Brüssel Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament, hat die Bundesregierung aufgefordert, Russland die Folgen eines Angriffskriegs gegen die Ukraine klarzumachen. Bundeskanzler Olaf Scholz „muss sich von der Schröder-SPD emanzipieren“, sagte der CSU-Politiker dem Handelsblatt. „Wir brauchen einen deutschen Bundeskanzler, der in diesen Fragen entschieden steht und klar den Preis für eine militärische Aggression gegen die Ukraine benennt.“
Dazu gehört für Weber auch ein Stopp der Ostseepipeline Nord Stream 2: „Die Pipeline struggle von Beginn an ein Fehler, weil sie die Abhängigkeit Europas von Russland verstärkt und die EU auseinandertreibt.“
Zugleich fordert Weber einen klaren Kurs gegenüber China und spricht sich für intensivere Beziehungen zu Taiwan aus: „Im Wettbewerb der Systeme ist Taiwan heute, was früher West-Berlin struggle: der Ort, an dem unser demokratisches Gesellschaftsmodell in direkter Nachbarschaft zu einem Systemrivalen darum kämpft, zu überleben. Wir müssen jene unterstützen, die für Demokratie und Rechtsstaat eintreten.“
Die Ambition des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Europas Souveränität zu stärken, begrüßt Weber ausdrücklich: „Es struggle auch ein kühner Traum nach dem Zweiten Weltkrieg, über die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich zu reden.“
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Allerdings warnt der Bayer Weber vor den französischen Bestrebungen, den Euro-Stabilitätspakt aufzuweichen: „Souveränität heißt auch, eine stabile Währung zu haben.“
Lesen Sie hier das gesamte Interview.
Herr Weber, die Russen haben sich festgelegt: Die Gespräche mit dem Westen über die Ukraine seien „eine Sackgasse“. Dennoch will sich US-Außenminister Blinken mit seinem russischen Amtskollegen treffen. Welchen Sinn hat das noch?
Für uns im Westen hat Diplomatie immer Sinn. Konflikte durch Gespräche zu lösen ist immer die Priorität. Aber die Töne aus Moskau zeigen erneut: Putin meint es ernst. Und er nutzt offensichtlich auch den Übergang, den wir derzeit in wichtigen Staaten der Europäischen Union erleben – mit der neuen Bundesregierung in Berlin, dem Abgang von Angela Merkel und der anstehenden Präsidentschaftswahl in Frankreich. Er nutzt die Unsicherheit, die wir in Europa haben – und spielt mit dem Feuer.
Was treibt Putin?
Ich bin überzeugt, dass im Kern die Sorge dahintersteht, dass sich die Idee von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat weiter ausbreiten wird in Richtung Osten. Wir hatten vor mehr als 30 Jahren Demonstrationen in Leipzig, Berlin und Warschau. Wir hatten Demonstrationen in Kiew. Zuletzt hatten wir Demonstrationen in Minsk. Für Putin ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch in Moskau die Menschen auf die Straße gehen und sagen: ,Warum dürfen wir nicht in einem freien, demokratischen Land leben, in einem Land, in dem nicht Oligarchen bestimmen, wie Richter urteilen oder Geld verteilt wird.‘ Vor dieser Grundidee der Freiheit hat Putin Angst, und deshalb versucht er, eine Brandmauer zu bauen.
Das bedeutet allerdings auch: Die EU ist für den Kreml mindestens genauso bedrohlich wie die Militärallianz Nato.
Ja. Die Idee, für die die EU steht, ist das Bedrohliche für Putin. Deshalb müssen wir für diese Idee gemeinsam eintreten. Im Wettbewerb Demokratie versus oligarchisch-autokratisches System Putin, da kann es für Europa keine Frage geben: Wir sind entschieden an der Seite der Ukraine und an der Seite der Opposition in Russland und Belarus. Daher auch mein Aufruf an Olaf Scholz: Er muss sich von der Schröder-SPD emanzipieren. Wir brauchen einen deutschen Bundeskanzler, der in diesen Fragen entschieden steht und klar den Preis für eine militärische Aggression gegen die Ukraine benennt.
Allerdings tut sich auch die Union mit einer klaren Festlegung schwer. Kann die Ostseepipeline angesichts der russischen Expansionspolitik in Betrieb gehen?
