Die Frage, wie sich die Finanzierung von Präsident Putins Kriegsmaschinerie am besten stoppen lässt, harrt allerdings noch einer überzeugenden Antwort – obwohl die Diskussion über ein umfassendes Rohöl- und Erdgasembargo knapp fünf Wochen nach Kriegsbeginn bereits voll entbrannt ist.
Diese Strafmaßnahme würde Russlands Wirtschaft womöglich schnell in die Knie zwingen. Mit dem Verzicht auf russische Energieimporte ist die Hoffnung verbunden, Putin zum Einlenken zu bewegen. Immerhin stammen ja 40 Prozent der russischen Staatseinnahmen aus dem Öl- und Gasexport, wobei quick 30 Prozent auf die Öllieferungen entfallen. Bekanntlich könnte ein Lieferstopp aber auch in den Abnehmerländern zu spürbaren wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen führen.
Dieses Dilemma hat zu einer zunehmend verhärteten Debatte geführt, bei der die tödliche Tragödie in der Ukraine und die Nachhaltigkeit der Sanktionen gegeneinander in Stellung gebracht werden. Zurück bleiben eine ratlose westliche Öffentlichkeit, ein vehement Solidarität einfordernder ukrainischer Präsident – und eine streitende ökonomische Zunft.
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Klar ist: Welche weiteren Sanktionen empfehlenswert sind, hängt von zahlreichen, auch nicht-ökonomischen Faktoren ab.
Eine abschließende Bewertung ist Sache der Politik
Wir können das nicht abschließend bewerten – das ist Aufgabe der Politik. Allerdings sollte die Diskussion über ein westliches Öl- und Gasembargo aus ihrer unnötigen Verengung befreit werden. Denn Putins fiskalischer Spielraum lässt sich in einer Weise verringern, von der der Westen idealerweise sogar profitieren könnte. Zunächst einmal muss man sich klarmachen: Ein vollständiges Embargo ist de facto eine prohibitiv hohe Importabgabe auf russisches Fuel und Öl.
Auf der anderen Seite wäre wirtschaftspolitisches Nichtstun gleichbedeutend mit einer Abgabe von null. Wenn die Politik jedoch nur auf diese beiden Pole schaut, schränkt sie ihren Handlungsspielraum unnötig ein. Eine Importabgabe, die zwischen diesen Extremen liegt, wäre kein fauler Kompromiss. Sie wäre geeignet, Nachteile der beiden extremen Politiken einzudämmen und gleichzeitig ihre Vorteile in wichtigen Bereichen zu entfalten.
Eine Abgabe irgendwo zwischen null und prohibitiv hat im Ergebnis mindestens drei ökonomische Effekte. Erstens können die Bezugspreise für die Abnehmer steigen und die Liefermengen sinken. Zweitens reduziert sich der Gewinn Russlands. Und drittens entstehen Einnahmen für den Westen, die sonst zumindest teilweise in Russlands Staatskasse geflossen wären.
Russland würde Einnahmen zugunsten des Westens verlieren
Die Größe dieser Effekte hängt davon ab, inwieweit Anbieter und Nachfrager den Preisveränderungen ausweichen können. Fließt beispielsweise das Fuel oder Öl durch eine Pipeline und stehen nur sehr teure oder begrenzte Transportalternativen zur Verfügung, kann der Anbieter nach der Einführung einer Importabgabe seine Energieexporte nur begrenzt in andere Länder ohne Abgabe umstellen. Auch dürfte es dem Fuel- oder Ölanbieter schwerfallen, die ökonomische Final der Abgabe über höhere Preise auf seine Kunden abzuwälzen, wenn diese über various Bezugsquellen verfügen.
Es spricht daher vieles dafür, dass bei einem klugen, gezielten Design der Abgabe Russland Einnahmen zugunsten des Westens verlieren würde – ohne dass der Westen vollständig auf russische Energie verzichten müsste. Putin könnte als Reaktion auf eine Importabgabe mit Gegenmaßnahmen drohen und zum Beispiel die Energieexporte einschränken oder gar stoppen – uns additionally den viel zitierten „Gashahn“ zudrehen. Dazu müsste er aber bereit und angesichts der hohen gegenwärtigen wirtschaftlichen Verluste auch fähig sein, auf substanzielle Einnahmen zu verzichten.
Im Übrigen sind solche und andere Vergeltungsmaßnahmen Moskaus natürlich auch als Antwort auf andere Sanktionen denkbar. Der Westen kann seine Place in diesem strategischen Spiel verbessern, wenn er sich mit aller Kraft auf ein mögliches Embargo vorbereitet. Das macht ihn weniger verwundbar gegenüber Vergeltungsmaßnahmen und dämmt zugleich mögliche unfavorable Effekte einer Importabgabe ein. Darüber hinaus sollte ein möglichst großes internationales Nachfragekartell angestrebt werden, das sich gemeinsam auf eine Untergrenze für die Abgabe einigt.
Die Importabgabe kann der jeweiligen Lage angepasst werden
Je größer das Kartell, desto effektiver und glaubwürdiger die Abgabe. Jedem Land wäre weiterhin freigestellt, ein vollständiges Embargo durchzusetzen, additionally eine Importabgabe in Höhe von 100 Prozent zu erheben. Doch wären wohl mehr Nachfrageländer bereit, dem Kartell beizutreten, wenn mittlere Abgaben ebenfalls willkommen sind.
Die Importabgabe hat noch einen weiteren strategischen Vorteil: Sie kann kontinuierlich der jeweiligen Lage angepasst werden, gleichsam als „versatile response“ auf Putins Gewalt gegen die ukrainische Zivilbevölkerung, auf mögliche Zugeständnisse der russischen Seite oder eine zunehmende Unabhängigkeit der westlichen Energieversorgung.
Die Möglichkeit einer stufenlosen Skalierung eröffnet dem Westen die Likelihood, nicht gleich alles darauf setzen zu müssen, Russlands Eskalationsbereitschaft oder die Robustheit der eigenen Wirtschaft gegen Energieschocks im Vorfeld richtig eingeschätzt zu haben.
Das Instrument der Importabgabe bietet auch aus moralischer Sicht Vorteile: Die von Russland zu bezahlenden Gelder könnten in einen Treuhandfonds fließen, der nach dem Krieg helfen kann, den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren und, jedenfalls sofern es dort Hoffnung auf eine Demokratisierung gibt, auch den ökonomischen Wiederaufbau in Russland.
Damit wäre der Treuhandfonds geeignet, das moralische Dilemma dieses die europäische Friedensordnung bedrohenden Krieges zumindest teilweise zu entschärfen – eines bewaffneten Konflikts, auf den der Westen zwar mit harten Sanktionen reagiert, in den er aber aus guten Gründen nicht direkt militärisch eingreifen möchte.
Wir sollten uns keiner Phantasm hingeben: Die Einführung einer westlichen Importabgabe auf russisches Öl und Fuel ist mit Hürden verbunden. Aber schon die ernsthafte Beschäftigung mit diesem Sanktionsinstrument, etwa im Rahmen der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7), würde im Kreml vermutlich sehr aufmerksam verfolgt.
Die Autoren: Ottmar Edenhofer ist Professor für die Ökonomie des Klimawandels an der Technischen Universität Berlin, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und des Mercator Analysis Institute on International Commons and Local weather Change.
Axel Ockenfels ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität zu Köln und dort Sprecher des Exzellenzzentrums für soziales und ökonomisches Verhalten. Er beschäftigt sich mit Marktdesign, Klimapolitik, Pandemiebekämpfung und anderen aktuellen strategischen Herausforderungen.
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