Es gibt jedoch Bedenken, dass Referenden anfälliger für populistische Forderungen sind und zur Polarisierung der Gesellschaft beitragen können.
Im Moment erleben wir, wie Rechtspopulisten versuchen, Parlamente zu untergraben. Instrumente der direkten Demokratie können Populismus entlarven. Beispielsweise wird geprüft, ob Forderungen überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Der Gefahr einer Polarisierung können Sie entgegenwirken, indem Sie Bürgerräte über ein Thema beraten lassen, bevor Sie es einem Volksentscheid unterziehen. Räte wie dieser können Informationen für die Abstimmung bereitstellen und Empfehlungen aussprechen.
Sie wollen also verschiedene Formen demokratischer Beteiligung kombinieren?
Genau. Nach und nach testen Kommunen und Bundesländer bereits unterschiedliche Möglichkeiten, diese Formen zu kombinieren. Der ideale Ansatz ist für mich die Art und Weise, wie in Irland verschiedene Möglichkeiten kombiniert werden. Dort gibt es ein starkes Parlament, das aber in vielen Fragen auch auf den Rat der Bürgerräte angewiesen ist. Bei Empfehlungen entscheidet die Öffentlichkeit in Volksabstimmungen über Verfassungsänderungen.
Damit gingen sie zwei Fragen an, die Politiker im stark katholisch geprägten Irland bislang nicht anzusprechen wagten: das Recht auf Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe. Bürgerräte haben sich über ein halbes Jahr mit diesen Fragen auseinandergesetzt und am Ende mit einer Zweidrittelmehrheit die Legalisierung der Abtreibung und die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe empfohlen. Diese Empfehlungen erreichten in Volksabstimmungen die nötige Zweidrittelmehrheit und sind nun in der Verfassung verankert.