Ein spektakulärer Einsatz am Wuppertaler Bahnhof entpuppt sich als Fehlalarm. Die Fahndung nach den letzten gesuchten RAF-Terroristen läuft weiter. Sie könnten der Schlüssel zu zahlreichen ungeklärten Morden sein.
Als am frühen Morgen des 27. März 1993 fünf Bomben explodieren, bleiben von der neu gebauten Justizvollzugsanstalt Weiterstadt nur noch Trümmer, und auch von der Roten Armee Fraktion (RAF) ist bald nicht mehr viel übrig. Es wird der letzte Anschlag der Terrorgruppe sein, die über mehr als zwei Jahrzehnte die deutsche Öffentlichkeit in Atem gehalten hatte. Fünf Jahre später löst sie sich auf. Und die letzten heute bekannten Mitglieder bleiben im Untergrund.
Die Gruppe ermordete 33 Menschen, verletzte über 200 weitere. Noch Jahrzehnte nach dem nahezu 100-Millionen-Mark-Schaden an der JVA in Weiterstadt sind zahlreiche Verbrechen nicht aufgeklärt. Die dritte Generation der RAF, von der man ab etwa 1983 spricht, sie ist bis heute weitgehend ein Phantom. Vermutlich sind viele der damaligen Täter noch völlig unerkannt.
Es ist unklar, wer den Siemens-Manager Karl-Heinz Beckurts und den Diplomaten Gerold von Braunmühl erschossen hat. Nie gelöst wurde der tödliche Sprengstoffanschlag auf Alfred Herrhausen, den Chef der Deutschen Bank. Der Präsident der Treuhand, Detlev Rohwedder, wurde von Unbekannten ermordet.
Einige der vermutlich letzten, die Aufschluss geben könnten mit ihren Aussagen, sind die Verdächtigen im Falle des Sprengstoffanschlags in Weiterstadt. Und sie sind bis heute auf der Flucht: Burkhard Garweg, Daniela Klette und Ernst-Volker Staub. Sie hielten sich mutmaßlich nach dem Ende der Terrorgruppe mit Raubüberfällen in Westdeutschland über Wasser.
Eine internationale Fahndung lief bislang ins Leere – auch ein spektakulärer Polizeieinsatz am Wuppertaler Bahnhof entpuppte sich am Samstag als Fehlalarm. Trotzdem hoffen Ermittler auf einen späten Durchbruch. Denn gerade jetzt gehen neue Hinweise auf das Trio ein.
Wer sind die drei Gesuchten?
Ernst-Volker Staub wurde 1954* in Hamburg geboren. Bereits 1986 wurde er unter anderem wegen Mitgliedschaft in der RAF zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Es steht in Rede, dass er an Verlautbarungen der Gruppe in den Neunziger Jahren beteiligt war.
Daniela Klette wurde 1958 in Karlsruhe geboren. Seit Ende der Siebzigerjahre bewegte sie sich im Unterstützerumfeld der Terrorgruppe, wo sie in Kontakt mit der späteren Führungsebene um Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld kam. Sie könnte neben dem Gefängnisanschlag auch an einem Anschlag auf die US-Botschaft in Bonn und einem Anschlag auf die Rechenzentrale der Deutschen Bank in Eschborn beteiligt gewesen sein.
Burkhard Garweg wurde 1968 in Bonn geboren, wuchs aber in Hamburg auf. Vermutlich schloss er sich Ende der Achtzigerjahre der RAF an.
Was wird ihnen vorgeworfen?
Alle drei könnten laut Spurenlage des Generalbundesanwalts an dem Sprengstoffanschlag auf die JVA Weiterstadt beteiligt gewesen sein. Tatbeteiligungen an weiteren Anschlägen sind nicht ausgeschlossen. All das dürfte aber weitgehend verjährt sein – wenn sie nicht an Morden oder Mordversuchen beteiligt waren. Zuletzt aufgefallen ist das Trio hauptsächlich, weil sie mutmaßlich an Raubzügen beteiligt waren.
Dabei geht es geht um mindestens elf Raubüberfälle und versuchte Raubüberfälle, in deren Zusammenhang ihnen auch ein versuchter Mord zur Last gelegt wird. Bei den Überfällen auf Supermärkte und Geldtransporter kamen die Täter zum Teil mit zwei Autos, nutzten Doublettenkennzeichen, versteckten die Fluchtfahrzeuge anschließend unter Tarnnetzen im Wald. Sie sollen schwer bewaffnet gewesen sein – bis hin zu zwei Kalaschnikows und einer Panzerfaust.
Welche Hinweise gab es, wo die drei sich aufhalten könnten?
Was die Ermittler sicher wissen, geht auf Indizien bei Straftaten zurück, die aber auch schon wieder Jahre zurückliegen. Da waren sie in Niedersachsen mutmaßlich sehr aktiv. Bei Ronnenberg unweit von Hannover hat das Trio demnach im September 2015 einen blauen Ford Focus gekauft. Er wurde genutzt, als am 25. Juni 2016 zwei Männer und eine Frau mit Panzerfaust und Automatikgewehr einen Geldtransporter in Cremlingen bei Braunschweig überfielen. DNA-Spuren stammten von Staub und Garweg.