Florenz ächzt unter den Touristen. Eine deutsche Kulturmanagerin kritisiert das Treiben mit einem illustren Vergleich. Die Empörung, die daraufhin folgt, ist riesig.
Wer schon einmal in Florenz gewesen ist, wird es kennen: Menschenmassen, wohin das Auge blickt, teure Tickets und stundenlanges Anstehen vor Museen und Sehenswürdigkeiten. Die Stadt gilt als eine Perle Italiens, doch ihr Glanz droht unter der Last des Tourismus zu verblassen. Das meint zumindest Cecilie Hollberg. Die Deutsche steht einer der wichtigsten Kulturinstitutionen am Stiefel vor: dem berühmten Museum Galleria dell’Accademia in Florenz.
Und weil Hollberg nicht scheut, den Finger in die Wunde zu legen, hat sie es nun zu einem veritablen Skandal gebracht. Die Museumsdirektorin stellte einen pikanten Vergleich an, indem sie Florenz mit Blick auf den Massentourismus in die Nähe des leichten Gewerbes rückte. „Wenn eine Stadt erst einmal zu einer Prostituierten geworden ist, ist es für sie schwierig, wieder Jungfrau zu werden“, sagte sie der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“.
Die Perle Italiens eine Dirne? Die Aussage der 57-jährigen Deutschen sorgt am Apennin für Unmut. Florenz‘ stellvertretende Bürgermeisterin, Alessia Bettini, nannte Hollbergs Statement „wahnhaft“ und eine „Beleidigung für alle Florentiner“. Italiens ehemaliger Ministerpräsident Matteo Renzi forderte eine Entschuldigung der Kulturmanagerin. „Beschämende Worte“ seien das, so der in Florenz geborene Renzi. Er brachte einen Rücktritt Hollbergs ins Spiel.
Hollberg: „keine Hoffnung“ ohne Bremse
Offenbar hat die Deutsche mit ihrer Kritik einen sensiblen Punkt getroffen: den Über-Tourismus. Jene Form des schwarmartigen Reisens, die manche Orte an den Rand ihrer Kapazitäten bringen und ihres ursprünglichen Charakters berauben kann.
Laut des Datenportals statista.de zählte Florenz vor der Corona-Pandemie 15 Millionen Besucherübernachtungen pro Jahr, 20 Mal mehr, als die Stadt Einwohner hat. Seit dem Ende der Pandemie steigen die Zahlen wieder rasant an. Die Unesco zeigt sich schon lange besorgt über die Entwicklung der Metropole mit ihrer historischen Altstadt, den zahlreichen Prachtbauten und bedeutenden Artefakten der Kunstgeschichte.
In die Altstadt, in der 60.000 Menschen leben, drängen jeden Tag 45.000 Besucher hinein. Es gibt dort mehr AirBnB-Wohnungen als eigengenutzte Wohnungen, wie die „taz“ berichtete. Dagegen regt sich auch unter den Bewohnern Widerstand. So fordern Bürgerinitiativen ein Verbot von AirBnB-Wohnungen und eine Beschränkung der Besucherzahlen.
Auf diese Problematik wollte nun auch Hollberg aufmerksam machen. „Florenz ist sehr schön, und ich würde gerne, dass es wieder an seine Bewohner geht und nicht vom Tourismus zerquetscht wird“, sagte sie „La Republicca“. Ohne eine „absolute“ Bremse bei den Touristenzahlen sehe sie „keine Hoffnung“. Die Kritik der 57-jährigen Historikerin nimmt die Stimmung in weiten Teilen der Florentiner Bevölkerung auf, könnte man meinen.
Kulturminister kündigte „Maßnahmen“ an
Doch Hollberg, in deren Museum Galleria dell’Accademia unter anderem die weltberühmte David-Skulptur des Renaissance-Künstlers Michelangelo ausgestellt wird, hatte vielleicht die Brisanz ihrer Sprecherposition unterschätzt. Als ausländische Kulturmanagerin steht sie in Italien einem zunehmend xenophoben Zeitgeist gegenüber.
Seit die neofaschistische Politikerin Giorgia Meloni die Regierungsgeschäfte übernommen hat, werden nicht-italienische Funktionäre wieder kritischer beäugt. So kritisierte Melonis parteiloser Kulturminister Gennaro Sangiuliano Hollbergs Äußerungen als „schwerwiegend und beleidigend“ und kündigte an, „angemessene“ Maßnahmen zu erwägen.
Die Drohung zeigte offenbar Wirkung. Inzwischen entschuldigte sich die Deutsche für ihr Interview. Sie habe die „falschen Wörter“ verwendet über „eine Stadt, die ich liebe“.