Nord Stream 2 ist am Ende, sollte es zu einer militärischen Eskalation kommen. Es geht um Krieg und Frieden. Wenn Putin in den Krieg zieht, ist Nord Stream 2 nicht mehr haltbar. Die Pipeline struggle von Beginn an ein Fehler, weil sie die Abhängigkeit Europas von Russland verstärkt und die EU auseinandertreibt. Wir hätten stärker auf Flüssiggas setzen sollen, das wäre vor 20 Jahren die richtige Entscheidung gewesen. Meine Erwartungshaltung gegenüber dem Europäischen Rat und auch gegenüber dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ist, Putin den Preis zu benennen. Je klarer die Folgen einer Aggression beschrieben werden, umso realistischer ist es, dass wir Krieg verhindern.
Aber ist es nicht die bittere Realität, dass wir von russischem Gasoline abhängig sind und Putin am längeren Hebel sitzt?
Die Frage ist, ob Russland partnerschaftlich mit uns zusammenarbeiten will. Selbst in den schwierigen Zeiten des Kalten Krieges struggle das Land ein stabiler Energielieferant. Ob das so bleibt? Das entscheidet sich in Moskau.
Es sieht derzeit nicht danach aus, dass der Kreml an einer konstruktiven Beziehung interessiert ist.
Ich weise aber darauf hin, dass unsere deutsche Energiepolitik ein selbst geschaffenes Dilemma ist. Wir haben zu stark auf Russland gesetzt. Jetzt müssen wir schleunigst über neue Quellen nachdenken. Zwischen Ägypten und Zypern gibt es zum Beispiel sehr interessante Gasfelder. Wir müssen Afrika zum Companion machen, breiter denken und raus aus dieser Fixierung auf Russland. Und klar ist auch: Je schneller es uns als Gesellschaft gelingt, auf regenerative Energiequellen umzusteigen, desto mehr Energieunabhängigkeit schaffen wir für Deutschland.
Frankreich will den Weg dorthin mit Atomstrom überbrücken. Müssen wir die Nuklearfrage neu diskutieren?
Deutschland hat eine Grundsatzentscheidung gefällt, nämlich aus der Kernkraftnutzung auszusteigen. Dafür gibt es einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Wir gehen unseren Weg und andere Länder ihren. Die neue niederländische Regierung etwa hat sich entscheiden, zwei neue Atomkraftwerke zu bauen. Das sollten wir auch in Europa respektieren – dass jeder seinen Weg geht. Sowohl Gasoline als auch Atomkraft sind realistisch betrachtet notwendig, um die Transformation hin zu regenerativen Energiequellen zu schaffen.
Dann können Sie additionally mit dem Vorschlag der Kommission, Gasoline und Atomkraft übergangsweise das Siegel der Nachhaltigkeit zu verleihen, intestine leben?
Wir sind nicht generell ablehnend, werden uns den Vorschlag im Parlament aber in aller Ruhe anschauen und uns dann positionieren.
Macron träumt von der Souveränität Europas – ein kühner Traum angesichts der derzeitigen Lage, in der in Moskau und in Washington über europäische Sicherheit entscheiden wird?
Es struggle auch ein kühner Traum, nach dem Zweiten Weltkrieg über die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich zu reden. Es struggle ein kühner Traum von Helmut Kohl, eine gemeinsame europäische Währung zu schaffen. Ich freue mich, dass wir auch wieder einmal träumen, dass wir wieder Lust auf Zukunft haben. Es geht in den nächsten zehn Jahren darum, ob wir unser Lebensmodell verteidigen können, das Modell von Freiheit, von Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung. Wir befinden uns in einem knallharten Wettbewerb der Systeme. Sowohl mit Russland als auch mit China. Auch vor dem Hintergrund, dass die Vereinigten Staaten leider im Inneren viele Herausforderungen haben, muss Europa endlich auf eigenen Beinen stehen.
Auch gegenüber China fällt es der EU schwer, eine klare Place zu beziehen.
Offensichtlich ist, dass China seine Ambitionen deutlich ausgeweitet hat und zum International Participant geworden ist, der Machtpolitik in sehr, sehr harter Diktion betreibt. Das bekommt derzeit Litauen zu spüren, als eines der kleineren Länder der EU.
Aus Verärgerung über Litauens Beziehungen zu Taiwan hat China einen umfassenden Wirtschaftsboykott erlassen. Zeigen wir genug Solidarität?
