Mehrere deutsche Bundesländer haben wegen verschärfter Spionagegesetze Reisen ihrer Qualitätskontrollinspektoren zu chinesischen Pharmaunternehmen ausgesetzt.
Die deutsche Pharmaindustrie warnt vor möglichen Medikamentenengpässen, nachdem China seine Spionagegesetze verschärft hat.
Vier der 16 deutschen Bundesländer haben inzwischen routinemäßige Qualitätskontrollreisen ihrer Inspektoren nach China abgesagt, weil sie befürchten, gegen das Gesetz zu verstoßen.
Die Bundesstaaten geben an, sie könnten die Sicherheit ihrer Inspektoren bei Besuchen in chinesischen Pharmafabriken nicht mehr garantieren.
„Einige Wirkstoffzertifikate sind bereits abgelaufen oder drohen in den nächsten Monaten abzulaufen, was zu einem Stillstand der Lieferketten verschiedener Arzneimittel führen wird“, warnt der Verband der Pharmazeutischen Industrie in einem Artikel der Deutschen Pharmazeutischen Zeitung.
Europa importiert eine große Zahl pharmazeutischer Wirkstoffe und Antibiotika aus China, einem der weltweit größten Lieferanten.
In Deutschland stammen laut dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) fast 90 Prozent aller Antibiotika aus China.
Alle in China hergestellten Medikamente müssen den Qualitätskontrollstandards der EU entsprechen und europäische Inspektoren müssen Zertifikate ausstellen, die bestätigen, dass der Herstellungsprozess den EU-Standards entspricht.
„Niemand kann sich weitere Medikamentenengpässe leisten“, sagte BPI-Sprecher Andreas Aumann gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung.
Die Entscheidung zur Absage der Auditorenreisen wurde von der deutschen Pharmaindustrie unterstützt.
„Sie gehen in die Unternehmen und sehen sich um, sie machen sich Notizen, sie sammeln Daten und sie haben einfach Angst vor Repressalien oder im schlimmsten Fall vor Verhaftungen, wenn sie dorthin reisen und die Fabriken inspizieren“, sagte Dorothee Brakmann, Geschäftsführerin des größten Pharmaverbands Deutschlands, der Tagesschau.
Der BPI hat die deutsche Regierung um die Bestätigung gebeten, dass Chinas Anti-Spionage-Gesetz keine Auswirkungen auf die Arbeit deutscher Pharmaprüfer habe.
Das deutsche Gesundheitsministerium minimierte die Sorgen der Kontrolleure der Pharmaindustrie allerdings mit der Begründung, dass es auch schon vor der Verschärfung des Spionagegesetzes aufgrund des „unvorhersehbaren Vorgehens“ der chinesischen Behörden immer ein gewisses Risiko gegeben habe.
„Das Bundesgesundheitsministerium steht in engem Kontakt mit dem Auswärtigen Amt und den Ländern, um mögliche Bedenken und Risiken bei künftigen Kontrollreisen zu minimieren“, sagte eine Sprecherin des BMG“, berichtete die Pharmazeutische Zeitung.
Peking spielt Risiko herunter
China spielte die Befürchtungen der Pharmaindustrie ebenfalls herunter und betonte, das Gesetz ziele lediglich auf eine Handvoll Spionageaktivitäten ab und beeinträchtige normale Geschäftsaktivitäten nicht.
„Solange die betreffenden Unternehmen und Mitarbeiter im Einklang mit dem Gesetz handeln können, gibt es keinen Grund zur Sorge“, sagte Mao Ning, Sprecher des chinesischen Außenministeriums.
Chinas Anti-Spionage-Gesetz wurde 2014 eingeführt und soll Spionageakte „verhindern, vereiteln und bestrafen“. Es gibt dem Land ein umfassendes Mandat, gegen Aktivitäten vorzugehen, die als Bedrohung der nationalen Interessen Chinas wahrgenommen werden.
Zu den im letzten Jahr verabschiedeten Gesetzesänderungen gehörte ein Verbot der Weitergabe von Informationen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit.
Im Februar wurde der Anwendungsbereich des Gesetzes durch zusätzliche Änderungen erweitert, die nun auch „Arbeitsgeheimnisse“ einschließen. Dabei handelt es sich um einen vagen Begriff, der sich zwar nicht unbedingt auf Staatsgeheimnisse bezieht, im Falle seiner Bekanntgabe jedoch dennoch „negative Auswirkungen“ haben könnte.
Mehrere ausländische Wirtschaftsorganisationen forderten mehr Klarheit hinsichtlich der von Peking vorgenommenen Gesetzesänderungen, insbesondere hinsichtlich der Frage, welche Daten ausländische Unternehmen unbedenklich erfassen dürfen.
Im Jahr 2023 wurde in China ein leitender Mitarbeiter des japanischen Pharmaherstellers Astellas Pharma wegen Spionage festgenommen.