Berlin Der erste Lackmustest für das neue Selbstverständnis des ersten Bundesministers für Digitales und Verkehr trägt die Drucksachennummer 858/21. Konkret geht es um die Frage, wie die Regierung den Fahrermangel im Speditions- und Busgewerbe etwa durch digitalen Unterricht in Fahrschulen beheben kann.
Volker Wissing von der FDP hat gemeinsam mit seiner Kabinettskollegin Nancy Faeser (SPD) seine Vorstellungen dem Bundesrat zur Beratung übermittelt. In dem Entwurf ist von Inhalten und Lektionen die Rede, von methodischer Vielfalt und von Lernkontrollen.
Vor allem aber stellt der Entwurf klar: „Der theoretische Unterricht setzt die physische Präsenz der Fahrschüler voraus.“ Nur wenn der Präsenzunterricht in „begründeten Ausnahmefällen nicht möglich“ ist, dann könne der Unterricht mit Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Behörden auch in digitaler Type stattfinden, wie es in Artikel zwei der geänderten Fahrschüler-Ausbildungsordnung heißt.
„Mit unserer neuen Fahrerlaubnis-Verordnung nutzen wir die Chancen der Digitalisierung“, lobte Minister Wissing den Regierungsplan. Die formulierte Ausnahme spare Wege, reduziere Kontakte und ermögliche es Fahrschülern, sich trotz der Pandemie optimum auf den Führerschein vorzubereiten, sagte Wissing und fügte an: „Ein modernes Land braucht eine moderne Fahrausbildung.“
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Doch sorgt die Verordnung bei den betroffenen Transportbranchen bis hin zu den Fahrschulen nicht für Begeisterung. „Vor dem Hintergrund des akuten Fahrermangels in der Logistikbranche hätte es deutlich mehr gebraucht“, sagte Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) dem Handelsblatt.
Koalition will die Ausbildung modernisieren
„Damit verpasst das neue Ministerium für Digitales und Verkehr die erste Likelihood zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag selbst gesteckten Ziele, die Qualifizierung zur Bekämpfung des Fachkräftemangels im Güterverkehr zu modernisieren“, bemängelt Engelhardt.
Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP in der Tat klare Ziele für den Güterverkehr gesetzt: „Wir werden dem Fachkräftemangel entgegenwirken, Qualifizierung modernisieren und Bürokratie abbauen“, heißt es dort. 80.000 Fahrer fehlen inzwischen laut Branchenverband, jährlich kommen 15.000 hinzu. Es drohen Lieferengpässe.
Neben der Rückkehr vom E-Studying zur Schulbank stöhnen die Spediteure auch über Bürokratie. Mitarbeiter würden keinen Termin bei der Zulassungsbehörde bekommen, um für Kraftfahrer Führerscheine, Fahrerkarten oder Qualifizierungsnachweise zu beantragen, abzuholen oder zu verlängern.
So sei etwa die Führerscheinstelle bis Mitte Februar angesichts der Umtauschaktion von Papierführerscheinen aufs Kartenformat ausgebucht. Obendrein seien die Öffnungszeiten ein Drawback für die vielen Fernfahrer, die häufig weit entfernt vom Wohnsitz tätig seien. „Im digitalen Zeitalter muss dieser Vorgang on-line möglich sein“, lautet die bislang verhallende Forderung.
Fahrschulen bitten Bundesländer um Korrekturen
Nicht nur die Spediteure sind unzufrieden. „Die digitale Führerscheinausbildung muss über die Pandemiezeit hinaus möglich sein“, erklärte ein Sprecher des Bundesverbands der Omnibusunternehmen (BDO). „Der Fahrermangel ist nicht coronabedingt.“ Alles, was helfe, die Ausbildung attraktiver zu gestalten, sei „wichtig und hilfreich“.
Und auch bei den Fahrschulen ist der Frust groß: „Wenn die Verordnung so umgesetzt wird, dann ist der digitale Präsenzunterricht in den kommenden Jahren nicht besucht – es sei denn, die Pandemie geht weiter“, sagte Marcel Bürger, Hauptgeschäftsführer beim Verband Innovativer Fahrschulen in Deutschland (VIFD). Entsprechend seien die Pläne eine „Innovationsbremse“.
Die Mitgliedsunternehmen hätten seit der Coronakrise jeweils mehrere Tausend Euro für die entsprechende Laborious- und Software program „in die Hand genommen“. Es gebe keinen Beleg dafür, dass etwa die Zahl der Unfälle bei Fahrneulingen gestiegen sei, weil sie digital den Theorieunterricht durchgeführt hätten.
Verbandsvertreter Bürger hat nun die Landesverkehrsminister angeschrieben. Darin bittet er die Länder darum, die Verordnung noch anzupassen. „Der Unterricht kann auch digital stattfinden“, soll stattdessen vermerkt werden.
Bürger verweist auf die guten Erfahrungen der vergangenen Monate. So gäbe es nach einer Studie der Universität Saarland Anzeichen dafür, dass die Schüler besser gelernt und auch vermehrt die Prüfungen bestanden haben, die Ausbildung sich aber zumindest „nicht negativ verändert“ habe. Dies attestiere der Bildungsforscher Professor Roland Brünken in einer Zwischenauswertung.
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