In der Region Hannover verschärft sich die schlechte Situation in der Kinderbetreuung. Mit Folgen vor allem für die Eltern und ihre Kinder. Ein Fall aus Gehrden.
Die Stadt Gehrden bei Hannover plant, die Öffnungszeiten städtischer Kindertagesstätten zu beschränken. Betreuung gibt es dann ab dem 1. August nur noch von 7.30 bis 14 Uhr. Claudia Rathge arbeitet als Medizintechnik-Ingenieurin in einer Aufsichtsbehörde und ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Für sie wäre das ein herber Schlag: „Manchmal bin ich eineinhalb Stunden zu den Praxen unterwegs, die ich im Außendienst betreue“, erzählt sie. Viele lägen weit außerhalb der Region Hannover. Wenn der Gehrdener Rat diesen Beschluss fasst, drohten ihrer Familie gravierende wirtschaftliche Einschnitte.
„Wenn die Satzungsänderung kommt, muss ich meinen Job an den Nagel hängen“, sagt Rathge. Sie ist mit ihrer Verzweiflung nicht alleine: Vor der Ausschusssitzung am Dienstagabend hatten eine Stunde zuvor mehr als einhundert Eltern mit ihren Kindern vor dem Gehrdener Rathaus demonstriert.
Die Problematik ist nicht neu; mit Barsinghausen und Laatzen haben andere Kommunen in der Region bereits ähnliche Beschlüsse gefasst. Andere stehen laut t-online-Informationen offenbar kurz davor. Hintergrund der Kita-Krise ist das Niedersächsische Gesetz über Kindertagesstätten und Kindertagespflege (NKiTaG). Das schreibt eine Mindestanzahl an qualifizierten Erziehern vor – auch in den Randzeiten. Die Folge: In Gehrden kann das nicht sichergestellt werden, es gibt zu wenig Fachkräfte.
Bundesweit herrscht ein Mangel an Krippenplätzen und eine ungleiche Verteilung des Personals. Insbesondere in den westdeutschen Bundesländern fehlen nach aktuellen Berechnungen der Bertelsmann Stiftung rund 385.900 Kita-Plätze. Der Bedarf steigt dagegen stetig an.
Kita-Krise: Personalmangel trotz Bewerbern
„Was willst du als Kommune auch tun, wenn du einfach keine Erzieher hast?“, fragt etwa Elternvertreter Göray Aktas. Sein eigener Sohn habe wegen spontaner Ausfälle und dünner Personaldecke seit dem Sommer seine Kita kaum mehr von innen gesehen. „Verglichen mit anderen Städten ergeht es den Gehrdener Eltern jedoch noch vergleichsweise gut“, so Aktas weiter. Andernorts sei die Entscheidung zu kürzeren Öffnungszeiten von jetzt auf gleich gekommen.
Bürgermeister Malte Losert (parteilos) erklärt das Problem bei der Stellenbesetzung: „Wir haben aktuell acht Erzieherstellen ausgeschrieben.“ Bewerben würden sich allerdings vor allem Sozialassistenten, pädagogische Fachkräfte oder Quereinsteiger. „Wenn wir die nehmen dürften, wäre das Problem der Betreuung größtenteils gelöst“. Aber selbst erfahrene Fachkräfte aus diesen Bereichen lehne das Kultusministerium auf Grundlage des KiTa-Gesetzes ab. Auch die Zusammenlegung von Kita-Gruppen habe das Kultusministerium strikt abgelehnt.
Familien in Not durch Kita-Gesetz?
Wenn das neue Gesetz umgesetzt wird, ist auch Kathrin K. schwer betroffen. Die Ärztin eines hannoverschen Klinikums lebt mit Mann und Kindern in Gehrden. Aber: „Nicht nur ich falle dann beruflich aus“, sagt K. Viele Menschen in sozialen Berufen, etwa in der Pflege, wären dann beruflich am Ende, ergänzt sie. „Das führt zu einer Verkettung in alle möglichen Branchen, deren Konsequenzen am Ende nicht absehbar sind.“ Dabei habe man das Problem seit Jahren kommen sehen.
Eine weitere Mutter ist selbst Kita-Leiterin eines privaten Trägers in Gehrden. „Wenn sich nichts ändert, falle ich beruflich aus“. Ein Ersatz sei perspektivisch nicht in Sicht. „Dann stehen weitere 40 Eltern in Gehrden ohne Kita-Betreuung da“, sagt sie t-online.
Auch Christine M. protestiert, samt Ehepartner und Kindern. „Wir müssen bereits jetzt immer wieder unsere Arbeitszeiten kürzen, das Haus will auch abbezahlt werden – und dann müssen wir unsere Kinder während unserer Arbeitszeit vor dem Fernseher parken. Das kann doch nicht gutgehen“, sagt sie. Das neue Kita-Gesetz sei zwar gut gemeint, aber es nütze nichts, wenn dadurch keine Menschen mehr auf die Kinder aufpassen, so M. weiter.