In Jamaika verschwand über Nacht ein 400 Meter langer Strand. Es klingt nach einem kuriosen Vergehen, aber der Fall verweist auf eine weltweite Gefahr für die Umwelt.
Ungläubig schauten die Kriminologen der jamaikanischen Polizei, als sie im Juli 2008 vor dem Strand von Coral Spring standen. Über Nacht waren sage und schreibe 500 Lkw-Ladungen Sand von dem 400 Meter langen Strand verschwunden. Der Strandabschnitt war vollkommen abgetragen worden. Von den Tätern fehlte jede Spur.
Sand ist weltweit nach Wasser der zweitwichtigste Rohstoff. Glas, Zahnpasta, Mikrochips oder Reibekäse: Für diese und viele weitere Produkte braucht es Sand. Auch beim Bauen spielt Sand eine wichtige Rolle. Stahlbeton besteht zu zwei Dritteln aus Sand. Für ein durchschnittliches Einfamilienhaus werden 200 Tonnen des Rohstoffs benötigt. Das entspricht ungefähr dem Maximalgewicht eines Blauwals, dem schwersten Tier der Erde.
Sand gibt es nicht wie Sand am Meer
Sand wird also überall benötigt. Allerdings kann man nicht einfach jeden Sand verwenden. Zum Bauen wird vor allem Fluss- und Küstensand benötigt. Die Körner von Wüstensand sind zu rund, sie können sich nicht verhaken und ergeben keinen stabilen Beton. Leider gibt es Sand, entgegen dem Sprichwort, nicht wie Sand am Meer.
Ist das Sediment erst einmal verbaut, lässt es sich nur schwer wieder recyclen. Aus diesem Grund wird immer mehr Sand benötigt. So kommt es, dass in einigen Regionen der Welt eine regelrechte Sandmafia entstanden ist, die den begehrten Rohstoff illegal abbaut und verkauft.
Schwere Folgen für die Umwelt
Neben Jamaika gibt es diesen Sandraub vor allem in Südostasien und in Afrika rund um den Victoriasee. Neben den optischen Schäden hat der unkontrollierte Sandabbau auch schwere Folgen für das Ökosystem. Wird Sand beispielsweise vom Meeresboden abgetragen, zerstört dies nicht nur die Lebensgrundlage von Meerestieren. Es kann auch dazu führen, dass Sand von der Küste nachrutscht. Hierdurch rückt die Küste näher ans Festland. Ganze Küstenabschnitte können absinken und das Grundwasser kann versalzen.
Wofür der gestohlene Sand aus Jamaika letztlich eingesetzt wurde, ist nicht bekannt. Medien spekulierten damals, der Sand sei entweder zur Aufschüttung eines anderen Strandes benutzt oder an die Bauindustrie verkauft worden.
Ohne Zweifel war der Raub ein lukratives Geschäft. Genaue Zahlen gibt es auch hier nicht. Die jamaikanische Polizei leitete zwar Ermittlungen ein, diese verliefen allerdings im Sande. Die Täter konnten nie gefasst werden.