Frankfurt Die Europäische Zentralbank (EZB) will ihre Geldpolitik straffen, dabei aber deutlich langsamer vorgehen als andere Notenbanken. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte am Donnerstag, dass die Entscheidungen dazu mit „sehr, sehr großer Mehrheit“ getroffen wurden. Nur „ein paar Mitglieder im Rat“ seien „mit dem einen oder anderen Aspekt des Pakets nicht einverstanden gewesen“.
Bei den Unstimmigkeiten handelt es sich vor allem um zwei Punkte, wie das Handelsblatt von zwei Insidern aus Notenbankkreisen erfahren hat: Unstimmigkeiten darüber, ob das Inflationsziel erreicht ist, und die große Flexibilität, die sich die EZB bei ihren Anleihekäufen künftig vorbehält.
Die Notenbank strebt eine Preissteigerung von zwei Prozent für den gesamten Euro-Raum an. Entscheidend ist dabei, dass sie dieses Ziel auf mittlere Sicht erfüllt. Laut den neuen Prognosen der EZB soll die Inflation im nächsten Jahr auf 3,2 Prozent steigen und in den Jahren 2023 und 2024 bei jeweils 1,8 Prozent liegen.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und seine Amtskollegen aus Belgien, Pierre Wunsch, Österreich, Robert Holzmann, und Frankreich, François Villeroy de Galhau, sowie EZB-Direktorin Isabel Schnabel sind nach Handelsblatt-Informationen der Meinung, dass damit das Inflationsziel erreicht wäre. Die Frage ist related, wenn es darum geht, für wie lange sich die EZB geldpolitisch festlegt.
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Nach dem Beschluss von Donnerstag soll das Pandemie-Kaufprogramm PEPP im März auslaufen. Gleichzeitig will die Notenbank ab April das ältere Anleihekaufprogramm APP auf monatlich 40 Milliarden Euro aufstocken und dieses Volumen ab Juli auf 30 Milliarden und ab Oktober auf 20 Milliarden Euro senken.
Zinserhöhung 2022 faktisch ausgeschlossen
Da für eine Zinserhöhung als Voraussetzung gilt, dass die Anleihekäufe zuvor beendet werden, sind steigende Zinsen im nächsten Jahr faktisch ausgeschlossen. Weidmann, Holzmann, Schnabel und Co. hätten es bevorzugt, sich nicht so lange festzulegen.
Aus ihrer Sicht gibt es zudem deutliche Risiken, dass die Inflation höher ausfallen könnte als derzeit erwartet. Zum Beispiel berücksichtigt die EZB in ihren Prognosen für die kommenden Jahre die Ölpreise am Terminmarkt. Diese deuten auf einen Preisrückgang hin. Ob der Ölpreis aber wirklich sinken wird, ist unsicher.
Zudem könnten die Löhne höher ausfallen als zunächst erwartet. Außerdem will die EZB perspektivisch auch die Preise für selbst genutztes Wohneigentum in der Inflationsberechnung berücksichtigen. Das hat sie in den Prognosen nicht gemacht, es würde aber die Inflation wahrscheinlich um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte erhöhen.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sieht zudem auch einen zweiten Punkt kritisch. Dabei geht es um die große Flexibilität, die sich die EZB bei ihren Anleihekäufen künftig vorbehält. Laut dem Beschluss von Donnerstag heißt es, unter Stressbedingungen werde „Flexibilität innerhalb des Mandats auch in Zukunft ein Bestandteil der Geldpolitik bleiben, wann immer das Erreichen von Preisstabilität“ bedroht sei.
In ihrem Assertion nennt die EZB explizit das PEPP-Programm, bei dem sie sich die Possibility offenhält, Wiederanlagen flexibel anzupassen. Die Formulierung bezieht sich aber nicht nur darauf, sondern schließt diese Möglichkeit auch für andere Anleihekaufprogramme nicht aus.
Die EZB macht damit relativ deutlich, dass sie an den Märkten eingreifen wird, wenn die Renditeabstände zwischen den Euro-Ländern bestimmte Niveaus überschreiten, die sie als kritisch erachtet. Die EZB wollte die Informationen auf Anfrage nicht kommentieren.
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