Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
gestern Morgen sind viele Menschen in Deutschland und Europa mit einer Angst konfrontiert worden, die nie weg conflict, aber lange nicht mehr so nah: mit der Angst vor einer nuklearen Katastrophe.
Von Donnerstag auf Freitag sollen bei Kämpfen in der Nähe der südukrainischen Stadt Saporischschja nach Behördenangaben russische Truppen Europas größtes Atomkraftwerk beschossen haben. Ein Feuer brach aus. Zwar wurde es nach ein paar Stunden gelöscht, auch blieben die Strahlenwerte in der Umgebung laut internationaler Atomenergiebehörde unverändert. Aber die Welt conflict aufs Neue über Nacht eine andere geworden.
Nichts ist mehr so, wie es vor der Invasion conflict. Jeden Tag gibt es neue – oft verstörende – Lagen, die die innerhalb kürzester Zeit zum Umdenken zwingen. Auch Deutschland.
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Das zeigt sich einmal mehr beim Thema Atomkraft: Noch zu Beginn der Woche diskutierte Deutschland wegen der wachsenden Zweifel an der Verlässlichkeit russischer Gaslieferungen über eine Laufzeitverlängerung der drei letzten Atomkraftwerke im Land über 2022 hinaus. Sogar Wirtschaftsminister Robert Habeck schloss das nicht kategorisch aus – und rührte damit an einem Tabu für die Grünen.
Auch die Energiekonzerne, die noch kurz zuvor unisono erklärt hatten, eine Verlängerung der Laufzeit komme für sie nicht in Frage, signalisierten Bereitschaft, zu reden.
Die Debatte dürfte nun wieder verstummen. Denn, so warnte das Umweltministerium von Grünen-Politikerin Steffi Lemke noch am Donnerstag: Gerade in Kriegszeiten könne eine Laufzeitverlängerung Deutschland „besonders verwundbar machen“.
Der Vorfall nahe Saporischschja hat nicht nur in Europa, sondern weltweit Entsetzen ausgelöst. Das Handelsblatt analysiert die Lage, blickt auf die übrigen Atomkraftwerke in der Ukraine und gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.
Was uns diese Woche sonst noch beschäftigt hat:
1. Apropos Energieversorgung: Deutschland wird vorerst von Russland abhängig bleiben. Das treibt die Gaspreise. Der europäische Gaspreis ist am Freitag erstmals über die Marke von 200 Euro professional Megawattstunde gestiegen. Damit wurde ein neuer Rekord erreicht. Bundesregierung und EU-Kommission versuchen mit Hochdruck, die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern. Kurzfristig werden sich die Importe aus Sibirien aber nicht komplett kompensieren lassen, falls die Lieferungen ausfallen sollten.
2. Nord Stream 2 ist vorerst gestoppt – und keiner kümmert sich mehr: weder um den Inhalt der Pipeline, noch um deren Wartung und Sicherheit. Dabei befinden sich in der Ostseepipeline 330 Millionen Kubikmeter Erdgas. Mit der Menge könnten mehr als 100.000 Einfamilienhäuser in Deutschland ein Jahr lang mit Gasoline versorgt werden.
3. Seit Tagen rollt ein großer russischer Militärkonvoi von 64 Kilometer Länge auf Kiew zu. Das US-Unternehmen Maxar hat davon mehrere Satellitenaufnahmen veröffentlicht. Doch Wolodimir Selenski bleibt in seiner Hauptstadt. Putins Invasion machte den ukrainischen Präsidenten zum Vorkämpfer für westliche Werte. Gegen Russlands Raketen setzt Selenski die Waffen des Wortes ein, gegen Propaganda Social Media. Mein Kollege Hans-Jürgen Jakobs hat ein Porträt über den „Freiheitshelden, der aus dem Fernsehen kam“ geschrieben.
Der Vizekanzler schloss eine Verlängerung der Laufzeiten von AKWs nicht aus.
(Foto: dpa)
4. In Russland will dagegen kaum mehr ein Unternehmen bleiben. Die Liste der Konzerne, die ihr Geschäft mit dem Land einschränken oder gleich ganz beenden, wird immer länger. Nachdem große Öl- und Energiekonzerne wie Shell und BP bereits zu Wochenbeginn ihren Rückzug vom russischen Markt ankündigt hatten, folgten immer mehr Firmen verschiedenster Branchen – auch aus Deutschland.
5. Das Schicksal der Menschen in der Ukraine berührt viele deutsche Unternehmen – laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind bereits mehr als eine Million Menschen aus den Kriegsgebieten geflohen. Das Engagement der Firmen ist groß: Sie spenden Geld, organisieren Hilfstransporte oder stellen Unterkünfte für Geflüchtete bereit.
6. Vier Länder haben sich bei der Ukraine-Abstimmung der UN-Vollversammlung auf die Seite Russlands gestellt und gegen die Decision, die zu einem Ende der „Aggression“ Russlands aufruft, gestimmt. Auch wenn das Sign, das von den 141 Befürworter-Ländern ausging, deutlich conflict: 35 Länder haben sich enthalten, zwölf gar nicht erst abgestimmt. Unsere Analyse zeigt, welche Länder Putin unterstützen, welche gegen ihn vorgehen und welche sich alle Optionen offenhalten.
7. Nie hat es so umfassende Sanktionen gegen ein Land gegeben wie gegen Russland. Die EU, Großbritannien und die USA haben mit dem Ausschluss russischer Finanzinstitute aus Swift und der Devisensperre für die Zentralbank vorgelegt. Der Rubel ist abgestürzt, die Börse in Moskau traut sich nicht, zu öffnen. Die Entkopplung Russlands ist richtig, schreibt mein Kollege Jan Hildebrand in seinem Kommentar, aber „sie birgt auch Risiken“.
8. Die Bundeswehr soll ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für Investitionen und Rüstungsvorhaben bekommen. Die deutsche Rüstungsindustrie, allen voran Rheinmetall, steht parat. Der Konzern hat der Bundesregierung bereits ein Angebot gemacht. Das Paket umfasse unter anderem Munition, Hubschrauber sowie Ketten- und Radpanzer, sagte Vorstandschef Armin Papperger dem Handelsblatt. Das gesamte Volumen summiere sich auf 42 Milliarden Euro.
9. In diesen Tagen liest man viel von russischen Oligarchen. Sie verurteilen den Krieg, kritisieren die gegen sie verhängten Sanktionen oder verkaufen Firmenanteile, um dem Sanktionsdruck des Westens zu entgehen. Und ein paar wenige proben sogar den Aufstand gegen Putin. Welche russischen Milliardäre auf der schwarzen Liste stehen, und welche Namen noch fehlen, lesen Sie in unserem Überblick.
Ich wünsche Ihnen, trotz der beunruhigenden Zeiten, ein schönes Wochenende.
Herzlichst
Ihre
Kirsten Ludowig
Stellvertretende Chefredakteurin Handelsblatt
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