Der FC Bayern startet noch mit einigen Fragezeichen in die neue Saison. Für Goretzka könnte ein Abschied sinnvoll sein, für Tah ein Verbleib in Leverkusen.
Die Sommerpause ist vorbei und der FC Bayern startet am Freitag mit dem Pokalspiel in Ulm in die neue Saison. Der Supercup am Tag danach findet nach der ersten titellosen Saison seit zwölf Jahren dieses Mal ohne den Rekordmeister statt. Leverkusen und Stuttgart haben sich als Meister und Vizemeister die Teilnahme daran aber mehr als verdient. Für die Bayern ist das trotzdem ungewohnt und es tut ihnen sicher weh.
Es wird jetzt mit Sicherheit einen Angriff der Bayern auf die Meisterschaft geben. Einfach wird das aber nicht. Vor allem mit Leverkusen und Dortmund, das sich sehr gut verstärkt hat, haben sie schwierige Gegner, Leipzig lauert dahinter. Ich erwarte mindestens einen Dreikampf um die Meisterschaft. Auch den VfB Stuttgart sollte man nicht abschreiben. Sie haben ihre prominenten Abgänge gut aufgefangen. Es wird auf jeden Fall megaspannend.
Den Bayern sollte die enttäuschende vergangene Saison jetzt als Antrieb dienen. Ihr Anspruch muss es sein, wieder Meister zu werden und endlich auch mal wieder ins Pokalfinale zu kommen. Und in der Champions League findet das Finale ja dieses Mal in München statt. Auch das muss ihr Ziel sein.
Schon den Pokalauftakt in Ulm müssen sie aber sehr ernst nehmen. Ulm ist in die zweite Liga aufgestiegen, dort herrscht große Euphorie. Bayern ist dagegen noch nicht in seinem Rhythmus. Die vergangenen Jahre waren im Pokal mit dem frühen Ausscheiden gegen Kiel, Gladbach, Freiburg und Saarbrücken schlichtweg enttäuschend. So etwas darf jetzt nicht noch mal passieren. Ansonsten ist direkt wieder Feuer unterm Dach.
Generell sehe ich die Bayern aber gut für die neue Saison gerüstet. Mit Hiroki Itō, João Palhinha und Michael Olise wurden drei vielversprechende Neuzugänge verpflichtet. Dass sich Itō direkt schwer verletzt hat und mit einem Mittelfußbruch noch wochenlang fehlen wird, ist natürlich bitter. Der junge Nestory Irankunda ist ebenfalls ein sehr spannender Spieler.
Die größte Baustelle sehe ich weiter durch das Überangebot im zentralen Bereich. Was passiert mit Leon Goretzka? Und was mit Kingsley Coman und Serge Gnabry auf den Außenbahnen? Bekommen sie die noch verkauft oder wollen die Spieler überhaupt gehen?
Wenn sich das Transferfenster schließt und die Champions League dann losgeht und du gewisse Spieler nicht losbekommen hast, die aber keine Rolle spielen, dann kann das eine Gefahr sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass in Sachen Verkäufe noch etwas passieren wird. Das muss es eigentlich auch – vor allem mit Blick auf die eigene Zufriedenheit gewisser Spieler.
Stefan Effenberg (56) stammt aus Hamburg. Der Mittelfeldspieler gelangte über Borussia Mönchengladbach und die Münchner Bayern auch in die Nationalmannschaft, für die er 35 Länderspiele absolvierte. Mit Gladbach holte er den bis heute letzten Titel im DFB-Pokal 1995. Mit dem FC Bayern München gewann er 2001 als Kapitän die Champions League, darüber hinaus drei Deutsche Meisterschaften und zweimal den Pokal. In Florenz und Katar sammelte er Auslandserfahrungen. Nach dem Ende seiner Spielerkarriere machte der „Tiger“ in Paderborn als Trainer und in Krefeld als Manager Station. Vor allem aber ist er als meinungsstarker Fußball-TV-Experte und regelmäßiger Kolumnist von t-online bekannt.
Mit Palhinha hat Bayern jetzt die viel zitierte „Holding Six“, also einen ballsicheren und defensiv denkenden zentralen Mittelfeldspieler verpflichtet. Ich gehe davon aus, dass er und Kimmich jetzt eine Doppelsechs bilden und die Bayern auch in dieser Konstellation in die Saison starten werden.
Damit ergeben sich dann automatisch aber auch Fragezeichen hinter Aleksandar Pavlović, Konrad Laimer und eben Goretzka. Vor allem für ihn sehe ich die Konkurrenzsituation sehr schwierig. Er hat schon in den wichtigen Spielen der vergangenen Saison nicht gespielt, wurde nicht für die Heim-EM nominiert. Das sind alles große Rückschläge, die er verkraften muss.
Palhinha wird gesetzt sein und auch alle anderen Mittelfeldspieler sehe ich momentan vor Goretzka. Das muss er auch erkennen. Auf der einen Seite wünsche ich mir immer, dass die Spieler den Kampf um die Stammplätze annehmen. Auf der anderen Seite muss man als Spieler aber auch reflektieren, ob der Weg zu einem anderen Klub nicht vielleicht der bessere ist – gerade auch mit Blick auf die WM in zwei Jahren, bei der Goretzka dabei sein will. Da wäre es eine schlechte Entscheidung, bei Bayern zu bleiben und dann nur acht oder neun Spiele pro Halbjahr zu machen. Er sollte sich Gedanken machen, um wieder ein gesetzter Spieler zu sein.
Einen Abschied von Bayern würde ich auch nicht als Niederlage sehen. Man kann sich auch bei einem anderen Verein beweisen und wieder Top-Leistung bringen. Das haben genug andere Beispiele schon gezeigt. Als Spieler musst du manchmal vernünftige Entscheidungen treffen, um deine Zukunft zu sichern. Mal abwarten, wie Goretzka mit der Situation umgehen wird. Bis Ende August weiß er, wie mit ihm bei Bayern geplant wird.