankensystems haben könnten, den internationalen Handel zu finanzieren.
Die Ratingnote für langfristige Fremdwährungsanleihen wurde auf „BB+“ von „BBB-“ gesenkt und liegt damit im spekulativen Bereich. Weitere Herabstufungen seien möglich, schrieben die Analysten weiter, wenn mehr Klarheit über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen bestehe.
Auch Moody’s droht Russland mit einer Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit auf Schrottniveau. Es gebe „ernsthafte Sorgen“, ob es Russland gelinge, die Auswirkungen von Sanktionen auf seine Wirtschaft, seinen Haushalt und sein Finanzsystem abzufedern, erklärte Moody’s. Derzeit kommt Russland noch auf eine Ratingnote von „Baa3“, die Anleihen liegen damit eine Stufe über dem spekulativen Bereich.
Es kann Monate dauern, bis eine Herabstufung auf eine derartige Drohung folgt, in diesem Fall dürfte eine Reaktion aber schneller erfolgen. Moody’s will in seiner Entscheidung das Ausmaß des Konflikts mit einbeziehen.
Mit Agenturmaterial.
Mehr: Wie wehrhaft ist Europa? Die wichtigsten Antworten zu den Sanktionen gegen Russland