Frankfurt, Düsseldorf Und wieder wurde aus normalen Mietwohnungen sogenanntes „exklusives Wohneigentum“. In Berlin-Wilmersdorf conflict es so, in Moabit und jetzt auch in der Birkenstraße. Die Szymanskis wohnen seit Jahrzehnten dort. Doch nun wurde ihr Häuserblock an einen Investor verkauft. Die alteingesessenen Mieter sollen vertrieben werden – die renovierten Räume können sie sich dann nicht mehr leisten.
So sieht er vielerorts aus, der Immobilienmarkt in Deutschland. Wohnraum wird immer teurer. Zwei Autoren widmen sich diesem Thema, auf ganz unterschiedliche Weise. Michael Opoczynski, ehemaliger Moderator des ZDF-Wirtschaftsmagazins Wiso, entwirft in seinem Roman „Eigenbedarf“ das Bild von couragierten Mietern, die sich dem Development entgegenstellen wollen. Und der Finanzexperte Gerd Kommer analysiert in seinem Ratgeber „Kaufen oder Mieten“, welche Variante die bessere ist.
Der steile Anstieg der Wohnungsmieten hat dazu geführt, dass viele Menschen überlegen, sich eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen, und sich dabei mit unzähligen Fragen plagen. Lohnt sich der Kauf – und zwar auch jetzt noch, wo die Preise schon so in die Höhe gestiegen sind?
Oder wäre es nicht doch besser, weiter zur Miete zu wohnen, auch wenn das immer teurer wird? Welche Rendite würde eine Immobilie erzielen? Und welche Kosten kommen auf Immobilienkäufer und -besitzer zu? Antworten auf diese Fragen versucht Finanzexperte Kommer zu geben – und kommt dabei zu einer überraschenden Einschätzung.
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Denn Kommer zufolge ist die vorherrschende Meinung bei Immobilien in den wichtigsten Punkten „vollkommen schief“. „Das Thema Eigenheim ist so sehr von Stammtischmythen, Halbwahrheiten, Wunschdenken, selektiver Wahrnehmung und Interessenkonflikten der Finanz- und Immobilienbranche überwuchert, dass der Blick auf die Fakten davon quick vollständig vernebelt wird“, warnt der Autor, der zuvor schon mehrere Sachbücher geschrieben hat, unter anderem den mit dem Deutschen Finanzbuchpreis ausgezeichneten Titel „Souverän Investieren mit Indexfonds und ETFs“.
Gerd Kommer: Kaufen oder Mieten? Wie Sie für sich die richtige Entscheidung treffen.
Campus
Frankfurt 2021
285 Seiten
27,95 Euro
Auch Opoczynski bedient sich natürlich der Klischees von Intestine (die Mieter) und Böse (die Investoren). Doch sein Roman ist durchdacht und weist feinfühlig auf ein allgegenwärtiges Downside hin. Trotz der Komplexität des Themas nimmt der Autor sich Zeit, seinen Figuren Leben einzuhauchen und eine vielschichtige Geschichte zu spinnen, die von Seite zu Seite neugierig macht auf das, was kommt.
„19 größten Mythen“ zum Thema Immobilien
Werden die Szymanskis ihre Wohnung vor den Investoren retten können? Vor allem aber ist „Eigenbedarf“ ein in Kriminalromanform verpackter Appell, dass am Immobilienmarkt kräftig etwas in Schieflage geraten ist. Wer kann sich Wohnen, geschweige denn Kaufen, heute noch leisten? Sollte man sich auf dieses Gebiet bei den aktuellen Preisen überhaupt noch begeben?
Daran knüpft Kommer an. Bereits zu Beginn seines neuen Buchs analysiert er die „19 größten Mythen“ zum Thema Immobilien. Besonderes Augenmerk legt er auf die zwei Faktoren Risiko und Rendite. Gerade Letzteres behandelt er so ausführlich, dass der Leser danach bei Diskussionen problemlos mit Fachwissen zu Indizes wie etwa dem Herengracht-Index aufwarten kann. Detailliert erklärt der Autor, welche Kosten in die Renditerechnung einfließen sollten und welche Ausgaben – etwa die Sanierungskosten – häufig unterschätzt werden.
