Aus Sicht vieler ist die AfD eine ernstzunehmende Gefahr für die Demokratie. Über die Sicherheit deutscher Gerichte klärt der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier auf.
Seit dem Bekanntwerden der Recherchen des Kollektivs „Correctiv“ rund um ein Treffen rechter Funktionäre und Denker – darunter auch AfD-Mitglieder – schlägt die Debatte um ein mögliches Parteiverbotsverfahren gegen die AfD immer höhere Wellen. Im Gespräch mit der Zeitung „Rheinischen Post“ fordert der ehemalige Bundesverfassungsgerichtsrichter Hans-Jürgen Papier nun eine Grundrechtsänderung zur Stärkung der Judikative.
Gefragt nach einer möglichen Absicherung vor der AfD und Demokratiefeinden, antwortet der ehemalige Verfassungsrichter: „Ich vertrete die Auffassung, dass die Regelungen über die notwendige Zweidrittelmehrheit bei der Wahl von Richtern und die begrenzte Amtszeit von zwölf Jahren in die Verfassung gehören. Das ist das Mindeste, was man fordern sollte.“
Papier habe sich schon seit den Vorgängen in Polen – die Erosion einer effektiven Gewaltenteilung durch die zunehmende Politisierung der Gerichte – für eine solche Regelung ausgesprochen. Mit dieser Regelung würde man laut Papier sicherstellen, dass Richter nicht mit nur einfachen Mehrheiten berufen oder ihre Amtszeit verkürzt beziehungsweise frühzeitig beendet werden könne.
Stellung des Verfassungsgerichts zementieren
Momentan stehen die Grundsätze über die Wahl und die Amtszeit von Verfassungsrichtern im Bundesverfassungsgerichtsgesetz – ein sogenanntes einfaches Gesetz, da es mit nur einfacher Mehrheit des Bundestages geändert werden kann. Für eine Änderung des Grundgesetzes hingegen ist eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen im Bundestag erforderlich. Dies sei laut Papier nur folgerichtig, da auch die Amtszeit der Abgeordneten des Bundestags auch in der Verfassung geregelt sei und nicht im einfachen Gesetz.
Im Gespräch mit der „RP“ fordert Papier auch den ersten Paragrafen des Bundesverfassungsberichtsgesetzes in das Grundgesetz aufzunehmen, der die Unabhängigkeit und die Gleichrangigkeit gegenüber und zu den anderen Verfassungsorganen unterstreicht. „Das wäre wichtig zur klaren Absicherung des Bundesverfassungsgerichts und zur stärkeren Sicherung der Unabhängigkeit dieses Organs von der Exekutive“.
Grundrechtsentzug Höckes schwer realisierbar
Zu der Petition, die eine Entziehung von Björn Höckes Grundrechten gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes fordert, äußert sich Papier zurückhaltend. „Es ist schwer, das abschließend zu beurteilen“. Denn das Bundesverfassungsgericht müsste neben der „Verwirkungsentscheidung“ auch über das Ausmaß einer möglichen Verwirkung der Grundrechte entscheiden.
„Welche Folgen eine Verwirkung hat und welche Verbote sich konkret ergeben würden, ist nicht eindeutig zu sagen“, so Papier. Somit sei auch ein möglicher Entzug der Wählbarkeit Höckes höchst streitig. Insgesamt sei laut Papier aus juristischer Sicht „ziemlich viel unklar“.
Auf die Frage der „RP“, ob er ein solches Grundrechtsentzugs-Verfahren befürworten würde, antwortet Papier: „Das Verhältnis zwischen Nutzen und Belastungen, die damit einhergingen, wäre fragwürdig“. Selbst bei Erfolg des Verfahrens sei nicht zu verhindern, dass Gleichgesinnte „nachrücken“ würden – aus einem Verfahren könnten also schnell mehrere werden.