Berlin Laut Berichten der „Bild am Sonntag“ prüft die Bundesregierung die Errichtung eines Raketenschutzschilds des israelischen Typs „Arrow 3“ über dem Gebiet der Bundesrepublik. Damit soll Deutschland Abwehrbereitschaft gegen mögliche Raketenangriffe aus Russland gestärkt werden.
Das System ist auch als „Iron Dome“, zu Deutsch etwa „eiserne Kuppel“ bekannt und arbeitet mit einem Flugkörper-Radarsystem, das Daten an den nationalen Gefechtsstand in Uedem am Niederrhein senden könnte.
Die Informationen über einen nahenden Flugkörper und dessen mögliches Ziel könnten dann an verschiedene Stellen im Land weitergeleitet werden, an denen Abwehrraketen zum Abschuss eines feindlichen Geschosses stationiert wären.
In drei Jahren einsatzbereit
Laut „Bild am Sonntag“ wäre das System schon im Jahr 2025 einsatzbereit und wäre mit rund zwei Milliarden Euro relativ kostengünstig. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums wollte die Meldung laut der Nachrichtenagentur dpa noch nicht bestätigen. Sie verwies darauf, dass sich der Wirtschaftsplan zum 100 Milliarden schweren Sondervermögen derzeit noch in Abstimmung befinde. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswehr-Generalinspekteur Eberhard Zorn hatten am Mittwoch darüber beraten, wie das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zur Stärkung der Truppen konkret verwendet werden soll.
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Der Hauptberichterstatter im Haushaltsausschuss für den Verteidigungsetat, Andreas Schwarz (SPD), sagte der „Bild am Sonntag“ gegenüber, er halte das „Arrow 3“ System für eine gute Lösung für einen besseren Schutz gegen die militärische Bedrohung aus Russland.
Militärexperten bezweifeln, dass das System in der Lage wäre, das gesamte Bundesgebiet vor russischen Raketenangriffen zu schützen. Ein Iron Dome wie in Israel könne nur größere Städte, etwa Hamburg, München oder Berlin schützen, sagte der ehemalige Nato-Normal Hans-Lothar Domröse dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Der „Iron Dome“ wurde in Israel 2010 installiert und hat laut Angaben des Herstellers eine Trefferquote von rund 90 Prozent. Laut verschiedener Medienberichte conflict die Abwehrquote bei Einsätzen gegen Raketen aus dem Gazastreifen allerdings deutlich niedriger.
Das Schutzschild könnten auch Nachbarländer Deutschlands nutzen, wenn sie wiederum auf ihrem eigenen Staatsgebiet Abwehrraketen aufstellen. Die Radargeräte gelten als leistungsstark genug, dass sie auch Rumänien, das Baltikum oder Polen abdecken könnten.
Blinken: Keine Strategie für Machtwechsel in Russland
Um die Sicherheit der osteuropäischen Nato-Mitglieder hatte sich auch US-Präsident Joe Biden bei seinem Besuch in Polen besorgt gezeigt. Bei seiner Rede in der polnischen Hauptstadt Warschau hatte Biden allerdings für Verwirrung gesorgt, als er über den russischen Präsidenten Wladimir Putin den Satz sagte: „Um Gottes Willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben“. Worldwide conflict seine Aussage als Aufruf zu einem Regimewechsel in Russland verstanden worden.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte der russischen Nachrichtenagentur Tass daraufhin: „Persönlichen Beleidigungen schließen jedes Mal das Fenster der Möglichkeiten für unsere bilateralen Beziehungen unter der derzeitigen Regierung“. Das weiße Haus sah sich nach den Aussagen des Präsidenten gezwungen, zurückzurudern. Ein Sprecher des US-Präsidialamtes stellte klar, dass gemeint gewesen sei, Putin dürfe keine Macht auf seine Nachbarländer oder die Area ausüben.
