Die Unionsparteien in Deutschland machen gerade die schmerzhafte Erfahrung des Machtverlusts. Ein Gefühl, das ihre politischen Accomplice in Frankreich schon länger kennen: Die auf Charles de Gaulle zurückgehende bürgerlich-konservative Parteienfamilie im Nachbarland, die mittlerweile unter dem Namen Les Républicains firmiert, sitzt seit quick zehn Jahren in der Opposition. Und die Chancen, dass sich das bei den Wahlen im kommenden Frühjahr ändert, stehen aktuell nicht sonderlich intestine.
Die Probleme ihrer französischen Schwesterpartei sollten ein warnendes Beispiel für CDU und CSU sein. Sie zeigen, was passieren kann, wenn eine einstige Volkspartei der rechten Mitte abseits der Regierungsverantwortung die Orientierung verliert: Der Versuch der Konservativen, mit den Rechtspopulisten auf den Feldern der Migrationspolitik und der nationalen Identität zu konkurrieren, hat sie nur noch stärker in die Bredouille gebracht.
Die Républicains lassen sich dabei nicht nur von Marine Le Pen treiben, der Anführerin des rechtsextremen Rassemblement Nationwide. Der islamfeindliche Publizist Éric Zemmour, der mit seinen schrillen Warnungen vor einem drohenden Untergang der französischen Kultur viel Aufmerksamkeit bekommt und ebenfalls Präsident werden will, hat die Tonlage der Migrationsdebatte weiter verschärft.
Das Spiel mit übertriebenen Ängsten vor einer Überfremdung werden die Konservativen nicht gewinnen können. Im Zweifel legt der wegen Hassreden verurteilte Zemmour immer noch einen Gang zu. Zugleich verprellen die Républicains Wähler aus der bürgerlichen Mitte, denen das liberale Lager des Präsidenten Emmanuel Macron eine neue politische Heimat eröffnet.
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Am Wochenende gewann Valérie Pécresse den Mitgliederentscheid der Républicains über die Präsidentschaftskandidatur. Auch Pécresse, die den Ruf einer moderaten und wirtschaftsliberalen Konservativen hat, kam im Vorwahlkampf nicht umhin, den Wunsch nach Abschottung zu bedienen. Ihre Positionen schienen einem Teil der Parteibasis aber längst nicht weit genug zu gehen.
Immerhin quick 40 Prozent der Parteimitglieder stimmten in der Stichwahl für den äußerst rechten Abgeordneten Éric Ciotti, der auch vor Verschwörungstheorien über eine geplante „Umvolkung“ nicht zurückschreckt. Sollte dieser Flügel der Républicains künftig noch weiter erstarken, werden sich CDU und CSU genau überlegen müssen, ob sie mit dieser Partei auf europäischer Ebene weiter zusammenarbeiten wollen.
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