Millionen Babyboomer gehen in Rente – aber die Regierung verspricht: Die Renten sollen nicht gekürzt werden. Auch milliardenschwere Anlagen auf dem Aktienmarkt sollen helfen.
Die Bundesregierung will das Rentenniveau stabilisieren und den erwarteten Anstieg der Rentenbeiträge abbremsen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) präsentierten am Dienstag ein Reformpaket, mit dem das Rentenniveau von 48 Prozent auch für die Zukunft garantiert werden soll.
Weil das hohe zusätzliche Milliardensummen kostet, die Rentenbeiträge aber nicht zu stark steigen sollen, soll die Finanzierung auf ein zusätzliches Standbein gestellt werden. Mit der Gründung eines milliardenschweren Kapitalstocks auf dem Aktienmarkt will die Ampel-Regierung der Rentenversicherung eine neue Finanzierungsquelle erschließen.
Kürzungen bei der Rente schloss Bundeskanzler Olaf Scholz aus. „Für mich kommen Kürzungen bei der Rente nicht in Betracht“, sagte der SPD-Politiker in einer Videobotschaft. Scholz kritisierte Vorschläge zur Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre und Forderungen nach Renten-Null-Runden. Heil versprach: „Es wird keine Rentenkürzung geben und auch keine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters.“ Das Reformpaket solle noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Juli vom Bundestag beschlossen werden.
Rentenpaket Teil 1: Garantiertes Rentenniveau
Alle Menschen müssten sich auf die gesetzliche Rente verlassen können, betonte Heil. Ohne die Reform würde sich das Rentenniveau bald von der Lohnentwicklung abkoppeln. Die Rentnerinnen und Rentner würden im Vergleich zur arbeitenden Bevölkerung ärmer. Noch ist das Absicherungsniveau der Rente – aktuell rund 48,2 Prozent – nur bis 2025 festgeschrieben. Bis 2037 dürfte das Rentenniveau nach offizieller Schätzung aber auf 45 Prozent sinken. Der Grund: Millionen Babyboomer mit Geburtsjahren in den 1950er und 1960er Jahren werden zu Ruheständlern.
Das Rentenniveau sagt aus, wie viel Prozent des aktuellen Durchschnittslohns jemand als Rente erhält, der exakt 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet hat. Bei einem sinkenden Rentenniveau steigen die Renten schwächer als die Löhne. Nun soll ein 48-Prozent-Niveau zunächst bis 2040 gesichert werden. 2035 soll die dann amtierende Regierung in einem Bericht darlegen, wie es ab 2040 beibehalten werden könne.
Heils Beamte rechneten vor: Wenn beispielsweise eine ausgebildete Krankenschwester mit 3100 Euro pro Monat im Jahr 2032 nach 45 Erwerbsjahren im Alter von 65 Jahren in Rente geht, würden ihre Bezüge dank des Rentenpakets statt rund 1450 Euro etwa 1500 betragen. „Das ist ein Plus von rund 600 Euro im Jahr.“
Rentenpaket Teil 2: Neue Finanzierungsquelle am Aktienmarkt
Um Beitragssprünge in Zukunft zu vermeiden, will die Bundesregierung Milliarden am Kapitalmarkt anlegen und aus den Erträgen ab Mitte der 2030er-Jahre Zuschüsse an die Rentenversicherung zahlen. Damit erhält die Rentenversicherung zusätzlich zu Beiträgen und Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt eine dritte Finanzierungsquelle.
Für das am Kapitalmarkt angelegte Geld will die Regierung Schulden machen, die nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. In diesem Jahr sind das erst einmal 12 Milliarden Euro, in den kommenden Jahren soll es jeweils etwas mehr werden. Außerdem werden Vermögenswerte des Bundes übertragen. Insgesamt sollen so bis Mitte der 2030er-Jahre mindestens 200 Milliarden Euro angelegt werden. Aus den Erträgen am Aktienmarkt sollen dann jährlich zehn Milliarden Euro an die gesetzliche Rentenversicherung fließen.
„Das ist noch nicht die alleinige Lösung für die Herausforderung der langfristigen Finanzierung der Rente“, betonte Lindner. Es sei aber ein Baustein, der einen Unterschied mache. „Über ein Jahrhundert wurden die Chancen des Kapitalmarkts in der gesetzlichen Rentenversicherung liegengelassen“, kritisierte er. „Jetzt nutzen wir sie.“ Heil und Lindner betonten, es gehe nicht um Zockerei und kurzfristige Spekulationen. „Das ist langfristig gut angelegtes Geld“, sagte der Arbeitsminister. „Und wir haben auch Vorsorge getroffen, falls uns der Himmel auf den Kopf fällt.“ Es gebe einen Notfallmechanismus. Kein Bürger und keine Bürgerin werde etwas verlieren, betonte Lindner.
Was das kostet – und was es für den Rentenbeitrag bedeutet
Laut Gesetzentwurf würden die Rentenausgaben bis 2045 ohne Reform von derzeit 372 Milliarden Euro auf 755 Milliarden steigen – durch die geplante Festschreibung des Rentenniveaus auf 48 Prozent dürften sie sogar auf rund 800 Milliarden steigen.
Deswegen und wegen der alternden Bevölkerung wären auch deutlich höhere Beiträge zu erwarten. Ohne die Geldanlage am Kapitalmarkt würde der Rentenbeitrag von aktuell 18,6 Prozent bis zum Jahr 2045 auf 22,7 Prozent steigen. Die Erträge vom Kapitalmarkt soll das etwas abdämpfen. Die Bundesregierung rechnet dadurch im Jahr 2045 mit einem Rentenbeitrag von 22,3 Prozent.