Auch US-Außenminister Antony Blinken sagte in Jerusalem, die USA hätten wiederholt versichert, dass sie keine Strategie für einen Machtwechsel in Russland oder anderswo hätten. Das sei jeweils Sache des Volkes in dem betreffenden Land. Im Bezug auf Putin habe Biden ausdrücken wollen, dass der russische Präsident nicht die Macht haben dürfe, Krieg oder eine Aggression gegen die Ukraine oder andere Staaten zu führen.
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Unterdessen versuchen die ukrainischen Behörden, Menschen aus den schwer umkämpften Städten Mariupol und dem Oblast Luhansk zu evakuieren. Mariupols Bürgermeister Wadym Bojtschenko bezeichnete das Vorgehen der russischen Streitkräfte dort als Völkermord. Die russische Armee sei rücksichtslos gegen alle Bewohner der inzwischen schwer zerstörten Stadt vorgegangen.
Die Verteidiger hätten in den extrem schweren Kämpfen „heroischen Widerstand“ geleistet. Über der Stadt wehe weiterhin die ukrainische Flagge, es bleibe weiterhin eine ukrainische Stadt. „Und unsere Soldaten tun alles, damit dies auch in Zukunft so bleibt“, sagte Bojtschenko. Allerdings seien einige Stadtteile bereits unter russischer Kontrolle. „Die Stadt ist eingekesselt, der Ring zieht sich immer enger.“
Neue Evakuierungsversuche
Flüchtlinge aus Mariupol sollen mit einem Buskonvoi aus der nahegelegenen Stadt Berdjansk abgeholt werden, kündigte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk an. 15 Busse sollten die Menschen weiter in die zentralukrainische Stadt Saporischschja bringen.
Ein zweiter Fluchtkorridor wurde für Sonntag im ostukrainischen Gebiet Luhansk ausgewiesen. Über zehn festgelegte Routen hatten sich am Samstag 5200 Menschen aus besonders umkämpften Gebieten retten können, wie die Agentur Unian meldete. Nach nicht überprüfbaren russischen Angaben ist die Area Luhansk zu mehr als 90 Prozent unter Kontrolle der von Moskau unterstützen Separatisten.
Zuletzt hatten die Behörden Mariupols die Zahl der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung mit 2187 angegeben. „Ich kann sagen, dass die Zahl inzwischen erheblich höher ist“, sagte Bojtschenko, ohne weitere Particulars zu nennen. Von den ursprünglich 540.000 Einwohnern sei bereits über die Hälfte evakuiert worden.
Am Samstag konnten 4331 weitere Menschen Mariupol über humanitäre Korridore verlassen. Insgesamt wurden so 5208 Menschen aus der Ukraine in Sicherheit gebracht.
Steinmeier spricht von „härteren Tage“ auch in Deutschland
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat auch die Menschen in Deutschland auf härtere Zeiten infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine vorbereitet. Die scharfen Sanktionen führten unvermeidlich auch zu Unsicherheiten und Einbußen für uns.
„Es kommen auch auf uns in Deutschland härtere Tage zu“, sagte er am Sonntag in einer Videobotschaft für ein Konzert der Berliner Philharmoniker im Schloss Bellevue. „Wir werden bereit sein müssen, sie zu tragen, wenn unsere Solidarität nicht nur Lippenbekenntnis sein, wenn sie ernst genommen werden soll.“
Diese Tage würden die Welt verändern und auch uns verändern – „vielleicht schneller, als wir es für möglich gehalten hätten“, sagte Steinmeier. „Und die ganze Wahrheit ist: Viele Härten liegen erst noch vor uns.“ Trotz aller laufenden diplomatischen Bemühungen um eine Beendigung des Krieges gelte: „Unsere Solidarität und unsere Unterstützung, unsere Standhaftigkeit, auch unsere Bereitschaft zu Einschränkungen werden noch auf lange Zeit gefordert sein.“
Mit Agenturmaterial.
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