Adolf Hitler entfachte Weltkrieg und Holocaust, unterstützt von Joseph Goebbels. Wie manipulierte der Oberpropagandist die Wirklichkeit? Und was sollten wir aus der Geschichte lernen? Der Film „Führer und Verführer“ geht diesen Fragen nach.
Joseph Goebbels war ein Hetzer und Agitator, als Propagandaminister sollte er die öffentliche Meinung im Sinne des Diktators Adolf Hitler im Nationalsozialismus lenken und manipulieren. Wie stellte Goebbels das an? Wie wirkungsmächtig war die NS-Propaganda? Und welche Lehren sollten wir in unserer Gegenwart angesichts des Aufstiegs ultrarechter und rechtspopulistischer Kräfte aus der Geschichte des Nationalsozialismus ziehen?
„Führer und Verführer“ heißt ein neuer Film, der am 11. Juli 2024 in die Kinos kommt – und diese Fragen beantworten will. Im Interview erklären Regisseur Joachim A. Lang und Dramaturgin Sanda Maria Dujmovic, wie sie dabei vorgegangen sind.
t-online: Frau Dujmovic, Herr Lang, für Ihren Film „Führer und Verführer“ haben Sie sich intensiv mit zwei der entsetzlichsten Figuren der Geschichte beschäftigt: Adolf Hitler und Joseph Goebbels. Wie schwer ist Ihnen das gefallen?
Joachim A. Lang: Hitler, Goebbels und Konsorten sind die größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte. So belastend die Beschäftigung mit ihnen ist, so ist sie auch eine Pflicht. Denn die nationalsozialistischen Verbrechen sind für uns unfassbar, aber eben auch Realität. Das können und dürfen wir nicht ignorieren, immer mit dem Ziel, dass nie mehr geschieht, was geschehen ist.
Sandra Maria Dujmovic: Für uns stand von Anfang an fest, dass wir der Wahrheit verpflichtet sind. Viele Überlebende des Holocaust haben an „Führer und Verführer“ mitgewirkt. Die Dramaturgie im Film folgt den historischen Entwicklungen, dafür haben wir zahlreiche Fakten und Entwicklungen recherchiert und diese dann dramatisiert, um der Wirklichkeit näher zu kommen.
Sie haben jahrelang an „Führer und Verführer“ gearbeitet. Warum wollten Sie diesen Film unbedingt machen?
Lang: Ich bin knapp 15 Jahre nach Kriegsende geboren, im Alter von 13 Jahren habe ich zum ersten Mal das Buch „Der SS-Staat“ von Eugen Kogon gelesen …
… die Nationalsozialisten hatten Kogon jahrelang ins Konzentrationslager Buchenwald gesperrt.
Lang: Kogon hatte es selbst erlebt, ja. Nach der Lektüre war ich dann fassungslos, was wenige Jahre zuvor in Deutschland und Europa stattgefunden hatte. Ich konnte es einfach nicht verstehen. Wie war es möglich, dass die Nationalsozialisten eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung hinter ihre verbrecherischen Ziele in Form von Zweitem Weltkrieg und Holocaust bringen konnten? Diese Fragestellung lässt mich seitdem nicht mehr los.
Dujmovic: Was ich bislang in Spielfilmen über den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg gesehen habe, hat mich oft berührt. Trotzdem habe ich dort unsere Frage, warum das alles so geschehen konnte und weshalb Millionen Menschen in diesem System mitgemacht haben, noch nicht beantwortet bekommen. Angesichts der Entwicklungen in unserer Gegenwart ist eine Erklärung aber umso unverzichtbarer. Gerade in der heutigen Zeit, in der Faschismus und Antisemitismus wieder weltweit auf dem Vormarsch sind, ist es notwendiger denn je, einen Film zu machen, der versucht, Erkenntnisse zu bieten.
Joachim A. Lang, Jahrgang 1959, ist Autor, Filmregisseur, Journalist und Professor an der Filmakademie Baden-Württemberg. Seine Arbeiten, wie „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ (2018), erhielten zahlreiche Preise. Mit „Führer und Verführer“ kommt am 11. Juli 2024 Langs neuester Film in die Kinos. Sandra Maria Dujmovic, Jahrgang 1966, verantwortet beim Südwestrundfunk (SWR) als Redaktionsleiterin Spielfilmsonderprojekte und Kulturdokumentationen. Dujmovic arbeitet als Dramaturgin seit langer Zeit mit Joachim A. Lang zusammen, so bei „Mackie Messer“ und „Führer und Verführer„.
Drei Personen sind zentral in „Führer und Verführer“: Adolf Hitler und das Ehepaar Joseph und Magda Goebbels. Wie schwierig war die Annäherung?
Lang: Im Fall von Joseph Goebbels war das am einfachsten. Hitlers Propagandaminister war ein Zyniker, ein Opportunist und ein Karrierist, der keinerlei Rücksichten auf Menschen, auch nicht in seiner nächsten Umgebung, nahm, seine Tagebücher geben Aufschluss darüber. Wenn die Geschichte anders verlaufen wäre, hätte er ohne Weiteres einem anderen Regime dienen können. Magda Goebbels hingegen war eine glühende Nationalsozialistin, die insbesondere Hitler zutiefst verehrte. Der Diktator selbst war für mich hingegen am schwersten zu fassen. Dann kam ich über Goebbels auf die richtige Spur.
Lang: Goebbels bewunderte seine streng katholische Mutter dafür, dass sie viel mehr glauben könne als er selbst, wie er sich geäußert hat. Das Gleiche schreibt er über Hitler, das faszinierte Goebbels an ihm. Hitler wollte „Lebensraum“ im Osten erobern und die Juden ermorden, beide Ziele trieb er gnadenlos voran.
Tatkräftig von der Propaganda Joseph Goebbels‘ unterstützt.
Dujmovic: So ist es. Damit sind wir wieder in unserer Gegenwart angelangt. Wir müssen uns doch mit den Mechanismen beschäftigen, die in unserer Gesellschaft für Polarisierung und Entgrenzung sorgen. Sie unterscheiden sich nicht wesentlich von der Propaganda früherer dunkler Zeiten, nur die Technik ist effizienter geworden. Desinformation gibt es zuhauf im Internet, heute sagt ein Bild zunächst weniger über die Wirklichkeit aus als jemals zuvor. Stichwort Deepfakes durch Künstliche Intelligenz. Wenn wir die damaligen Verbrecher und ihre Strategien durchschauen, werden wir auch heutigen Menschenfängern die Maske vom Gesicht reißen können. Unser Film weist über das Vergangene hinaus und macht deutlich, wie gefährdet unsere Zivilgesellschaft ist und wie schnell eine Barbarei entstehen kann.