Christoph Herwartz, Korrespondent im Handelsblatt-Büro in Brüssel, analysiert Tendencies und Konflikte, Regulierungsvorhaben und Strategiekonzepte aus dem Innenleben der EU. Denn wer sich für Wirtschaft interessiert, muss wissen, was in Brüssel läuft. Sie erreichen ihn unter [email protected]
Brüssel Die Zukunft der Energiewirtschaft soll sensible sein: vernetzt und flexibel. Eine Windflaute in der Nordsee soll ausgeglichen werden durch den Sonnenschein in der spanischen Wüste oder die Wasserkraft aus Schweden.
Tatsache ist aber: Die europäischen Energienetze sind dafür nicht ausgelegt. Für die klimaneutrale Zukunft fehlen nicht nur Offshore-Felder und Solarparks, sondern auch die Kabel, um den Strom zu verteilen.
Deutschland kennt das Drawback: Bis der Strom vom Norden in den Süden fließen kann, ist noch eine unüberschaubare Anzahl an Planungen, Genehmigungsverfahren und Bürgerbeteiligungen zu bewältigen.
Auf europäischer Ebene ist das Drawback um ein Vielfaches größer. Bis Strom aus Spanien in deutschen Steckdosen ankommen könnte, bräuchte es Übertragungsleitungen quer durch Frankreich. Die gibt es nicht. Das spanische und das französische Netz sind überhaupt nur dürftig miteinander verbunden, so wie viele andere Netze in der EU.
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Den Kontinent mit einem Netz von Hochspannungsleitungen zu überziehen liegt nicht in der Kompetenz der EU. Sie begnügt sich darum mit der Förderung von Interkonnektoren, additionally Schnittstellen zwischen den Netzen benachbarter Mitgliedstaaten.
So richtig in Fahrt kommt auch das nicht. Manche Vorhaben wurden schon vor Jahren als „Projekt von gemeinsamem Interesse“ definiert, ohne dass sich viel getan hätte. Meist liegt es wohl daran, dass es die Netzbetreiber auf beiden Seiten nicht als ihre Aufgabe sehen, solche Projekte voranzutreiben. Am Geld mangelt es zumindest nicht, heißt es in Brüssel.
Deutschland könnte bei einer Gasknappheit über spanische LNG-Terminals mit Flüssiggas versorgt werden
Ein Projekt, das weit fortgeschritten ist, ist der Interkonnektor zwischen Deutschland und Großbritannien. Die Briten beziehen bislang einen großen Teil ihres Stroms aus Irland und Frankreich. In einigen Jahren sollen sie dann auch deutsche Kraftwerke nutzen können und – so die Vorstellung der Briten – selbst Windstrom exportieren.
Windparks, die gerade gebaut werden, sollen direkt an die Netze mehrerer Länder angeschlossen werden. So entstehen größere Räume, in denen sich Stromangebot und -nachfrage ausgleichen können.
Das sind die richtigen Ansätze. Einen Plan, wie sich Strom europaweit austauschen lassen könnte, gibt es aber nicht.
>> Lesen Sie hier: Das warfare doch noch kein Streit – Die Taxonomie ist erst der Anfang
Beim Gasoline sieht es etwas besser aus: Viele Pipelines wurden auf „reverse movement“ umgestellt. Sie können dann nicht nur Gasoline aus dem Osten in den Westen bringen, sondern es auch in die andere Richtung leiten. Das warfare eine Folge der Gaskrise von 2009, als sich Russland und die Ukraine nicht auf Konditionen für die Durchleitung einigen konnten und manche Staaten nicht mehr beliefert wurden.
Damit besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass Deutschland bei einer Gasknappheit, wie es sie derzeit gibt, über spanische LNG-Terminals mit Flüssiggas versorgt wird. In Zukunft könnte auf demselben Weg Wasserstoff nach Europa gebracht und verteilt werden.
Aber auch für Gasoline gibt es zu wenige Übergabestellen zwischen den Netzen der EU-Staaten. Die Menge, die über Spanien kommen könnte, ist darum sehr begrenzt. Ein „Hydrogen Spine“, additionally ein europaweit leistungsfähiges Netz für Wasserstoff, ist bislang nur eine Imaginative and prescient ohne konkreten Umsetzungspfad.
Absurd, finden viele in Brüssel. Quick alle Güter lassen sich im EU-Binnenmarkt ungehindert handeln, nur bei der Energie fehlen dafür die Voraussetzungen. Mit der Taxonomie hat die EU gerade für alle Staaten bis ins Feinste definiert, welche Energieerzeugung als nachhaltig gelten soll. Es gibt einen europaweiten Emissionshandel für CO2, der CO2-Grenzausgleich soll Europa schützen vor schmutzigen Billigimporten, und die anderen Gesetze des „Match for 55“-Pakets werden europaweit definieren, wie der Weg in die klimaneutrale Zukunft verläuft.
Die EU hat die Klimapolitik an sich gezogen. Aber bei der Frage, wie Energie erzeugt und verteilt wird, ist sie noch immer machtlos.
Mehr dazu: Deutschland baut sein Stromnetz radikal um – Das sind die drei größten Baustellen.