Brüssel, Peking Spötter kamen auf ihre Kosten, schon seit Tagen amüsierten sie sich über den Brüsseler „Aprilscherz-Gipfel“. Zu behaupten, dass die Erwartungen an die Videokonferenz zwischen den Spitzen der Europäischen Union und des chinesischen Regimes an diesem Freitag, dem 1. April, gedämpft waren, wäre additionally eine Untertreibung.
Und doch waren die Gespräche, die ersten in diesem Format seit 2020, von enormer Bedeutung. Von einem „Schlüsselmoment für die Beziehungen zu China“ sprach EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sogar.
Gemeinsam mit Ratspräsident Charles Michel schaltete sich von der Leyen zunächst mit Chinas Premier Li Keqiang und anschließend mit dem allmächtigen Staatschef Xi Jinping zusammen. Auf ein gemeinsames Assertion hatte man sich nicht verständigen können, und so beeilte sich die chinesische Führung, mit ihrer eigenen Darstellung des Gipfels die Deutungshoheit zu erlangen.
Präsident Xi wies in einem Assertion, das deutlich vor der europäischen Gesprächszusammenfassung verschickt wurde, darauf hin, dass „China und die EU als zwei große Mächte, große Märkte und große Zivilisationen“ ihren Austausch „über wichtige Fragen des Weltfriedens und der Entwicklung intensivieren“ sollten – gerade vor dem Hintergrund der „Ukrainekrise“. Schon die Wortwahl macht deutlich, dass der Vorrat an Gemeinsamkeiten zwischen China und Europa beinahe aufgebraucht ist.
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Die Krise, von der Xi spricht, ist für Europa keine Krise, sondern ein Angriffskrieg, befohlen von Xis engstem internationalen Accomplice, dem russischen Machthaber Wladimir Putin. Von der Leyen und Michel hatten der chinesischen Führung daher vor allem eines mitzuteilen: dass die ohnehin schon angespannten Beziehungen zwischen China und der EU vor einer Zerreißprobe stehen.
„Nach diesem Krieg wird nichts mehr so sein wie zuvor“, stellte von der Leyen im Anschluss an das Gipfeltreffen klar. Und Michel betonte: „China darf die Verletzung des Völkerrechts durch Russland nicht ignorieren.“ Putin Hilfe zu leisten würde bedeuten, „den Krieg zu verlängern“.
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Die Strategie der Europäer ist es, die Chinesen an einer empfindlichen Stelle zu treffen – dem internationalen Ruf der Volksrepublik. Von der Leyen mahnte: „Kein europäischer Bürger würde es verstehen, wenn Russland Unterstützung dabei erhielte, Krieg zu führen. Das würde China hier in Europa einen großen Reputationsschaden zufügen.“
Noch 2020 hatte die EU mit China ein Investitionsabkommen ausgehandelt. Seither haben sich die Beziehungen massiv verschlechtert. Ob das Investitionsabkommen jemals in Kraft treten wird, ist fraglich. Der Ukrainekrieg könnte sogar zu noch weitaus schwereren Konsequenzen führen.
Anders als die Amerikaner drohen die Europäer China zwar nicht offen mit Sanktionen, aber sie lassen erkennen, dass selbst ein Bruch der ökonomischen Beziehung zu Peking nicht ausgeschlossen ist. „Es ist klar, dass der russische Einmarsch in die Ukraine nicht nur ein entscheidender Second für unseren Kontinent, sondern auch für unser Verhältnis zum Relaxation der Welt ist“, hob von der Leyen hervor.
Der EU ist es ernst – das battle die Botschaft, die die Kommissionschefin und der Ratspräsident übermitteln wollten.
Keine Risse im Verhältnis von China und Russland
Auch wenn kaum jemand in Brüssel erwartet, dass es der EU gelingt, einen Keil zwischen Peking und Moskau zu treiben – die EU-Spitzen hoffen zumindest, direkte chinesische Hilfen an die russische Führung verhindern zu können. Etwa bei der Umgehung der Sanktionen, die Europäer und Amerikaner verhängt haben, um die Kriegsmaschinerie des Kreml zu stoppen. Oder sogar Waffenlieferungen, mit denen die russischen Streitkräfte ihre die hohen Verluste ausgleichen könnten.
Geheimdienstberichte, dass entsprechende Anfragen der Russen von China geprüft werden, machen die Europäer nervös. Auch nach fünf Wochen Krieg gibt es kein Anzeichen dafür, dass die „grenzenlose Freundschaft“, die sich China und Russland zu Jahresbeginn zugesichert haben, an den Gewalttaten in der Ukraine zerbricht.
