Es ist eine empfindliche Pleite für die Bundesregierung: Sie muss ihren Plan für saubere Luft nachbessern. Schuld ist ein Gegner, der ihr ständig Niederlagen beibringt.
Die Ampelregierung hat einen Angstgegner: die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Schon fünf Mal in diesem Jahr standen sich beide Parteien vor Gericht gegenüber. Jedes Mal hieß der Sieger DUH. Immer wieder verklagt die Organisation die Bundesregierung und bekommt stets Recht. Passiert ist dennoch nahezu nichts.
Die jüngste Niederlage ist noch frisch. Am Dienstag entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, dass die Regierung beim Nationalen Luftreinhalteprogramm nachbessern muss. Es sei nicht erkennbar, dass Deutschland die EU-Vorgaben für Schadstoffe in der Luft einhalte. Das Programm für die Reduzierung sei fehlerhaft.
Für Jürgen Resch ist das unverständlich. Allein, dass die DUH die Regierung verklagen muss, schockiert den Bundesgeschäftsführer der Organisation. „Es ist komplett irre, dass wir der Bundesregierung mit Zwangsvollstreckung drohen müssen, damit sie die Gesetze einhält. Sie sollte doch die Hüterin der Gesetze sein“, sagt er t-online. Und dennoch zieht er regelmäßig vor Gericht – auch wegen viel „heißer Luft“ vonseiten der Bundesregierung, wie er selbst sagt.
Resch und seine Organisation haben nicht nur die Bundesregierung verklagt, sondern auch Kommunen, Länder und Unternehmen. Teilweise bis vor den Europäischen Gerichtshof. Über 100 Verfahren zur Luftreinheit habe er hinter sich – und dabei kein Mal verloren. „Ich wurde neulich gefragt: ‚Wollen Sie bei einer Niederlage in Revision gehen?‘ Da dachte ich nur: Das kenne ich gar nicht“, berichtet Resch.
Doch es geht ihm nicht nur ums Gewinnen, sein Kampf hat ernste Hintergründe. In Deutschland sterben laut der EU-Umweltagentur EEA jährlich knapp 28.000 Menschen vorzeitig aufgrund von Stickstoffdioxid und gar 68.000 aufgrund von Feinstaub.
Und die Bundesregierung tue zu wenig dagegen. Seit 2005 hält die Regierung die von der EU vorgegebenen Werte für die Luftqualität nicht ein. Deshalb klagte die DUH 2020 gegen das im Vorjahr beschlossene Luftreinhalteprogramm. „Der Plan bestand aus heißer Luft“, kritisiert Resch. Berechnungen seien falsch gewesen. So könnten die Ziele für Stickstoffoxide, Feinstaub und Ammoniak nicht eingehalten werden.
Wegen einer Umbesetzung am Gericht, der Corona-Pandemie und Krankheiten verschleppte sich der Prozess bis in dieses Jahr. Kurz zuvor hatte die Regierung ein überarbeitetes Programm veröffentlicht, alte Fehler korrigiert – aber offenbar längst nicht alle. „Ich habe mir das Werk angeschaut und war fassungslos. Der Lug und Trug geht weiter“, meint Resch.
So basiere der Plan auf veralteten Zahlen von 2021. Außerdem sei die Bundesregierung beim Thema Kohleverstromung noch davon ausgegangen, dass bis Ende 2029 alle Kohlekraftwerke vom Netz gehen würden. Tatsächlich ist dies erst für 2038 beschlossen. Bezüglich des Verkehrs liege ein Prognosefehler vor, weil nicht berücksichtigt wurde, dass die staatliche Förderung für den Kauf von Elektrofahrzeugen zwischenzeitlich gestoppt wurde.
Resch und die DUH bekamen Recht, mal wieder. Das Programm muss nachgebessert werden. „Dem Luftreinhalteprogramm kommt eine wichtige Steuerung zu“, betonte Richterin Ariane Holle. Die Bemühungen dürften nicht eingestellt werden. Die Regierung ist nun theoretisch verpflichtet, das Programm anzupassen, kann aber noch Revision einlegen. Davon hatte sie bei vergangenen Urteilen schon Gebrauch gemacht, etwa bei der geforderten Nachschärfung beim Klimaschutzprogramm.
Das Bundesumweltministerium kündigte an, das Urteil „umfassend“ zu prüfen, sobald es schriftlich vorliegt. Eine Sprecherin betonte, die DUH-Klage sei nur zum Teil erfolgreich gewesen. Die Organisation hatte juristisch erzwingen wollen, dass eine jährliche Reduktion von Schadstoffen festgeschrieben wird. Dazu verpflichtete das Gericht die Bundesregierung jedoch nicht.
Resch hofft, dass bei den Ampelparteien nun ein Umdenken stattfindet – zumindest bei einer. Denn werde in der Revision das Urteil bestätigt, könne die DUH mit einem Gerichtsvollzieher und engen Fristen die Regierung zum Handeln zwingen. Die Rolle des Gerichtsvollziehers würde in dem Fall der zuständige Senat des Oberverwaltungsgerichtes übernehmen und der Regierung bei Nichteinhaltung Strafen auferlegen oder womöglich Verantwortliche in Personenhaft nehmen.