„Auf Deutschland bleibt Verlass“, versprach die 40-Jährige, die jünger ist als alle ihre Vorgänger, in ihrer Antrittsrede. Die EU sei für Deutschland weiterhin „der Dreh- und Angelpunkt“.
Ihre erste Auslandsreise führt sie nach Paris. Hier trifft sie am Donnerstagmorgen ihren französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian. Danach reist sie nach Brüssel weiter, um dort Josep Borell, den Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik sowie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu treffen.
Am Freitag fliegt Baerbock nach Warschau zu einem Gespräch mit Polens Außenminister Zbigniew Rau. Als neuer Stil darf interpretiert werden, dass die Grüne beim wichtigsten osteuropäischen EU-Mitglied auch den polnischen Ombudsman Marcin Wiącek trifft.
Der Ombudsmann ist Anlaufstelle für die mit der Arbeit der Behörden unzufriedenen Polinnen und Polen. Polen ringt hart mit der EU um die Einhaltung europäischer Werte und Bürgerrechte sowie um die umstrittene polnische Justizreform.
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Erster Außenminister der Grünen conflict Joschka Fischer. Der heute 73-Jährige hatte die Partei 1998 in die rot-grüne Regierung geführt und das Außenamt bis 2005 geleitet. Der frühere Rebell conflict in seiner Amtszeit als Außenminister über Parteigrenzen hinweg anerkannt.
Die Grünen sehen in dem Ressort die Probability, klimapolitische Fragen auf europäischer oder weltpolitischer Ebene voranzubringen. Außerdem strebt die Partei eine Außenpolitik an, die gegenüber Staaten wie China, der Türkei und Russland wieder deutlicher europäische Werte vertritt. Offen ist indes, wie weit Kanzler Olaf Scholz (SPD) außenpolitische Themen besetzt.
Problemfall Ukraine-Konflikt
Russische Truppenbewegungen an der Grenze zur Ukraine haben im Westen Besorgnis ausgelöst. Die Lage sei sehr fragil, sagte Sabine Fischer, Osteuropa-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Russland spiele mit seinen Drohgebärden ein „riskantes Spiel“. Wichtig im Umgang mit Moskau seien deswegen „klare Positionen und klare Sprache“.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sei sehr geübt darin, westliche Diplomaten auflaufen zu lassen und auch vorzuführen. „Er sieht sich mit Baerbock einer jungen, grünen Politikerin gegenüber – sie vereint damit Attribute, die im russischen Kontext große Skepsis hervorrufen“, sagte Fischer. „Baerbock sollte sich deswegen unbedingt darauf vorbereiten, dass die russische Regierung ihr mit einer Mischung aus Herablassung und Ignoranz begegnet.“
Stefan Meister, Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), sieht Baerbock deswegen vor ihrer ersten Bewährungsprobe. „Russland sieht Deutschland nicht mehr als Associate in der EU, sondern als Gegner, den man schwächen muss.“ Erschweren würde die Lage, dass Deutschland noch lange auf russisches Fuel angewiesen sei, um die klimaneutrale Transformation der Wirtschaft zu schaffen.
Bundesregierung muss geopolitisch Verantwortung übernehmen
Baerbock müsse sich deswegen nun „Respekt in Moskau verdienen“ und deutlich machen, dass die Bundesregierung bereit sei, geopolitisch Verantwortung zu übernehmen. „Deutschland muss in außenpolitischen Fragen in der EU wieder eine Führungsrolle übernehmen – etwa im Südkaukasus, in der Ukraine-Politik und gegenüber Weißrussland“, so Meister.
Marieluise Beck, die viele Jahre Bundestagsabgeordnete der Grünen conflict und später das Zentrum für Liberale Moderne gründete, sieht schwierige Bedingungen für Baerbock. „Moskau blickt auf eine Regierung in Deutschland, die sich gerade erst zurechtfindet – und auf eine nicht gefestigte EU“, sagt sie. „Dies versucht der Kreml auszunutzen.“ Nicht nur die Drohpolitik gegenüber der Ukraine besorge sie, sondern auch die Lage im Westbalkan, wo Russland seinen Einfluss geltend mache.
„Die Area ist strategisch bedeutsam mit Blick auf den europäischen Einigungsprozess“, meinte Beck. „Eine wichtige Aufgabe der neuen Außenministerin wird sein, den destabilisierenden Einfluss Russlands zurückzudrängen und damit den EU-Beitritt zu unterstützen.“
Beziehungen zu China als Herausforderung
Mit Blick auf China deutet sich ein konfliktreicheres Verhältnis als in den vergangenen Jahren an. Baerbock erklärte am Montag, mit China „als einem größten Participant dieser Welt“ müsse man kooperieren, „bei internationalen globalen Fragen wie dem Klimaschutz, der Pandemiebekämpfung, aber eben auch der globalen Zusammenarbeit in der Welt“.
Aber man sei auch „Wettbewerber, wenn wir uns die zentralen wirtschaftspolitischen Themen unserer Zeit anschauen, und in anderen Bereichen Systemrivale“. Notwendig sei daher eine starke gemeinsame europäische China-Politik.
Für Wirbel hatte ein Interview von Baerbock mit der „taz“ gesorgt, in dem sie unter anderem ein europäisches Importverbot für Produkte aus der chinesischen Area Xinjiang ins Spiel brachte. Der chinesischen Führung werden large Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren in Xinjiang vorgeworfen. Auch einen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking schloss Baerbock nicht aus.
Baerbock will internationale Klimapolitik betreiben
Schon während des Bundestagswahlkampfs hatte Baerbock eine „leidenschaftliche Klimaaußenpolitik“ gefordert. Inzwischen zeichnet sich ab, dass die neue Umweltministerin Steffi Lemke – wie Baerbock eine Grüne – die Zuständigkeit für internationale Klimapolitik ans Außenamt abgeben muss.
Baerbock sieht die Klimakrise als größte globale Krise an. Diese sei ein Konfliktverschärfer in vielen Regionen weltweit. Es reiche nicht, darauf zu schauen, dass jedes Land seine Klimaziele angeht, „wir müssen endlich unsere Kräfte bündeln“.
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Umwelt- und Entwicklungsexperten halten diesen Schritt für überfällig. „Der Klimaaußenpolitik der Bundesregierung fehlte es bisher an Ambition, Strategie, Kohärenz und Ressourcen“, sagte Lutz Weischer, Berliner Büroleiter der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, dem Handelsblatt. Wenn die neue Regierung eine Klimaregierung sein soll, brauche sie in der Klimaaußenpolitik einen Neustart und eine Politik, die sich an den Zielen des Pariser Klimaabkommens orientiere.
Im Zentrum einer wirksamen Klimaaußenpolitik, so Weischer, sollten Partnerschaften mit Schwellen- und Entwicklungsländern stehen, die den für die Klimaziele erforderlichen Aufbau einer Energieversorgung mit erneuerbaren Energien unterstütze und beschleunige.
Zudem müsse sich die Bundesregierung in allen internationalen Institutionen und bei den Entwicklungsbanken für eine mit den Paris-Beschlüssen kompatible Ausrichtung starkmachen und auch ihre eigene Außenwirtschaftsförderung am 1,5-Grad-Restrict ausrichten und für alle fossilen Energien ausschließen. Sinnvoll, so Weischer, könne ein Beauftragter für Klimaaußenpolitik sein, um das Thema zwischen den Ressorts besser zu koordinieren.
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