Ist die Jugend wirklich faul und sind die Deutschen nicht mehr leistungsbereit genug? t-online hat bei fünf Unternehmern und Firmenchefs nachgefragt.
Leistung – das ist für jeden etwas anderes. Viele Menschen jedoch verbinden damit vor allem Erfolg im Job, Leistung auf der Arbeit.
Während sich laut einer exklusiven Civey-Umfrage für t-online 83 Prozent der Deutschen selbst im Beruf als leistungsbereit einschätzen (mehr dazu lesen Sie hier), klagen viele Arbeitgeber darüber, dass immer weniger Menschen zu Höchstleistungen bereit sind – zum Beispiel Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, der im t-online-Interview sagt: „Wer viel hat, womöglich zu viel, ist weniger fokussiert, auch auf das, was nötig ist, um diesen Wohlstand zu erhalten.“
Doch wie bewerten andere Firmenchefs diese Frage? t-online hat mehrere Bosse gefragt, was Leistung für sie bedeutet – und ob die Deutschen noch leistungsbereit genug sind.
Markus Pflitsch, CEO der Firma Terra Quantum (stellt Quantencomputer-Technik für kommerzielle Anwendungen zur Verfügung), sagt: „Meine Erfahrung zeigt: Nur wer seiner Leidenschaft folgt, ist leistungsstark. Ohne echte Leidenschaft kann Leistung nicht von Dauer sein. Davon bin ich überzeugt.“ Dabei gelte, so Pflitsch: „Leistung kennt keine Nationalität. Deutsche sind nicht weniger leistungsbereit als andere. Es ist vielmehr eine Generationsfrage. Die junge Generation ist anders, aber nicht fauler oder weniger leistungsbereit.“
Manchmal fehlten ihr aber die richtigen Vorbilder: in der Schule, in der Ausbildung oder im Studium. Auch würden den Jungen zum Teil „fragwürdige Anreize“ gesetzt, um Leidenschaften zu entwickeln: „Sportfeste ohne Siegerehrung, Schularbeiten ohne Noten, Spiele ohne Verlierer. Das ist wenig realitätsnah. Wer will da noch gewinnen? Hier wird Leistung nicht belohnt. Wer starke Persönlichkeiten fördern will, braucht Leidenschaft als positiven Akzent, um eine gut funktionierende Leistungsgesellschaft richtig zu fördern.“
„Leistung gleich Kraft mal Zeit“
Die Bahn-Vorständin und Chefin von DB-Cargo, Sigrid Nikutta, blickt anders auf den Leistungsbegriff. „Es gibt eine ganz einfache Formel für Leistung – und zwar in der klassischen Physik: Leistung gleich Kraft mal Zeit“, sagt sie. „Für mich als Psychologin gilt das auch im Management.“ Dafür sei Kraft nötig, um die Extra-Meile zu gehen.
„Es braucht Kraft und Ausdauer für Veränderungen und neue Wege: ‚Never waste a good crisis‘, der Spruch des einstigen britischen Premierministers Winston Churchill ist in Zeiten wie diesen das richtige Mindset: ‚Verschwende niemals eine gute Krise.‘ Denn Krisen wecken unsere Leistungsfähigkeit, wenn wir sie als das betrachten, was sie sind: Chancen für Neues! Dazu braucht es aber auch Tempo, in neuen Situationen schnell unser Denken zu verändern. Zeit wird so zum entscheidenden Hebel für die Wirksamkeit von Leistung.“
„Leistungsbereitschaft bedeutet, Verantwortung zu übernehmen“
Gunnar Groebler, CEO des Stahlkonzerns Salzgitter, findet: „Echte Leistungsbereitschaft bedeutet für mich insbesondere, Verantwortung zu übernehmen. Sich für mehr einzusetzen als das eigene Interesse und sich als Teil von etwas Größerem zu sehen.“ Gerade für sein Unternehmen, das sich in einer umwälzenden Transformation befinde, sei das besonders wichtig.
„Von manchen Berufsgruppen wie der Pflege, der Polizei oder der Gastronomie fordern wir Leistungsbereitschaft wie selbstverständlich ein – sie sichert unsere gewohnte Komfortzone“, so Groebler. „Für mich ist es ein Ding der Solidarität, sich auch selbst zu fragen: Was kann mein Beitrag sein?“