Damit sie nie erwachsen wird
Australische Eltern ließen 17-Jährige fast verhungern
18.02.2025 – 19:30 UhrLesedauer: 3 Min.
Dieser Prozess hat Australien aufgewühlt: Eine 17-Jährige wog bloß so viel wie eine Neunjährige – doch die Eltern verweigerten medizinische Behandlung. Jetzt wurden sie verurteilt.
Ein nur schwer zu verstehender Kriminalfall hat in Australien hohe Haftstrafen für ein Elternpaar nach sich gezogen. Ein junges Mädchen wäre fast verhungert, weil die Eltern ihm nach Überzeugung des Bezirksgerichts von Westaustralien jahrelang nicht ausreichend zu essen gaben.
Der Vater wurde zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, die Mutter erhielt eine Haftstrafe von fünf Jahren. Die laut Gericht so schwer von den Eltern gequälte Tochter verfolgte die Urteilsverkündung im Gerichtssaal in Perth – und brach weinend zusammen, als Richterin Linda Black das Strafmaß verkündete.
Zuvor hatte ihr der Vater australischen Medien zufolge Kusshände zugeworfen, als er auf die Anklagebank geführt wurde. Und sie hatte in einem Brief an die Richterin geschrieben: „Wenn meine Eltern ins Gefängnis gehen, werde ich das, glaube ich, nicht verkraften.“
Und das, obwohl die Eltern die heute 20 Jahre alte Frau vor einigen Jahren beinahe hätten sterben lassen. Besorgte Mitmenschen hatten die Behörden alarmiert, die damals 17-Jährige wurde in ein Krankenhaus eingeliefert. Sie wog nur noch 27 Kilogramm bei einer Größe von 1,47 Metern.
Ihr Haar war brüchig, die Haut trocken und schuppig. Die Jugendliche wies keine Anzeichen von Pubertät auf, ihr Puls war erhöht, ein plötzlicher Herzstillstand drohte. Doch als die Ärzte ein EKG machen wollten, weigerten sich die Eltern, dem zuzustimmen.
Sie sagten der Tochter laut Richterin Black sogar, ihr Bauch sehe voll aus. Und sie flüsterten ihr ein: Wenn sie dem ärztlichen Rat folge, werde sie womöglich noch dick. Erst als die Behörden die Jugendliche in Obhut nahmen und sie so dem Zugriff der Eltern entzogen, entwickelte sie sich und nahm an Gewicht zu.
Über das mutmaßliche Motiv der Eltern für ihr Verhalten sagte die Richterin: Das Paar habe das Kind offensichtlich geliebt. Es habe die Tochter zum Klavier- und zum Ballettunterricht gebracht. Nur: „Sie durfte nie erwachsen werden.“
Im Haus der Familie sei nichts „auch nur annähernd altersgerecht“ gewesen, erklärte Richterin Black. Die Familie habe zusammen Serien und Filme für Kleinkinder geschaut, etwa die „Teletubbies“, „Die Eiskönigin“ oder „Thomas, die kleine Lokomotive“. Es kam ans Licht, dass die Eltern ihrer Tochter immer noch den Po abwischten, wenn diese auf der Toilette gewesen war. Und: Der Vater fälschte sogar die Geburtsurkunde und machte seine Tochter zwei Jahre jünger, um die immer offensichtlicher werdende Diskrepanz von Alter und Erscheinung zu verschleiern.
Die Richterin im Urteil: „Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn Eltern an ihrem Kind hängen und es nur ungern gehen lassen.“ Aber es sei unverzeihlich, wenn sie sich dem natürlichen Prozess mit aller Macht entgegenstellen würden.
Die Eltern zeigten sich unterdessen uneinsichtig und unzufrieden mit dem Urteil. „Mein Mandant ließ sein Kind nicht hungern“, behauptete der Anwalt des Vaters nach dem Prozess. Der Vater habe seiner Tochter nie Essen vorenthalten, sagte der Verteidiger laut CNN. „Er liebte und verwöhnte sie. Sie durfte so viel essen, wie sie wollte.“ Nur sei sie eben eine pingelige Esserin gewesen.
Die inzwischen 20-Jährige selbst teilte in einer Stellungnahme mit, sie habe ein ruhiges Leben geführt, wie es für ein Kind angemessen gewesen sei. „Ich will mein Leben zurück, auch wenn ich weiß, dass das nie passieren wird. Dieser Fall wird mich immer verfolgen.“
Die Richterin wertete die Worte der Tochter als weiteren Beleg für ihre These: Die Eltern hatten es darauf abgesehen, ihr Kind in ewiger Abhängigkeit zu halten.