Die Türkei freut sich im größten deutschen Fußballstadion auf riesige Unterstützung. Ein Nationalspieler hat seine Mannschaft auf das ungewohnte Erlebnis vorbereitet. Und warnt vor Gegner Georgien.
Offiziell gibt es bei der Europameisterschaft nur einen Gastgeber. Ein Heimspiel-Gefühl werden aber nicht nur die deutschen Fußball-Nationalspieler genießen. „Die Türkei wird bei der EM eine Heimspielatmosphäre haben“, sagt so Salih Özcan im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Die berühmte gelbe Wand soll beim türkischen EM-Auftakt zur roten Wand werden. Im Dortmunder Fußballtempel setzt das Nationalteam aus der Türkei gegen Georgien auf die Unterstützung Zehntausender enthusiastischer Anhänger.
„Sie haben mich in den letzten Monaten immer schon gefragt, wie es ist, dort zu spielen“, sagt Borussia Dortmunds türkischer Nationalspieler Salih Özcan über seine Mitspieler. „Die Südtribüne ist auch in der Türkei bekannt. Regelmäßig vor 80.000 Zuschauern zu spielen, kennen die meisten von meinen Teamkollegen gar nicht. Die werden schon ein bisschen verblüfft sein.“
Zwar dürfen bei der EM nur etwas mehr als 60.000 Fans in Deutschlands größtes Fußballstadion, doch dass es laut und emotional wird, daran zweifelt eigentlich niemand. Rund 2,9 Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund leben in Deutschland, die vielen Fußballverrückten von ihnen wollen die Europameisterschaft zu einem Heimturnier für ihre Mannschaft machen. Auch auf den Fanfesten in ganz Deutschland werden viele von ihnen mitfiebern.
„Für die türkischen Fans, die hier leben, ist das etwas ganz Besonderes, die Nationalmannschaft hier vor Ort und so nah bei sich zu haben“, sagt Özcan, dessen Team Quartier im niedersächsischen Barsinghausen bezieht. „Die Türkei ist generell ein sehr euphorisches Land, vor allem was die Nationalmannschaft betrifft. Das werden wir Spieler spüren. Das wird uns pushen.“
Rund 2,9 Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund leben in Deutschland. Özcan ist einer von ihnen. Der Sohn türkischer Eltern ist in Köln geboren und aufgewachsen. Mit der deutschen U21 wurde er 2021 Europameister, seit 2022 spielt er für die A-Nationalmannschaft der Türkei.
Der 26-Jährige ist bei Weitem nicht der einzige türkische Nationalspieler mit einem speziellen Bezug zu Deutschland. Defensivspieler Kaan Ayhan kommt aus Gelsenkirchen, Kenan Yildiz sowie Can Uzun sind in Regensburg geboren und Inter-Mailand-Star Hakan Çalhanoğlu stammt aus Mannheim.
„Deutschland ist auch für mich immer noch Heimat, nicht nur geografisch, sondern auch kulturell“, sagte Ayhan jüngst dem Magazin „11Freunde“. Und Özcan erklärt: „Wir haben sehr viele deutschsprachige Spieler in der türkischen Nationalmannschaft und ich glaube, wirklich alle freuen sich. Für sie ist die EM ja auch ein Stück weit wie nach Hause kommen. Viele Familien der Spieler leben ja auch noch in Deutschland.“
Er selbst habe zahlreiche Ticketwünsche von Familienmitgliedern und Freunden erhalten und für die Gruppenspiele gegen Georgien, Portugal (beide in Dortmund) und Tschechien (in Hamburg) insgesamt 150 Eintrittskarten angefragt.
Auch die Spielorte bereiten sich auf zahlreiche türkische Anhänger vor. Im Dortmunder Westfalenpark treten rund um das erste türkische Spiel gegen Georgien (18. Juni, 18 Uhr) der türkische Musiker Kadr und die Band Engin auf. Die Polizei Dortmund will bei der EM nach eigenen Angaben möglichst auch auf Türkisch über notwendige Vorkehrungsmaßnahmen und Gefahren informieren. Mit größeren Problemen rechnet sie aktuell aber nicht.
„Eine besondere Gefährdungsbewertung, die von den Bewertungen anderer Länderspiele abweicht, liegt für die türkischen Spiele nicht vor“, teilte die Dortmunder Polizei auf dpa-Anfrage mit. „Wir gehen davon aus, dass die in Dortmund und Umgebung lebenden Deutsch-Türken rege an den Angeboten teilnehmen werden. In der Vergangenheit hat es bei Fußballspielen mit türkischer Beteiligung spontane Siegesfeiern und Auto-Corsos gegeben. Auch hier können wir spontan auf derartige Entwicklungen reagieren.“
Auf dem Platz soll die zu erwartende Euphorie die Spieler nicht hemmen. „Ich persönlich genieße die Euphorie“, sagt Özcan. „Natürlich herrscht dann auch Druck. Das Land ist groß und mit der Nationalmannschaft sind viele Hoffnungen verbunden. Wenn es dann nicht gut läuft, kriegst du dementsprechend auch mal Feuer unterm Hintern, auf gut Deutsch gesagt. Bei uns überwiegt aber ganz klar die Vorfreude auf die Fans und das Gefühl, auch eine Heim-EM zu haben.“