Frankfurts Bahnhofsviertel ist nicht gerade eine Visitenkarte für die Stadt. Das bemerken nun auch englische Medien – und warnen ihre Fußballfans vor einer Reise dorthin.
Wer mit dem Zug nach Frankfurt reist, wird es kennen. Kaum ausgestiegen und durch den Hauptbahnhof der Bankenmetropole gegangen, findet sich der Besucher in, nun ja, gewöhnungsbedürftiger Atmosphäre wieder. Schütter aussehende Gestalten bevölkern die Straßen, in den Ecken stehen wenig vertrauenerweckende Mitbürger. Man würde hier nicht unbedingt zum Picknick verweilen wollen, aber das gilt für manch andere deutsche Bahnhofsviertel auch.
Was das britische Revolverblatt „The Sun“ nun über die unmittelbare Umgebung des Verkehrsknotenpunkts berichtet, dürfte die Stadtväter und -mütter nicht erfreuen. Vom „gefährlichsten Slum Deutschlands“ spricht die Boulevardzeitung, ohne zu sagen, aus welcher Quelle sie diesen Titel bezieht. Überschrieben ist der Schreckensbericht mit der Schlagzeile „England in Zombieland“.
Die „Sun“ nimmt damit Bezug auf Frankfurt als Austragungsort der Europameisterschaft 2024 im Sommer. Anlass der britischen Erregung ist eine Empfehlung des europäischen Fußballverbands Uefa. Die rät englischen Fans zur Übernachtung in eben jenem Bahnhofsviertel, aus den naheliegenden Gründen: Die Wege seien von dort kurz, das Frankfurter Stadion gut zu erreichen, wie auch der Flughafen. Das stimmt.
Waffenverbot gilt nur während der Nacht
Es stimmt auch, dass Frankfurt rund um den Hauptbahnhof seit Jahren ein ausgeprägtes Drogen- und Kriminalitätsproblem hat. Wie die „Sun“ ihren Lesern zu berichten weiß, mache eine neue Kombination harter Drogen aus Crack und Kokain die Abhängigen im Bahnhofsviertel noch aggressiver als ohnehin schon. Dadurch steige auch die Kriminalitätsgefahr weiter an. Das englische Boulevardblatt wähnt die Anhänger der „Three Lions“ daher schon im „Zombieland“, sollten sie dort während der EM übernachten.
Die Lokalpolitik und Frankfurts Sicherheitsbehörden versuchen dem Problem seit Langem Herr zu werden. Erst vergangenen November führte Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) per Verfügung eine Waffenverbotszone rund um den Bahnhof ein. Das Verbot soll die zuletzt gehäuft auftretenden Messerstechereien eindämmen, es gilt allerdings nur von 20 Uhr abends bis 5 Uhr morgens. Auch die Polizeikontrollen wurden ausgeweitet.
Was in Deutschland wohl die Wenigsten überrascht, nämlich die Tatsache, dass die Gegend um den Frankfurter Bahnhof eine Problemzone ist, sorgt in England nun offenbar für Entsetzen. Von 5.000 Drogenjunkies und 300 Dealern will die „Sun“ wissen – und bezieht sich dabei auf einen Bericht eines anderen Boulevardblatts, der „Bild“-Zeitung. Die beschrieb im vergangenen Jahr die Zustände in Frankfurts Mitte ausführlich in einer Serie, die sich mit Deutschlands gefährlichsten Vierteln auseinandersetzt (und in beinahe jeder größeren deutschen Stadt einen Kriminalitäts-Hotspot ausfindig macht).
Subjektives Sicherheitsgefühl soll zuletzt gestiegen sein
In der Tat ist das Kriminalitätsproblem und die offene Drogenszene in Frankfurts Bahnhofsviertel seit Jahren Gegenstand politischer Diskussionen. Parteien wie die FDP fordern ein härteres Durchgreifen der Sicherheitsbehörden, die mitregierenden Grünen in der „Römer“-Koalition (benannt nach dem Frankfurter Rathaus) sind dagegen skeptisch, wenn es um die Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen geht.
Dennoch weitete die Stadt im Januar auch die Videoüberwachung aus. Offenbar zeitigte dieses Vorgehen zumindest einen kleinen Erfolg: So sei das subjektive Sicherheitsgefühl unter Passanten und Gewerbetreibenden zuletzt gestiegen, berichtet die „Frankfurter Neue Presse“ (FNP).
Ob die Maßnahmen genügen, um das subjektive Sicherheitsgefühl bis zum EM-Beginn in gut zwei Monaten zu steigern, wird sich zeigen. Für die England-Anhänger, die ihr Team beim Gruppenspiel gegen Dänemark in der Frankfurter Arena unterstützen, ist es für Buchungsänderungen ohnehin fast schon zu spät. Wie die „Sun“ berichtet, haben die meisten von ihnen ihre Unterkünfte bereits lange im Voraus gebucht, Umbuchungen würden nun vermutlich sehr teuer werden.