Deutschland diskutiert über Armin Laschets Brandrede gegen den drohenden Rechtsruck. Sein politisches Schicksal zeigt auch: Es schadet unserem Land, wenn ein kurzes Bild mehr zu sagen scheint als tausend Worte.
Es war tatsächlich nicht mehr als ein politischer Wimpernschlag. Frank-Walter Steinmeier spricht am 17. Juli 2021 in Erftstadt in Nordrhein-Westfalen über die Hochwasserkatastrophe, die Deutschland gerade heimgesucht hat. Er trauert um die vielen Toten – 188 sollten am Ende im ganzen Land gezählt werden. Er beklagt die schlimmen Zerstörungen in dem kleinen Städtchen und weit darüber hinaus, weggespülte Existenzen, über Sterben und Leiden der Betroffenen.
Wenige Meter hinter dem Bundespräsidenten steht Armin Laschet, seinerzeit Kanzlerkandidat der Union. Es war die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes. Laschet und die CDU/CSU führen zu diesem Zeitpunkt in den Umfragen mit einem komfortablen Abstand. Eine Forsa-Erhebung sah ihn drei Tage zuvor noch 11 Prozentpunkte vor den Grünen, gar 15 vor Olaf Scholz und der SPD. Die Kanzlerschaft schien zum Greifen nahe. Und dann lacht Laschet.
Er scheint den umstehenden Lokalpolitikern etwas zuzuraunen. Dann grinst er schelmenhaft, die Zunge zwischen den Zähnen. Laschet scheint nicht bewusst zu sein, worüber Steinmeier gerade spricht, und er scheint nicht zu ahnen, dass er gerade bundesweit live zu sehen ist. Nur im Anschnitt der TV-Übertragung zwar, aber doch deutlich und erkennbar. Es sind nur wenige Sekunden. Aber das Bild ist in der Welt. Unlöschbar.
Laschets Wahlkampagne sollte sich nie von diesem Moment erholen. Angeblich hatte er den örtlichen Landrat Frank Rock leise geneckt, weil der den Bundespräsidenten hemdsärmelig mit „Herr Steinmeier“ begrüßt hatte. Rock hatte entgegnet, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass Steinmeier (1,78 Meter) fast ebenso klein ist wie der nur 1,72 Meter große Laschet. Darüber feixte Laschet – zur Unzeit.
Die Entrüstung über diesen so unbedachten wie unprofessionellen Augenblick schlägt hohe Wellen. Flachsen in so einer hochdramatischen Lage! Grinsen angesichts dieser Katastrophe! Herumalbern vor der gesamten Nation! Kann einer Kanzler, der sich so gebärdet, oder ist dieser Mann doch nur ein Kandidat aus einer Karnevalshochburg? Gut zwei Monate später wird Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt. Statt Armin Laschet.
Zweieinhalb Jahre später befindet sich Deutschland in einer tiefen Regierungskrise. Manche sprechen gar von einer Krise der Demokratie. Die regierende Ampelkoalition scheint gelähmt von internen Streitigkeiten und irrlichtert kommunikativ vor sich hin. Der Bundeskanzler lässt sie lieber gewähren, als sie zu führen. Ihre Zustimmungswerte befinden sich im Souterrain. Die Wut vieler Menschen im Land darüber kanalisiert sich in hohen Umfrageergebnissen der AfD. Bei den drei Landtagswahlen im Osten Deutschlands könnte sie jeweils stärkste politische Kraft werden. Die CDU müht sich um Abgrenzung, nicht immer erfolgreich und nicht immer mit voller Überzeugung, wie es scheint.
Mitten hinein in diese bedrohliche Lage hat Armin Laschet in Aachen eine kurze Rede gehalten. Anlass war der Holocaust-Gedenktag. Er hat mit eindringlichen Worten deutlich gemacht, wie rasend schnell die Machtergreifung Hitlers 1933 ablief. Er hat aufgezeigt, wie wenig ernst Deutschland seinerzeit die Gefahr von rechts genommen hat. Und er hat darauf hingewiesen, dass eine demokratiefeindliche Gruppierung an den Schalthebeln der Macht genau die Instrumente in die Hand bekommt, mit denen sie ihre Macht zementieren kann: So fest, dass die Kraft der Demokratie vielleicht nicht mehr ausreicht, sie wieder zu vertreiben.