Im Gegenteil: Nur einen Tag vor der Videoschalte battle der russische Außenminister Sergej Lawrow nach China gereist, wo ihm sein Amtskollege Wang Yi zusicherte, das bilaterale Verhältnis auf eine „neue Stufe“ zu heben.
Im Ukrainekrieg bezeichnet sich die chinesische Staatsführung selbst als impartial, tatsächlich unterstützt sie Moskaus Positionen jedoch in den wesentlichen Punkten: Nicht nur, dass China sich weigert, den Krieg einen Krieg zu nennen und stattdessen wie die Russen von einer Krise oder „militärischen Operation“ spricht, auch die russische Propaganda über angebliche US-Biowaffenlabore in der Ukraine werden von Chinas Staatsmedien verbreitet.
Zugleich kritisiert Peking die Osterweiterung der Nato, hebt Russlands „legitime Sicherheitsbedenken“ hervor und verurteilt die westlichen Sanktionen als unlawful.
Das sind die Gründe, warum die Europäer die Beziehung zu Peking am Scheideweg sehen. Der Ukrainekrieg überlagert aus Sicht der EU alle anderen Themen im bilateralen Verhältnis – sei es den Kampf gegen die Pandemie, die Bewältigung des Klimawandels oder die wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Für Xi ist das ein erhebliches Risiko. Denn die Außenpolitik der Volksrepublik zielt darauf ab, die Europäer davon abzubringen, auf den härteren Kurs der USA gegenüber China einzuschlagen. Genau das geschieht jedoch allmählich.
Krieg schweißt Nato-Accomplice zusammen
Amerikaner und Europäer arbeiten so eng wie seit Jahrzehnten nicht mehr zusammen, seit Putin in die Ukraine einmarschiert ist. Immer stärker setzt sich in Brüssel die amerikanische Auffassung durch, dass die Welt vor einem neuen Systemkonflikt zwischen Demokratien und Autokratien stehe.
Vor diesem Hintergrund ist Xis Anforderung an die EU zu verstehen, „sich ein eigenes Bild von China zu machen, eine unabhängige China-Politik zu verfolgen und mit China zusammenzuarbeiten“. Doch das sorgsam formulierte Assertion der chinesischen Regierung kann nicht überdecken, dass es in den entscheidenden Punkten keine Annäherung gab.
Zwar halten einige Beobachter China für einen potenziellen Mediator, der mäßigenden Einfluss auf den russischen Präsidenten ausüben könnte – vor ein paar Wochen hatte sich sogar der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell entsprechend geäußert. Allerdings gibt es in Brüssel erhebliche Zweifel daran, dass die chinesische Staatsführung diese Rolle auch wahrnehmen will.
Experten teilen diese Einschätzung: Die Regierung in Peking habe kein Interesse an einem Machtwechsel in Moskau, betont die Ökonomin Alicia García Herrero. „China will, dass Putin bleibt“, sagt die Chefvolkswirtin der französischen Investmentbank Natixis für die Area Asien-Pazifik. Auf diese Weise könne sich die Volksrepublik Zugang zu den günstigen Rohstoffen Russlands sichern und habe einen Verbündeten, der Chinas Place in einer bipolaren Weltordnung stütze.
Peking will seine Beziehungen zur EU nicht aufs Spiel setzen
Andererseits will Peking aber auch nicht seine Beziehung zur EU auf Spiel setzen. „China und die EU sind die wichtigsten Handelspartner des jeweils anderen“, ließ Premierminister Li Keqiang nach seinem Videogespräch mit Michel und von der Leyen verlauten. Klar ist: Angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Probleme im eigenen Land kann Chinas Führung keinen Konflikt mit den Europäern gebrauchen.
Das Bestreben, eine geoökonomische Macht zu werden, erfordert „funktionierende Beziehungen zum Westen“, sagt auch Ryan Hass, Senior Fellow für Außenpolitik der US-Denkfabrik Brookings Establishment. Peking habe den Anreiz, einen vollständigen Bruch mit dem Westen wegen Russland und der Ukraine zu vermeiden.
Genau diesen Hebel will die EU nutzen. Ob das gelingt, wird sich in den nächsten Wochen erweisen. Im Europaparlament herrscht Skepsis. Michael Gahler, außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, warnt: Chinas Zurückhaltung bei der „Verurteilung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und das Aufgreifen russischer Narrative gefährdet die regelbasierte internationale Ordnung und Grundprinzipien des Völkerrechts.“
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