Es kann nicht sein, dass China kleine Staaten wirtschaftlich erpresst, um seine eigenen Interessen durchzusetzen, und sogar Firmen missbraucht, um Druck auszuüben. Diese Verhaltensweise ist inakzeptabel. Europa muss klar antworten, dass wir das nicht dulden und dass Litauen wieder auf die Importliste Chinas aufgenommen wird und wieder akzeptiert werden muss als Teil des europäischen Binnenmarkts. Klar ist auch: Europa braucht eine langfristige China-Strategie. Angela Merkel hatte es versucht, eine zu formulieren – und ist in der EU gescheitert. Und das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir uns nicht einigen können. Daher muss es jetzt unter französischer Präsidentschaft einen neuen Anlauf geben.
Sollte die EU als Ganzes ihre Beziehungen zu Taiwan vertiefen? Etwa indem sie ein Freihandelsabkommen anstrebt?
Ich werbe sehr dafür, dass wir die Gespräche mit Taiwan verstärken. Ich werbe aber auch dafür, dass wir bei der Symbolik vorsichtig vorgehen. Insgesamt muss spürbar sein, dass sich die Demokratien im asiatischen Raum auf uns als Companion verlassen können. Im Wettbewerb der Systeme ist Taiwan heute, was früher West-Berlin struggle: der Ort, an dem unser demokratisches Gesellschaftsmodell in direkter Nachbarschaft zu einem Systemrivalen darum kämpft, zu überleben. Wir müssen jene unterstützen, die für Demokratie und Rechtsstaat eintreten.
Mehr außenpolitische Handlungsfähigkeit und weniger energiepolitische Abhängigkeit gibt es nicht umsonst. Macron will daher die europäischen Schuldengrenzen aufweichen. Wie stehen Sie dazu?
Wir brauchen mehr Investitionen, das ist keine Frage. Aber auch Schulden, die für Investitionen verwendet werden, bleiben Schulden. Deshalb stehe ich zur stabilitätsorientierten Politik Europas. Souveränität heißt auch, eine stabile Währung zu haben. Was wir bei den Investitionen schaffen müssen, ist, endlich aus dem Staatsdenken rauszukommen. Wir haben ja viel privates Kapital, das nach Chancen sucht, Rendite zu erzielen. Kluge Politik muss versuchen, privates Kapital für die Zukunftsinvestitionen des Kontinents zu mobilisieren, dafür den richtigen Rahmen zu schaffen.
Wie bewerten Sie die Schuldensituation in Europa? Sind Sie beunruhigt?
Es wird viel zu viel über die Aufweichung von Regeln diskutiert – unter Billigung der neuen Bundesregierung. Und das in einer Scenario, in der wir wegen Corona wirklich maßlose, ja beängstigende Schuldenstände in den öffentlichen Haushalten sehen. In der Krisenzeit struggle es richtig, finanziell gegenzuhalten, aber jetzt müssen wir zu einigermaßen stabilen Haushalten zurückkommen. Wir als EVP-Fraktion werden die Kommission in die Pflicht nehmen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat sich in Brüssel als „freundlicher Falke“ vorgestellt, additionally als jemand, der sanft im Ton, aber hart in der Sache ist. Das müsste Ihnen doch eigentlich gefallen.
Die Berliner Place wird nicht nur mit Christian Lindner verbunden. Zwei Regierungsparteien, die SPD und die Grünen, zeigen sich offen dafür, die Schuldenregeln aufzuweichen. Auch der Besuch von Kanzler Scholz in Spanien deutet darauf hin, dass es einen Versuch der Sozialdemokraten in Europa gibt, den Stabilitätspakt aufzuweichen. Insofern: Die Place der Bundesregierung ist nicht klar, wir wissen nicht, wofür sie steht, auch in dieser Frage.
Wissen wir denn, wofür die Unionsparteien stehen? Am Wochenende wird Friedrich Merz den CDU-Vorsitz übernehmen. Teile der Foundation hoffen auf eine konservative Wende.
Sowohl Friedrich Merz als auch CSU-Chef Markus Söder haben deutlich gemacht, dass es keine Strategiediskussion in der Union gibt. Wir wissen, wofür wir stehen. Merz ist es in der schwierigen Part nach der Wahlniederlage intestine gelungen, die CDU zu stabilisieren. Das zeigen auch die Umfragen. Opposition ist kein Dash, sondern ein Langstreckenlauf. Die nächste landesweit stattfindende Wahl ist die Europawahl 2024. Wir wollen deutlich machen, dass wir die Parteien sind, die den richtigen Plan haben, wie wir diesen Kontinent zusammenführen und in eine gute Zukunft bringen können.
Herr Weber, vielen Dank für das Interview.
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