Mit Verweis auf historische Zahlenreihen und mithilfe von Beispielen und Rechenexempeln kommt Finanzexperte Kommer zu einem klaren Fazit: Mit einem Funding in ein diversifiziertes Purchase-and-Maintain-ETF-Depot (60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen) würde man eine bessere Rendite erzielen als mit dem Kauf einer Immobilie.
Für den durchschnittlichen deutschen Eigenheimkäufer in den vergangenen 51 Jahren sei Mieten „mindestens genauso rentabel“ gewesen wie Kaufen – „und streng genommen sogar rentabler“, warnt Kommer. Die „einzige und banale Voraussetzung“, die für diese Schlussfolgerung gilt, ist, dass der Mieter bereit ist, langfristig und diszipliniert gleich hohes Sparen – zu Deutsch Konsumverzicht – zu leisten wie ein Eigenheimbesitzer, der einen Kredit aufnimmt und ihn über 25 bis 30 Jahre tilgt.
Michael Opoczynski: Eigenbedarf. Kriminalroman.
Benevento
Elsbethen 2021
240 Seiten
20 Euro
Der verstaubte Spruch, dass die Klugen kaufen und die Dummen mieten, ist additionally genau das: ein verstaubtes Ammenmärchen“, resümiert Kommer. Und er zeigt sich überzeugt: Auch in der Zukunft werde das nicht anders aussehen. Er selbst – 58 Jahre, kinderlos, wohnhaft in München – habe in seinem Leben mehrfach vor der Entscheidung gestanden, ob er sich eine Immobilie kaufen sollte oder nicht – und sich dagegen entschieden. Dabei sei er selbst in einem Eigenheim in Oberschwaben aufgewachsen.
Doch zwei Gründe hätten für ihn dagegen gesprochen, es seinen Großeltern, Eltern, Geschwistern – und Millionen Immobilienkäufern – gleichzutun: zum einen seine berufsbedingt häufigen Umzüge und zum anderen seine Überzeugung, dass man als Mieter mit einem Funding am Kapitalmarkt eine bessere Rendite erzielen könne.
Dass die Entscheidung für oder gegen eine Immobilie nicht nur unter Berücksichtigung der Rendite getroffen wird, sondern auch eine Lebensstilentscheidung widerspiegeln kann, ist Kommer durchaus bewusst.
Deswegen widmet er sich in seinem Buch 28 Argumenten professional oder contra Immobilienkauf, etwa der häufig zu hörenden Ansicht, dass man als Immobilienbesitzer durch die Kredittilgung zum Sparen und damit zu seinem Glück „gezwungen“ werde. Auch hier verweist Kommer darauf, dass eine Particular person, welche die gleiche Summe in ein Depot investiert hat, am Ende mindestens das gleiche Vermögen angespart habe – wenn nicht sogar mehr.
Doch zu erwarten, dass viele Menschen dieselbe Disziplin an den Tag legen, wenn sie freiwillig Geld zur Seite legen, als wenn ihnen eine Financial institution bei der Kredittilgung im Nacken sitzt, ist unrealistisch – das räumt auch Kommer ein.
Das Thema Eigenheim ist so sehr von Stammtischmythen überwuchert, dass der Blick auf die Fakten davon quick vollständig vernebelt wird. Gerd Kommer, Finanzexperte
Für ihn gibt es daher in erster Linie zwei Argumente, die doch für den Kauf einer Immobilie sprechen: das der Zwangsansparung und das, dass sich viele Menschen nicht mit einem Funding am Kapitalmarkt auskennen – sie müssten sich von interessengeleiteten Finanzberatern, Banken oder Medien schlechte Financial institution- und Anlageprodukte aufschwatzen lassen. Ihnen gibt er in seinem Buch Ratschläge für den Aufbau eines für ihn guten Investmentportfolios als Different zum Eigenheim.
Ob man Kommers Meinung teilt oder nicht: Das Buch gibt hilfreiche Anregungen, um eine wohl überlegte Entscheidung für oder gegen ein Eigenheim zu treffen. Und wer es doch Kommer gleichtun will, zur Miete zu wohnen, der sieht am Beispiel der Szymanskis, dass es sich durchaus lohnen kann, für sein Recht und seine Werte einzustehen – wenn auch mit unkonventionellen Maßnahmen.
Mehr: Investieren in Wohnungen – So viel Rendite ist noch möglich.