Der Bundeskanzler duckt sich in der Debatte weg und verweist auf die parlamentarischen Abläufe
Bundeskanzler Olaf Scholz muss zwei vollmundige Versprechen kassieren. Da struggle zum einen die Ankündigung, bis 7. Januar 80 Prozent Erstimpfungen vorweisen zu können. Es sind nur 75 Prozent geworden. Das könnte man allerdings noch als Kleinigkeit abtun. Bei dem anderem Thema geht es aber um Grundsätzliches.
SPD-Politiker Scholz hatte vor Weihnachten für seine Verhältnisse apodiktisch eine Impfpflicht bis Ende Februar oder spätestens Anfang März versprochen. Das lässt sich nicht halten. Die Ampelkoalitionäre bemühen sich jetzt alle, die parlamentarischen Abläufe dafür verantwortlich erscheinen zu lassen.
Manche führen sogar die Karnevalszeit als Grund für die Verzögerung an. Dabei wird am Rhein wegen Omikron das Feiern größtenteils ausfallen. Jetzt soll die Impfpflicht erst im Mai oder Juni kommen. Das finden viele auch politisch opportun.
Die FDP hat die heftigste innerparteiliche Debatte. Wenigstens ein Drittel der Abgeordneten ist gegen eine Impfpflicht. Die Grünen, die noch bei der Masern-Impfpflicht die größten Bauchschmerzen hatten, demonstrieren nach außen Geschlossenheit. Wenn man aber unter den Grünen-Abgeordneten eine Umfrage machen würde, dann wäre das Ergebnis unklar.
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Die SPD denkt vor allem pragmatisch. Sollte sich bewahrheiten, dass Omikron flächendeckend milde Verläufe auslöst, wäre eine Impfpflicht ohnehin obsolet. Auch die Union ist nicht sortiert. Während der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dafür ist, zeigt sich der designierte CDU-Chef Friedrich Merz skeptisch.
Orientierungsdebatte grenzt an Volksverdummung
Was machen Parteien, wenn sie selbst orientierungslos sind? Sie vereinbaren eine Orientierungsdebatte. Das grenzt an Volksverdummung. Es handelt sich ganz klar um ein Spielen auf Zeit. Die Verlierer sind die Bürgerinnen und Bürger. Ihnen wird gerade keine Orientierung gegeben.
Drei Viertel der Bevölkerung sind ohnehin vernünftig. Sie haben sich impfen lassen und viele brauchten dazu die Drohung mit der Impfpflicht nicht. Für die Impfskeptiker ist es Wasser auf die Mühlen.
Die Radikalen unter ihnen haben neue Munition gegen die Coronapolitik. Die eher Trägen fühlen sich in ihrer Skepsis bestätigt. Und insgesamt wird das Thema Impfen mal wieder von der Politik zerredet.
Jetzt bräuchte es eigentlich Führung. Scholz hat immer gesagt: Wer Führung bei mir bestellt, bekommt sie auch. Der Bundeskanzler duckt sich weg und verweist auf die parlamentarischen Abläufe. In der Pandemie ist solch ein unentschlossenes Handeln unverantwortlich. Die Politik geht mal wieder eine gefährliche Wette im Kampf gegen Corona ein.
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