Der litauische Kommissionskandidat Andrius Kubilius sagte gegenüber Euronews, er versuche dringend, Milliarden aufzutreiben – auch über die umstrittene Idee gemeinsamer Kredite.
Der erste EU-Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt ist offen für die Ausgabe gemeinsamer Anleihen oder die Nutzung nicht ausgegebener Mittel aus Post-Pandemie-Fonds, um wichtige Mittel für den militärischen Aufbau und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit aufzubringen.
Der frühere litauische Premierminister, dem der Posten gestern (17. September) vorläufig zugesprochen wurde, muss noch vom Europäischen Parlament bestätigt werden, doch er sieht bereits jetzt mehrere Möglichkeiten, in Zukunft dringend benötigte zusätzliche Finanzmittel aufzubringen.
„Wir prüfen, wie wir möglichst schnell Geld auftreiben können“, sagte Kubilius, derzeit Europaabgeordneter der Mitte-Rechts-Partei Europäische Volkspartei, gegenüber Euronews nach seiner Ernennung und fügte hinzu: „Wir haben die theoretische Möglichkeit einer gemeinsamen Verschuldung.“
Zwar könnten die Mittel für die Verteidigung im nächsten Siebenjahreshaushalt erhöht werden, doch „das wird nicht vor 2028 passieren. Wir können uns nicht den Luxus leisten, bis 2028 zu warten“, sagte er.
Kubilius erwähnte auch die Umleitung nicht ausgegebener Gelder aus dem Wiederaufbaufonds der EU nach der Pandemie, die Nutzung des Rettungstopfs für den Finanzsektor, des Europäischen Stabilitätsmechanismus, oder die Mobilisierung von Finanzmitteln der Europäischen Investitionsbank und privater Institutionen.
Auch der ehemalige italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat vorgeschlagen, Ausgabe gemeinsamer EU-Anleihen um einen Teil der zusätzlichen 750 bis 800 Milliarden Euro aufzubringen, die die Union jährlich benötigt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Andere haben gemeinsame Kredite zur Finanzierung bestimmter Projekte vorgeschlagen, wie etwa eines geplanten EU-Luftabwehrsystems.
Die endgültige Lösung müsse jedoch mit den Mitgliedsstaaten vereinbart werden, räumte Kubilius ein – und Länder wie Deutschland und die Niederlande haben Draghis Forderung entschieden zurückgewiesen.
Koordination mit Kallas
Seit von der Leyen Anfang des Jahres versprochen hatte, Kubilius‘ neuen Verteidigungsposten zu schaffen, warnen Analysten vor einer möglichen Überschneidung mit der Arbeit der Estin Kaja Kallas, die Josep Borrell als oberste Diplomatin der EU nachfolgen wird.
„Wenn man mit den Leuten über einen Verteidigungskommissar spricht, denken sie an einen Verteidigungsminister auf nationaler Ebene“, sagte Sven Biscop, Professor für europäische Außen- und Verteidigungspolitik an der Universität Gent, gegenüber Euronews und fügte hinzu, dass ein EU-Kommissar weder über Militäreinsätze entscheiden noch Einfluss auf die Budgets nehmen könne.
In einem Brief an Kubilius machte von der Leyen klar, dass der Litauer sich mit Kallas abstimmen müsse, schlug jedoch vor, dass er in wirtschaftlichen Bereichen wie Investitionen, Beschaffung und Forschung mehr tun könne.
„Die Mitgliedsstaaten und die NATO kümmern sich um militärische Verteidigungspläne und Abschreckungspläne. Und ich glaube nicht, dass die EU in diesen Bereich eingreifen wird. Aber sie hat die Möglichkeit, den Mitgliedsstaaten und der NATO mit ihrer Macht zu helfen, zusätzliche Mittel für die Verteidigung aufzubringen“, sagte Kubilius gegenüber Euronews.
Von der Leyen hat Kubilius damit beauftragt, öffentliche und private Investitionen in die Verteidigung anzuregen, einen europäischen Luftabwehrschild zu entwickeln, die militärische Mobilität zu steigern und einen Binnenmarkt für die Verteidigungs- und Raumfahrtindustrie zu schaffen.
Sobald die neue Kommission im Amt ist, wird eine von Kubilius‘ ersten Aufgaben darin bestehen, gemeinsam mit Kallas ein Verteidigungspapier vorzulegen, um Möglichkeiten für gemeinsame Investitionen zu finden.