Thorsten Frei gehört zu den engsten Vertrauten von Friedrich Merz. Zwei Wochen vor der Europawahl spricht er über seine Sorge vor dem Erstarken der Rechtspopulisten und geht mit der eigenen Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen hart ins Gericht.
Thorsten Frei gehört nicht zu denen, die sich bewusst in den Vordergrund drängen. Der CDU-Politiker aus Donaueschingen ist inhaltlich zwar oft konservativer Hardliner. Aber Poltern? Sollen doch lieber die anderen machen.
Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb gehört Frei zum engsten Kreis um den Fraktionsvorsitzenden und CDU-Chef Friedrich Merz. In der Partei wird längst vermutet, Merz könne Frei zu seinem Kanzleramtschef machen, sollte die Union mit ihm als Kandidaten die nächste Wahl gewinnen. Dann säße er im Zentrum der Macht.
Spricht man Frei auf sein Verhältnis zu Merz an, sagt er nur: „Ach, das kann ich ja gar nicht bewerten, zu welchem Kreis ich gehöre.“ Auf die Frage, ob im Herbst nicht alles auf den CDU-Chef als Kanzlerkandidaten hinauslaufe, weicht Frei aus, wie derzeit jeder in der Union. Doch während andere gerne betonen, wie viel Zeit bis dahin noch ist, und wie viel da noch passieren könne, sagt Frei: „Friedrich Merz wäre ein exzellenter Bundeskanzler.“
t-online: Herr Frei, in etwa zwei Wochen ist Europawahl. Viele befürchten, es könnte eine „Denkzettel-Wahl“ werden. Sie auch?
Thorsten Frei: In vergangenen Wochen bin ich viel im Wahlkampf unterwegs gewesen, und so richtig ist es bislang noch nicht gelungen, die Menschen für die Wahl zu mobilisieren. Dabei ist die Rolle des Europäischen Parlaments in den vergangenen Jahren wichtiger geworden als je zuvor. Wer denkt, dass egal ist, was da passiert, der irrt gewaltig.
Wo nimmt die EU denn großen Einfluss?
Denken Sie nur an das Aus für den Verbrennermotor. Diese Entscheidung wird bis 2035 massive Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben. Da wird einem wirklich bewusst, wie weitreichend die Entscheidungen sind, die dort gefällt werden. Das darf man nicht unterschätzen. Für uns steht fest: Diese Entscheidung werden wir revidieren.
Wie beeinflusst der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die kommenden Wochen und die Wahl als solche?
Der russische Angriffskrieg zeigt uns einmal mehr, dass die europäischen Nationalstaaten für geopolitische Fragen als Regelsetzer zu klein sind. Und es macht ganz besonders deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns in der europäischen Zusammenarbeit weiterentwickeln. Dabei sollten wir den Grundsatz der Subsidiarität aber immer im Blick behalten.
Die EU muss sich nicht um jedes Thema kümmern, sondern um die Themen, wo es wirklich den Unterschied machen kann. Und wenn es um Sicherheit, um Freiheit und Frieden auf unserem Kontinent geht, dann ist es unzweifelhaft so.
Sollten uns vor der Illusion hüten, dass die Art, wie wir heute leben, für alle Zukunft gesichert ist.
Thorsten Frei
Ist das Europa, wie wir es kennen, gefährdet?
Wir sollten uns vor der Illusion hüten, dass die Art, wie wir heute leben, für alle Zukunft gesichert ist. In den allermeisten Staaten der Erde haben wir es nicht mit liberalen Demokratien, mit Rechtsstaaten zu tun. Sondern ganz im Gegenteil häufig mit Autokratien jedweder Passform. Deswegen dürfen wir uns nicht zurückzulehnen. Wir müssen unsere Demokratie mehr denn je schützen, jeden Tag aufs Neue.
Wie viel Sorge bereitet es Ihnen vor dem Hintergrund, dass populistische Parteien gerade in immer mehr europäischen Ländern im Aufwind sind?
Das besorgt mich sehr. Und es muss unser oberstes Ziel sein, diese Entwicklung zu stoppen. Das gilt insbesondere auch für Deutschland.
Wir sprechen hierzulande immer über die Brandmauer. Gibt es auf europäischer Ebene nicht längst einen „normaleren“ Umgang mit Rechtspopulisten?
Die Parteien anderer Länder sind sicher nicht eins zu eins mit dem Spektrum in Deutschland vergleichbar. Mehrheitsbildungen im Europäischen Parlament sind ungleich komplexer und volatiler, als das beispielsweise im Deutschen Bundestag der Fall ist. Und deswegen, glaube ich, muss man dem auch mit einem gewissen Respekt begegnen.